G 20-Gipfel - Ist ein `Protestcamp´ von der Versammlungsfreiheit gedeckt? Pro und Contra zu einem überraschenden Urteil des Oberverwaltungsgerichts

G 20-Gipfel - Ist ein `Protestcamp´ von der Versammlungsfreiheit gedeckt?

Pro und Contra zu einem überraschenden Urteil des Oberverwaltungsgerichts


Ein von linken und ultralinken Gruppen geplantes `Protestcamp´ gegen den G20-Gipfel wird nicht vom Demonstrationsrecht gedeckt – so urteilte das zuständige Gericht. Unabhängig von der Frage, wie man den G20-Gipfel und die Proteste dagegen bewertet, diskutieren unsere Autoren die Frage, ob das Urteil eine Einschränkung des Demonstrationsrechts darstellt.

Pro und Contra zu einem überraschenden Urteil des Oberverwaltungsgerichts

Kein Recht auf Schnarch-Demos - von Tomas Spahn

 

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut. In einer freiheitlichen Demokratie soll es dem Bürger die Möglichkeit garantieren, seine Zustimmung oder Ablehnung zum Tun Anderer öffentlich Kund zugeben. In einer zivilisierten Gesellschaft endet dieses Demonstrationsrecht gleichwohl dort, wo es in die Rechte oder das Eigentum anderer eingreift oder für andere Zwecke missbraucht wird. Weshalb beispielsweise bei den beliebten Mai-„Demonstrationen“ von Teilen der offenbar nicht ausgelasteten Jugend säuberlich zwischen Demonstration und Krawall zu unterscheiden ist.

 

Von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen wollen nach Stand der Dinge auch mindestens 10.000 Menschen anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg. Jenseits dessen, dass man sich durchaus die Frage stellen darf, was die Verantwortlichen geritten haben mag, ein solches Treffen, welches in der Vergangenheit regelmäßig heftigen Krawall im Gefolge hatte, ausgerechnet in die Unübersichtlichkeit einer Großstadt zu verlegen, suchten nun die Organisatoren der als Demonstrationen angemeldeten Proteste nach Übernachtungsmöglichkeiten für ihre Gäste. Und sie kamen auf die, wie sie meinten, pfiffige Idee, dafür die große Wiese des Stadtparks zweckentfremden zu können.

 

Das zuständige Bezirksamt sagte Nein. Daraufhin zogen die „Veranstalter“ vor das Verwaltungsgericht, welches Ja sagte. Was wiederum die regierenden Rotgrünen veranlasste, nun das Oberverwaltungsgericht der Hansestadt anzurufen. Und dieses nun sagte deutlich Nein, mit der ebenso zutreffenden wie nachvollziehbaren Begründung, dass die Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten nichts mit dem Demonstrationsrecht zu tun haben.

 

Da half auch die Hilfskonstruktion der Veranstalter nicht, man wolle dort ein „Protestcamp“ mit entsprechenden Aktionen durchführen. Warum auch – denn die Stadtparkwiese, die demnächst eines der vermutlich letzten Konzerte der Rolling Stones erleben, ist Kilometer von jenen Orten entfernt, an denen die Großen der Welt, gegen die demonstriert werden soll, den Protest zur Kenntnis nehmen könnten. Geht es also tatsächlich darum, „Protestcamps“ einzurichten, dann bieten sich die zahlreichen Campingplätze in der und rund um die Hansestadt bestens an – Übernachtungsberechtigung ebenso inklusive wie Strom, Klo und fließend Wasser. Dort allerdings müssten die „Demonstranten“ selbstverständlich ebenso für die Übernachtung berappen wie in Jugendherberge oder Hotel – womit auch nachvollziehbar wird, weshalb Demonstranten und Freizeitrandalierer (die, wie Staatsschutz und Polizei intern vermerkt haben, angesichts seit Januar laufender Mobilisierung beispielsweise in größerer, hammerharter Anzahl aus Skandinavien und Italien erwartet werden) alle schön gebündelt in den Parkanlagen untergebracht werden sollten: Billig-Campen nebst angrenzender Grünanlagen zur Entrichtung der Notdurft und sonstiger Aktivitäten.

 

Neben der kostenfreien Übernachtung hätte für die Protestorganisierer der Sammelstandort natürlich auch noch andere Vorteile gehabt: Man muss nicht umständlich Treffpunkte vereinbaren, sondern hätte den versammelten Protest bereits kollektiv einsatzbereit. Beispielsweise zum Marsch auf die nur wenige Kilometer nördlich gelegene Polizeikaserne. Oder in die angrenzende City-Nord, wo einige global tätige Unternehmen – jene bösen Ausbeuter der Dritten Welt - anzutreffen sind. Auch könnte man vom Stadtpark geschlossen durch die „besseren“ Hamburger Wohnviertel Winterhude, Eppendorf, Harvestehude und Rotherbaum Richtung Messehallen marschieren, um so schon einmal bei den richtigen Adressaten seinen Unmut kundzutun und den Geldsäcken zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Nebenbei könnten die ganz harten, kriminellen Kollegen im Stadtparkslum schnell untertauchen und sich dort dem Zugriff der staatlichen Ordnungskräfte entziehen – denn wie soll man sie in einem solchen Massenlager finden?

 

Insofern: Das Oberverwaltungsreicht hat völlig Recht getan, diesen mit mehr als fadenscheiniger Begründung angemeldeten Sammelschlafplatz nicht unter den Schutz des Demonstrationsrechts zu stellen.

Demonstrationen können auf Grundlage geltenden Rechts überall in der Hansestadt angemeldet werden. Mit Veranstalter, Zeit und Ort – wie es in einem funktionierenden Rechtsstaat vorgesehen ist. Kollektives Billigschlafen allerdings hat nichts mit Demonstration zu tun – selbst dann nicht, wenn die Veranstalter in ihrer Pfiffigkeit nun beschließen sollten, das Camp als Schnarchprotestveranstaltung anmelden zu wollen.

Apropos Veranstalter: Die haben zwischenzeitlich auf Bundesebene Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des OVerwG eingelegt. Bleibt zu hoffen, dass die dortigen Richter der einzig richtigen Rechtsauffassung ihrer Hamburger Kollegen folgen. Nichts gegen das Demonstrationsrecht. Aber es ist nicht Aufgabe von Staat und unbeteiligten Steuerzahlern, Demonstranten kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten zu stellen. Da müssen die sich schon selbst drum kümmern.

 

 

 

Ein ungewöhnliches Urteil! Oder doch nicht? von Torsten Kurschus

 

Ich bin natürlich für G-20 und hoffe auf guten Willen und Vernunft

Ich halte die Entscheidung des LVG HH aber für einen Skandal, weil man sich bei der "Gesamtbetrachtung" eben etwas, nämlich die Übernachtung herausgreift und letztlich über diese Urteilt, was es also zum genauen Gegenteil einer Gesamtbetrachtung, sondern zu einem willkürlichen Polit-Justizakt macht und damit unterstellt, man könnte als Justiz besser das Konzept und die Intentionen beurteilen als der Veranstalter.

 

Das geht gar nicht. Meine konservativen Kumpels sahen das eben noch ganz anders als ich. Ich bin natürlich für G-20 in HH, aber wenn das Demonstrationsrecht mit organisationstechnischen Spitzfindigkeiten ausgehebelt wird, indem man einzelne Teile eines zu organisierenden Gesamtkonzeptes herausbricht und gesondert beurteilt, kann ein voreingenommenes Gericht mit einer unmutwilligen Bürgerschaft den Rechtsstaat gegen Minderheitsrechte und gegebenenfalls politisch anders Denkende beugen.

 

Nichts anderes als das Protestcamp als "Penne(r)wiese" abzuqualifizieren ist eine solche bösartige Spitzfindigkeit. Nennen wir es „Bürokratische Hürde“. Das wäre in Ordnung, nur eben nicht, wenn damit eine asymmetrische machtbasierte Meinungsmacht fundiert wird. Als Hamburger Bürger muss man sich entscheiden, ob man stolz auf G-20 oder sauer auf die Hürden ist. Und eine Bundesregierung muss sowieso wissen was sie tut. Demzufolge kann auch bei einem solchen Ereignis nicht gelten, dass die Protestierer alles von außen oder von sonst woher kommen, was die Hamburger Behörde verlauten ließ.

 

Richtig ist, wie Izi Aharon sagt, dass das deutsche Demonstrationsrecht diese Einzelfragen, wie wo unterkommen, zur Toilette gehen... etc. nicht deckt. Richtig ist aber auch, das bei solchen Veranstaltungen auch das Recht auf seine auch organisierte Meinungsäußerung nicht voraussetzungslos sein kann. Denn hier gibt es sonst eine weitere Asymmetrie, die hier ohnehin in den Chancen beider Seiten nicht gegeben ist.

Das war sicher nicht, was sich die Väter des Grundgesetztes wünschten.

 

Für alles sonst bracht man nämlich Sondernutzungsgenehmigungen, die kann die Kommune oder Gebietskörperschaft erst einmal handhaben wie sie will. Natürlich gibt es ein Klagerecht, das wird selten den Rahmen geben können, rechtzeitig reagieren zu können. Die vorerst gesetzten Fakten reichen aber meist aus alles zu blockieren. Abgesehen von der Staatsgewalt ist das ein Teil dieser Asymmetrie. Und hier geht es weniger um Rechte, sondern vor allem um eine staatsgenehme Handhabe. Sicher wollten die Verfassungsväter auch keine Chaotendemos, aber eben auch absolut nicht die Reklamierung von Rechten, die nach Gutsherrenart verwaltet werden.

 

Auch halte ich es für hochkritisch als lokales Gericht oder lokale Bürgerschaft, sich das Recht zu nehmen über einen internationalen Prozess zu befinden, denn die Gesamt-vor-Betrachtung über eine solche Veranstaltung waren Politik und Justiz auch zuvor bekannt, mit allem Dazugehörigen. Wenn Hamburg zu klein ist um einen solchen Event auszurichten oder zu bieder um zulässige Proteste zu ertragen und diese von Anbeginn an zerstreuen will - hätte die Stadt gleich >Nein< sagen müssen.


Statt dessen, wird hier offenbar am Demonstrationsrecht geschraubt.

Dann wird es gefährlich, Dann brennen auch mal Autos und Golo Mann sagte, "und erst verbrannten die Bücher und dann die Menschen". 

 

 

Foto: Justizia (Foto: von Fentriss (Eigenes Werk) [CC0], via Wikimedia Commons)


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Sonntag, 25 Juni 2017

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