Berlin: `Holocaust Alaaf!´

Berlin:

`Holocaust Alaaf!´


Berlin, halt Dich fest, Yael Bartana kommt an die Spree! An der Volksbühne wird sie das Stück `Was, wenn Frauen die Welt regieren´ nach Motiven von Stanley Kubricks „Dr. Strangelove“ inszenieren.

`Holocaust Alaaf!´

von Gerd Buurmann

 

Mit dem Inszenieren nach Motiven, die etwas zu groß sind für sie, kennt Yael Bartana sich aus. Am 28. Juni 2013 zum Beispiel präsentierte sie in Köln im Rahmen der Impulse Theater Biennale vor dem Kölner Dom die Performance „Zwei Minuten Stillstand“ nach den Motiven des israelischen Holocaustgedenktags Jom haScho’a. Was herauskam, war eine karnevaleske Verballhornung des Holocaustgedenktags.

 

Jom haScho’a ist ein israelischer Nationalfeiertag und Gedenktag für die Opfer der Shoa einerseits und den jüdischen Widerstand und das Heldentum der jüdischen Untergrundkämpfer andererseits. An dem Tag um 10 Uhr heulen in Israel für zwei Minuten die Sirenen. Der öffentliche Nahverkehr und normalerweise auch alle anderen Fahrzeuge halten dann an, die meisten Passanten bleiben schweigend stehen. Israel hält inne. Diese Form des Gedenkens parodierte Yael Bartana in Köln, indem sie alle Kölnerinnen und Kölner dazu aufrief, am 28. Juni 2013 um 11 Uhr ihren Alltag für zwei Minuten „symbolisch zu unterbrechen“. Woran Sie denken sollten, gab Yael Bartana auf der Homepage des Festivals bekannt:

 

„Drittes Reich und Holocaust sind nicht nur historische Ereignisse – sie haben weitreichende Wirkungen in unsere Gegenwart hinein: die Gründung des Staates Israel, die Besetzung der palästinensischen Gebiete, Flucht, Vertreibung in Europa und im Nahen Osten. Selbst die finanziellen Ungleichheiten in der EU sind vielfach noch immer Folgen des Zweiten Weltkriegs, so wie es Deutschlands Wohlstand ist.“

 

Der Journalist Alan Posener von der WELT brachte die Lächerlichkeit dieser Kunstaktion auf folgende passende Formel gebracht:

 

„Holocaustgedenken heißt also: Gegen Israel und für Eurobonds zu sein. So in etwa. Die Dummheit höret nimmer auf.“

 

Die taz schrieb:

 

„Vertriebene Schlesier, bedrohte Migranten: Die Aktion „Zwei Minuten Stillstand“ verwandelt Holocaust-Gedenken in ein europäisches Wohlfühlprojekt.“

 

Der Oberbürgermeister der Stadt Köln war jedoch begeistert und kommentierte die Kunstaktion mit folgenden Worten:

 

„Yael Bartana gibt uns mit ihrer Einladung zu „Zwei Minuten Stillstand” die großartige Gelegenheit, individuell zu entscheiden, eine gemeinschaftliche Erfahrung zu machen. Es ist ein wichtiges Projekt, das uns auffordert darüber nachzudenken, wie wir heute der Schrecken des Holocausts gedenken können, aber auch was unsere eigene Verantwortung für unsere Gegenwart und Zukunft ist. Ich unterstütze die Vision der Künstlerin, einen Moment des Innehaltens zu schaffen. Und ich lade alle Kölnerinnen und Kölner ein, sich an dieser Aktion zu beteiligen.” „Zwei Minuten Stillstand“ fordert uns dazu auf, die Gegenwart zu reflektieren. Anzuhalten, über die Geschichte nachzudenken und über unsere Zukunft. Darüber, was es heute bedeutet, deutsch zu sein, als Immigrant in Deutschland zu leben, welche Konsequenzen der Holocaust ebenso wie seine Instrumentalisierung heute haben.“

 

Jürgen Roters faselte von einer Instrumentalisierung des Holocausts, ohne dabei zu erläutern, was er genau damit meinte. Währenddessen instrumentalisierte Yael Bartana mit der Unterstützung der Stadt Köln und des Oberbürgermeisters den Holocaust, indem sie zu einer Performance vor dem Kölner Dom lud, bei der die Kölnerinnen und Kölner über der Holocaust nachdenken sollten, um dabei die „großartige Gelegenheit“ zu erleben, „eine gemeinschaftliche Erfahrung zu machen.“

 

Wer aus dem Holocaust eine gemeinschaftliche und großartige Erfahrung macht, instrumentalisiert den Holocaust.

So kam es, dass am 28. Juni 2013 kurz vor elf Uhr ein kleines Grüppchen schutzsuchend unter dem Dach des Römisch-Germanischen Museums vor dem Kölner Dom stand und darauf wartete, dass die Domuhr elf schlägt. Es waren nur wenige gekommen, da es regnete. „Was für ein tristes Wetter,“ schienen einige zu denken, „so macht Holocaustgedenken einfach keinen Spaß.“

 

Als der Dom 11 Uhr schlug, blies eine Gruppe Schülerinnen und Schüler in Trompeten und Hörner. Einige Menschen auf der Domplatte standen still und dachten. Es war eine Holocaustgedenkveranstaltung für alle! Ob nun vertriebene Schlesier oder bedrohte Migranten, ob nun Auschwitz oder der Tod eines Haustiers, die Aktion „Zwei Minuten Stillstand“ verwandelt den Holocaust-Gedenken in ein kölsches Wohlfühlprojekt, bei dem an alles gedacht werden durfte, was man so doof fand in der Welt. Einige demonstrierten gegen Rassismus, andere gegen Israel. Eigentlich fehlte nur noch, dass jemand rief: „Holocaust Alaaf!“

 

Um diese Trivialisierung nicht widerstandslos hinzunehmen, versammelten sich zur gleichen Zeit am selben Ort Menschen aus allen Ecken Deutschlands. Sie kamen aus Essen, Siegen, Hamburg und Köln. Sie hatten durch meinen Blog Tapfer im Nirgendwo von der Performance erfahren und kamen, um das Schweigen zu brechen! Sie sangen das hebräische Lied der Hoffnung (Hatikva) und tranken Wein. Einige trugen Israelfahnen.

 

Dies wiederum störte einige Schüler, die von ihren Lehrerinnen und Lehrern zu der Performance hergebracht worden waren. Diese Jungs wollten nicht unkommentiert auf einer Demonstration sein, wo die Israelfahne zu sehen war und riefen daher: „Viva Palastine!“ Israel war für sie ein Land ohne Existenzberechtigung.

 

Im Anschluss der Performance erklärte mir die Künstlerin, dass es keine Autorität geben dürfe, die darüber entscheidet, wie man an den Holocaust zu denken habe. „Sie haben Recht,“ erwiderte ich, „aber das klingt schon ein bißchen komisch aus dem Mund einer Künstlerin, die gerade eine Holocaustgedenkkunst performt hat, die von öffentlichen Geldern finanziert wurde und unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters stattfand. Noch mehr Autorität geht in einer Demokratie nicht!“

 

Später am Tag, um 18 Uhr, saß ich in einer Diskussionsrunde zu der Performance an der Universität zu Köln. Die Kuratorin der Impusle Theater Biennale 2013, Stefanie Wenner, sagte, sie habe die Performance an der Keupstraße erlebt. Dort seien auch Schülerinnen und Schüler anwesend gewesen, die das Stillstehen vorher in der Schule geübt hätten. Es sei sehr schwer gewesen, sie zum Stillstehen zu bewegen, aber es habe funktioniert. Dieses Stillstehen verleitete Stefanie Wenner dann tatsächlich zu der Aussage: „Es war ein Moment von Schönheit.“

 

Holocaustgedenken kann so schön sein, vor allem wenn deutsche Schüler, die Israel eher nicht mögen, wieder das Strammstehen lernen. Ein weiterer Diskussionsteilnehmer des Abends sagte:

 

„Das Kunstwerk passt besser nach Köln als nach Düsseldorf, weil es in Köln ein viel größeres Gemeinschaftsgefühl gibt.“

 

Jetzt kommt die Künstlerin, die in Köln den Holocaust so schön und zu einem Gemeinschaftsgefühl der Deutschen gemacht hat, nach Berlin. Der neue Intendant der Berliner Volksbühne, Chris Dercon und seine Programmdirektorin Marietta Piekenbrock haben Yael Bartana nach Berlin geholt.

 

Eine recht spannende Wahl, denn neben Yael Bartana wurde auch die britische Rapperin Kate Tempest verpflichtet, die am 6. Oktober 2017 mit „Let Them Eat Chaos“ mit Orchester und Chor auf dem Tempelhofer Feld in einer Produktion der Volksbühne zu sehen sein soll. Kate Tempest ist jedoch glühende Anhängerin der BDS-Bewegung, die dazu aufruft, Menschen zu meiden, zu schwächen und zu boykottieren, wenn sie Israelis sind. Sibylle Berg schreibt dazu:

 

„Beherzt kämpfen sie von der Insel aus gegen Produkte von Juden, gegen Künstler, die aus Israel kommen oder dort arbeiten wollen.“

 

Es verspricht spannend zu werden in der Berliner Volksbühne.

 

 

 

 

Tapfer im Nirgendwo - Foto: Logo der Volksbühne


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Sonntag, 20 August 2017