Deutsche Medien und Israel: Sack und Asche statt Eurovisions-Feier?

Deutsche Medien und Israel: Sack und Asche statt Eurovisions-Feier?


Der `Große Rückkehrmarsch´ der Palästinenser ist vorbei, die gegen Israel gerichteten medialen Reflexe aber gehen munter weiter, trotz offenkundigster Widersprüche. Eine kleine Presseschau anhand ausgewählter Tiefpunkte der vergangenen Tage.

Deutsche Medien und Israel: Sack und Asche statt Eurovisions-Feier?

Von Alex Feuerherdt

 

dialen Berichterstattung wiederkehrt, wann immer Israel mit militärischen Mitteln gegen Palästinenser vorgeht: Völlig unverhältnismäßig soll es sein, was die israelische Armee unternimmt, rücksichts- und wahllos, den Tod von Zivilisten in Kauf nehmend, die Gefahr einer Eskalation heraufbeschwörend, wenn nicht gar ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschheit. Auch anlässlich des „Großen Rückkehrmarsches“ der Palästinenser mit seinen sich über mehrere Wochen hinziehenden Ausschreitungen an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel war das so; als Beispiele für viele seien nur die Süddeutsche Zeitung und das ARD-Magazin Monitor genannt. Einher geht diese Dämonisierung des jüdischen Staates regelmäßig mit einer Banalisierung der palästinensischen Gewalt, die absichtlich als Ausdruck eines verzweifelten Protests missverstanden und verharmlost und nicht als das gesehen wird, was sie ist: ein kriegerischer, oftmals terroristischer Akt, der sich stets gegen die Existenz Israels als solche richtet.

 

Man muss deshalb daran erinnern, was dieser „Rückkehrmarsch“ war, bei dem unter anderem Soldaten und Sperranlagen angegriffen, Autoreifen angezündet, mit Sportdrachen umliegende Felder in Brand gesetzt und neben palästinensischen auch Hakenkreuzfahnen gezeigt wurden: keine legitime Demonstration

palästinensischer Bürger, kein Mittel, um auf soziale, wirtschaftliche oder politische Missstände hinzuweisen, die aus Sicht der Palästinenser von Israel zu verantworten sind. Sondern eine gezielte militärische Konfrontation mit dem jüdischen Staat und dessen Armee unter Federführung der Hamas und anderer Terrororganisationen. Dem Beharren auf dem angeblichen Recht von über fünf Millionen Palästinensern, auf israelisches Territorium „zurückzukehren“ (wo sie nie gelebt haben), liegt das Ziel zugrunde, Israel auch mit den Mitteln der Demografie zuleibe zu rücken und auf diese Weise sein Ende einzuläuten.

 

Die israelische Armee hat von Anfang an deutlich gemacht, dass es sich bei der großen Mehrheit der durch sie getöteten Palästinenser um Terroristen handelt, nur wurde dem in den meisten Medien kaum Aufmerksamkeit geschenkt – und erst recht kein Glauben. Doch nach dem letzten Aufmarsch war es die Hamas selbst, die 50 der 62 Toten als ihre Mitglieder identifizierte. Hinzu kam, dass sogar Ägypten die Geduld mit der Hamas verlor und den Hamas-Führer Ismail Haniyya einbestellte, um ihn unmissverständlich aufzufordern, die Konfrontation mit Israel sofort zu stoppen. Die Ägypter machten die Gotteskriegerpartei für die Toten verantwortlich und fürchteten ein unkontrollierbares Chaos im Gazastreifen. Die Hamas tat, wie ihr geheißen; prompt beteiligten sich nur noch wenige hundert Palästinenser am „Rückkehrmarsch“ statt wie vorher mehr als zehntausend, obwohl zunächst eine Fortsetzung in großem Stil geplant war.

 

Spiegel Online unzufrieden mit der fehlenden „Israelkritik“ der Hamas

 

Eine durchaus unerwartete Entwicklung, die manche Medien in Erklärungsnöte hätte stürzen müssen. Bei Spiegel Online war man dann auch merklich unzufrieden damit, dass die Hamas so freimütig eingeräumt hatte, das Gros der Getöteten zu stellen: Ihr Vertreter Salah Bardawil, so hieß es in einem Beitrag, habe nicht erläutert, „ob es sich bei den Toten um Mitglieder des bewaffneten oder des politischen Hamas-Flügels handelte“, und keine Angaben dazu gemacht, „was die Opfer gerade taten, als sie getötet wurden“. Mit anderen Worten: Er hatte es doch tatsächlich versäumt, die „Israelkritiker“ argumentativ zu munitionieren, und stattdessen ausnahmsweise unumwunden bestätigt, was die israelische Armee geäußert hatte. Natürlich ließ sich damit auch die Mär, die „Proteste“ hätten etwas mit der Eröffnung der von Tel Aviv nach Jerusalem verlegten amerikanischen Botschaft zu tun, nicht mehr halten.

 

Das Mittagsjournal von Ö1 ließ Bardawils Statement derweil einfach unter den Tisch fallen und sprach dafür in betroffenem Ton von einer „Grabesruhe“, die nun in Gaza herrsche. Die Sorge des Moderators, dass die „Sache der Palästinenser“ in der arabischen Welt nicht mehr so wichtig sei – schließlich habe das israelische Vorgehen für weniger Empörung gesorgt als früher –, versuchte der Korrespondent Karim El-Gawhary auszuräumen: In der öffentlichen Meinung sei der Zorn auf Israel selbstverständlich weiterhin groß, aber die arabischen Regierungen unterdrückten jeden Protest und hätten für die Palästinenser nur „Lippenbekenntnisse“ übrig. Deren Not sei groß und ein wesentlicher Antrieb für die „Demonstrationen“. Die Hamas instrumentalisiere diese Verzweiflung – und Israel wiederum die Hamas, um „das brutale Vorgehen seines Militärs“ zu rechtfertigen. So wurde der von den Islamisten organisierte und orchestrierte „Rückkehrmarsch“ gegen die Existenz des jüdischen Staates zu einer im Prinzip grundguten Angelegenheit umgebogen, zu einem berechtigten Protest, der lediglich vereinnahmt worden sei.

 

Die taz will Israelis in Sack und Asche sehen

 

In der taz verfolgte Susanne Knaul unterdessen einen anderen Ansatz, um mit Israel ins Gericht gehen zu können: „Kaum 70 Kilometer vom nördlichen Gazastreifen entfernt“ hätten „einige zigtausend Israelis“ in Tel Aviv „die diesjährige Eurovisionsgewinnerin Netta Barzilai“ gefeiert, „als gäbe es keine Demonstrationen, keine Scharfschützen, keine Toten im Gazastreifen“, schrieb sie. Auch Barzilai selbst habe „kein Wort über die Unruhen in den Palästinensergebieten“ verloren, sondern „stolz erklärt, wie sehr sie ihr Land und ihre Mitbürger liebe“. Als Kronzeugin ihrer Anklage rief sie „Ayda Touma Sleiman von der antizionistischen Vereinten Liste“ auf, die die Sängerin einer „unverzeihlichen Doppelmoral“ bezichtigt und glaubt, die „Politik der Verängstigung, der Hetze und des Hasses“ von Premierminister Benjamin Netanjahu führe zu einer „Abstumpfung“ in der Bevölkerung. Nur eine kleine Minderheit wende sich dagegen, so Knaul, und die einzige „kritische Stimme“ in der Medienlandschaft sei die Tageszeitung Haaretz, in der die feiernden Israelis als „Sache für einen Psychiater“ und als „Puppen, die blind auf die Katas­trophe zusteuern“, bezeichnet worden seien.

 

Ja, wie können es die Israelis bloß wagen, sich so über einen Erfolg in diesem Gesangswettstreit zu freuen, wie es in jedem anderen Teilnehmerland auch der Fall ist, wenn der Sieger oder die Siegerin für dieses Land antritt? Wie können sie es nur wagen, die Dinge nicht so zu sehen wie eine deutsche Nahostkorrespondentin, das einzige israelische Blatt, das ihr genehm ist, und ein Listenbündnis aus arabischen Parteien, das den Zionismus radikal ablehnt? Wie können sie es wagen, stattdessen zu feiern und zu tanzen – und im Übrigen mehrheitlich der Meinung zu sein, dass es sich bei den Aufmärschen im Gazastreifen um gewalttätige antisemitische Manifestationen handelt, gegen die der jüdische Staat entschlossen vorgehen sollte? Knaul gönnt ihnen nicht einmal den Triumph in einer Unterhaltungsshow, sie sollen keinen Spaß haben und sich nicht der Abwechslung widmen dürfen, sondern sich gefälligst schuldig bekennen und in Sack und Asche gehen. Eine unerträgliche Anmaßung.

 

Fragwürdiger Kronzeuge bei der Süddeutschen Zeitung

 

Die Süddeutsche Zeitung bat derweil einen früheren israelischen Scharfschützen zum Interview, der genau das sagte, was Redaktion und Abonnenten eines Blattes, das immer mal wieder auch antisemitischen Karikaturen abdruckt, lesen wollen: dass die israelische Armee ein verrohter Haufen ist, der Palästinenser quält und tötet, und dass das, was den Israelis von palästinensischer Seite entgegenschlägt, kein Hass auf Juden ist, sondern bloß ein Protest gegen die Besatzung. Es ist immer wieder bemerkenswert, welche Kronzeugen deutsche Medien auffahren, wenn es darum geht, Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren. In diesem Fall ist der Gesprächspartner ein führender Aktivist von Breaking the Silence, einer aus Europa üppig finanzierten NGO, deren Glaubwürdigkeit vor rund zwei Jahren erschüttert wurde, als sich herausstellte, dass viele Zeugenaussagen, auf die sie ihre Kritik an der israelischen Armee stützt, falsch oder nicht belegt sind. Für die Süddeutsche Zeitung ist das gleichwohl ganz offensichtlich kein Grund zur Skepsis.

 

Kaum vorstellbar jedenfalls, dass sie einen israelischen Soldaten zum Gespräch bitten würde wie jenen, der in der Times of Israel davon berichtet, welche professionellen Anstrengungen die Armee unternimmt, „um die israelischen Grenzen zu schützen und dabei Verletzungen und den Verlust von Leben auf der anderen Seite zu  minimieren“. Selbst wenn diese Darstellung etwas zu glatt sein mag, setzt sie doch einen deutlichen und wichtigen Kontrapunkt zu dem ewig gleichen Muster in der Medienberichterstattung, das in der Verteufelung des jüdischen Staates besteht. Genau deshalb würde man einen solchen Text in den weitaus meisten deutschsprachigen Medien niemals finden.

 

 

MENA Watch - Foto: Screenshot


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Dienstag, 22 Mai 2018