AfD-Wahlprogramm Sachsen-Anhalt: Zwischen \"Zaubersprüchen\" und \"12 Unglücksjahren\"

AfD-Wahlprogramm Sachsen-Anhalt:

Zwischen \"Zaubersprüchen\" und \"12 Unglücksjahren\"


Wenn am 13. März gleich in drei Bundesländern Landtagswahlen stattfinden, könnte es einen massiven Rechtsruck geben. Insbesondere in Sachsen-Anhalt prognostizieren Meinungsforscher der rechtspopulistischen AfD bis zu 17 Prozent der Stimmen voraus.

Zwischen \"Zaubersprüchen\" und \"12 Unglücksjahren\"
Von daher kann es durchaus lohnend sein, einen etwas genaueren Blick auf das dortige Landtagswahlprogramm der AfD zu werfen - auch um einen Vorgeschmack darauf zu bekommen, was der demokratischen Gesellschaft bevorstehen könnte.
 
Alleine schon die Präambel des Wahlprogramms liest sich wie ein Manifest der Deutschtümelei und des Geschichtsrevisionismus. So verwundert es nicht wirklich, wie man bei der sachsen-anhaltinischen AfD mit dem größten Menschheitsverbrechen, dem systematischen und industriellen Massenmord an 6 Millionen Juden im Holocaust während der Nazibarbarei, den Massenmorden an mehr als 500.000 Sinti und Romas, der Euthanasie und all den anderen Grausamkeiten und Verbrechen umgeht: 
 
Unsere herausragende Geschichte aber steht in traurigem Widerspruch zur heutigen gesellschaftlichen Lage: Sachsen-Anhalt leidet unter hoher Arbeitslosigkeit. Einstige Zentren der Industrialisierung gelten heute als strukturschwache Problemregionen. Der ländliche Raum verödet zusehends. Unsere schönen Landschaften werden durch Windräder verschandelt. Die zügellose Masseneinwanderung bedroht unseren bescheidenen Wohlstand und unseren inneren Frieden. Eine einseitige Konzentration auf zwölf Unglücksjahre unserer Geschichte verstellt den Blick auf Jahrhunderte, in denen eine einzigartige Substanz an Kultur und staatlicher Ordnung aufgebaut wurde. 

 

Wenn man von der behaupteten eigenen "ruhmreichen" Geschichte so beeindruckt ist, ist es logisch, wenn man versucht, das größte Menschheitsverbrechen zu einem "Unglücksfall" umzudeuten. Unglück, das hat was von unverschuldetem "Schicksalsschlag" oder einer "Naturkatastrophe", für die niemand verantwortlich ist. So funktioniert Geschichtsrevisionismus, das umdeuten und die Reinwaschung der Vergangenheit.
 
Wenn es allerdings um die eigene herbeiphantasierte "ruhmreiche" Geschichte geht, da wird man wesentlich wortgewaltiger und garniert sie mit allerlei blumigen Attributen:
 
Sachsen-Anhalt ist ein reiches Land - reich an Menschen mit gesundem Verstand, reich an weiten unverbauten Landschaften und unerschöpflich reich an Geschichte. Die Altmark gilt als die Wiege Preußens. Die Reformation nahm ihren Ausgang in Wittenberg. In Magdeburg hatte das frühe römisch-deutsche Kaiserreich sein geistig-politisches Zentrum. Mit den Merseburger Zaubersprüchen kommen die bekanntesten Sprachdenkmäler des Althochdeutschen aus Sachsen-Anhalt. In keinem anderen Bundesland herrscht eine solche Dichte an Denkmälern von nationaler Bedeutung. Nirgendwo liegen so viele Wurzeln deutscher Geschichte wie hier. Wir sind stolz auf Sachsen-Anhalt! 

 

Man fragt sich, ob, sollte man auf die Idee kommen, das Wahlprogramm auch als Hörbuch zu verbreiten, das dann mit bedeutungsschwangerem Ariergejaule aus Wagner-Opern hinterlegt wird. Die Feindbilder sind jedenfalls klar definiert: Alles "fremde" und "undeutsche". Da ist es dann auch wieder logisch wenn im weiteren Verlauf des Wahlprogramms auch die "Früh- und Hypersexualisierung" von Kindern zum vermeintlichen Thema gemacht wird.
 
Auch hier lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen. Denn was wird gemeint, wenn von einer "Früh- bzw. Hypersexualisierung" gesprochen wird? Welche Botschaft will die AfD mit diesen Worthülsen transportieren? Plant man in Sachsen-Anhalt - oder einem anderen Bundesland - die Vorführung von Hardcore-Porno-Filmen in den Grundschulklassen? Dann wäre Protest legitim - zumal sich der Gesetzgeber etwas dabei gedacht hat, warum er pornografische Filme mit einer Altersbeschränkung versieht. Es geht um etwas anderes. Schulkindern soll - altersgerecht - vermittelt werden, das es eine Vielfalt gibt. Und so wie es natürlich und normal ist, das es Rechts- und Linkshänder gibt, so ist es auch normal und natürlich, das es Homo-, Hetero- oder Bisexuelle gibt.  Und Gleichstellung ist etwas, was bei der AfD offenkundig allergische Reaktionen hervorruft. Dementsprechend heißt es weiter im Wahlprogramm:
 
Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist jedoch etwas anderes als die Ehe von Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen können und die unter dem besonderen Schutz des Staates steht. Eine vollumfängliche rechtliche Gleichstellung der Ehe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft, die sog. „Homo-Ehe“, lehnen wir deshalb strikt ab. Dies gilt insbesondere für das Adoptionsrecht. 

 

Das Wahlprogramm offenbart nicht nur ein krudes Weltbild, sondern auch wessen Geistes Kind es ist.
 
 
Izi Aharon - Foto: AfD-Wahlplakat im Bundestagswahlkampf 2013 (Foto: © Túrelio (via Wikimedia-Commons) / , via Wikimedia Commons)

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Freitag, 19 Februar 2016