Interview zu Antisemitismus in Deutschland: `Ich bin eine Art Trüffelschwein´

Interview zu Antisemitismus in Deutschland:

`Ich bin eine Art Trüffelschwein´


Ein Interview mit Malca Goldstein-Wolf. Erstmals erschienen auf Englisch in The Berlin Spectator. Übersetzt von Gerd Buurmann.

`Ich bin eine Art Trüffelschwein´

Täglich kommt es in Deutschland zu antisemitischen Zwischenfällen. Die Tendenz steigt. Jüdische Restaurantbesitzer erhalten Morddrohungen, jüdische Schüler werden beschimpft, Kippa-Träger angegriffen. Woher kommt der alarmierende Anstieg antisemitischer Zwischenfälle?

Malca Goldstein-Wolf: Antisemitismus gab es in Deutschland immer schon, allerdings wurde der Judenhass nicht so öffentlich aggressiv ausgelebt. Dies hängt wohl damit zusammen, dass viele Muslime Antisemitismus bereits mit der Muttermilch aufgenommen haben und sie diesen Hass unverblümt ins Land kotzen. Ich spreche hierbei nicht nur von den Menschen, die wir kürzlich aufgenommen haben, auch Deutsch-Türken, von Erdogan angeheizt, sprechen vor allem im Netz eine deutliche, judenfeindliche Sprache. Wenn man diese Hetze liest, wundert einen der Übergang zu tätlichen Angriffen nicht mehr wirklich.

In Mode gekommen ist auch sogenannte „Israelkritik“ die in Wahrheit nur als kostümierter Antisemitismus bezeichnet werden kann. Die Boykott-Bewegung BDS hält nun in Deutschland Einzug, dämonisiert die einzige Demokratie in der Region, Israel, als Apartheidstaat und infiltriert die Bürger, in dem sie mit Schildern vor Geschäften stehen, keine israelischen Produkte zu kaufen. Schlimme Erinnerung an das „Kauft nicht bei Juden“ in der Nazizeit werden wach. Hier müsste die Politik stärker Einfluss nehmen.

In der Politik wird derweil an einigen Stellen grenzwertiges bis skandalöses Verhalten registriert. Fangen wir mit Lokalpolitik an. Das jüngste Beispiel: Die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, Jutta Steinruck, ein SPD-Mitglied, hat am Montag einen Anti-BDS-Antrag der Partei Liberal-Konservative Reformer von der Tagesordnung einer Stadtratssitzung gestrichen. Ist sowas immer gleich mit Antisemitismus zu erklären?

Malca Goldstein-Wolf: Wer sich, wie es die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinbruck oder der Bergisch Gladbacher Bürgermeister Lutz Urbach, scheinheilig hinter Bürokratie versteckt und Antisemitismus in seiner Stadt verleugnet, der interessiert sich bestenfalls nicht für jüdisches Leben in Deutschland, der schützt Juden nicht, obgleich ein Beschluss gegen den antisemitischen BDS ein leichtes wäre. Manchmal möchte man die Gesinnung solcher Politiker, die leidenschaftlich gerne tote Holocaust-Opfer betrauern, sich für Lebende aber nicht einsetzen, lieber nicht kennen.

Was die große Politik angeht, gibt es sehr widersprüchliche Aspekte. Kanzlerin Merkel sprich von Staatsräson, wenn es um die Unterstützung Israels geht. Außenminister Maas reiste sofort nach seiner Ernennung nach Yad Vashem. Andererseits scheint Berlin besser zu wissen, welche Iran-Politik Israel hilft, als Israel selbst. Woher kommt dies wohl?

Malca Goldstein-Wolf: Was hat Außenminister Maas, der selbstredend wegen Auschwitz in die Politik gegangen ist, denn aus der Geschichte gelernt? Staatstragend und werbewirksam auf Holocaust-Gedenkveranstaltungen zu schwadronieren, während man Juden gleichzeitig seinen Feinden ausliefert, ist beschämend. Mein Vertrauen als Jüdin in eine Regierung, die auch die absurdeste UN-Resolution gegen Israel durchwinkt, ist angeschlagen und so manchem Politiker würde ich am Shoa Gedenktag am liebsten Redeverbot erteilen.

Es gibt noch einen Punkt, der unter den wenigen Juden in Deutschland und anderen Bürgern heftig kritisiert wird. Es geht um das Abstimmungsverhalten der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen. Wie passt dieses mit der Staatsräson zusammen?

Malca Goldstein-Wolf: Der Begriff „Deutsche Staatsräson“ verkommt in Anbetracht dessen, dass unsere Regierung Israels Todfeind, das Mörderregime Iran, nicht nur mit dem Iranabkommen, sondern jetzt auch mit Instex, unterstützt und indirekt palästinensischen Terror und die Renten für Judenmörder finanziert, zu einer Farce.

Wie kommt es übrigens, dass Berlin weiterhin Millionen an die Palästinensische Autonomiebehörde überweist, obwohl diese offen zugibt, dass sie den Familien von „Märtyrern“, also Judenmördern Terrorgehälter zahlt. Ist dies erklärbar?

Malca Goldstein-Wolf: Dass die Hilfsgelder, die aus Deutschland fliessen, nicht bei den bedürftigen Menschen in den palästinensischen Gebieten ankommen, sollte inzwischen jedem denkenden Politiker klar sein. Im Gegenteil, mit diesen Geldern werden judenfeindliche Schulbücher subventioniert, korrupte Palästinenser-Führer und vor allem Terror. Es ist schlichtweg Irrsinn, dieses System nicht zu durchbrechen und es kann mit Logik auch nicht begründet werden, weshalb unsere Regierung den Juden und auch dem deutschen Steuerzahler gegenüber so verantwortungslos umgeht.

Noch immer haben wir nicht alle Punkte behandelt, die nicht nur unter Juden für Unmut sorgen. Es gibt deutsche Medien, die tendenziell einseitig berichten, wenn es um Israel geht. Der Terror wird oft ignoriert, während Israels Reaktion darauf mit relativ eindeutigen Schlagzeilen an den Pranger gestellt wird. Warum ist Israel das einzige Land, das sich offenbar nicht gegen Terror verteidigen darf?

Malca Goldstein-Wolf: Was die Medienberichterstattung betrifft, so ist das ein entscheidendes Thema im Kampf gegen Antisemitismus. Journalisten, die ihrer sozialen Verantwortung nicht gerecht werden, Fakten entweder weglassen oder verfälschen schüren Hass auf Israel und auch auf in Deutschland lebende Juden, die in gewissen Kreisen gerne für israelische Politik zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn in den Medien von fünfzig toten Palästinensern gesprochen und dabei nicht erwähnt wird, dass es sich grösstenteils um Mitglieder der Terrororganisation Hamas handelt, kann diese Berichterstattung als nicht nur einseitig, sondern auch israelfeindlich bezeichnet werden. Ob die Journalisten uninformiert sind und fahrlässig berichten oder schlichtweg ebenfalls Probleme mit Juden haben, ist sicherlich von Fall zu Fall unterschiedlich. Ich bin sehr dankbar, dass es hierzulande den Axel Springer Verlag gibt, für uns Juden, ein Licht in in der dunklen Medienlandschaft.

Aber gibt es nicht auch Lichtblicke und Anzeichen dafür, dass die Gefahr, die von Antisemitismus ausgeht, ernst genommen wird? Immerhin hat die Bundesregierung mit Felix Klein einen Koordinator gegen Antisemitismus ernannt. Hilft dies?

Malca Goldstein-Wolf: Inwieweit Dr. Felix Klein, den ich persönlich kenne und schätze, tatsächlich Einfluß nehmen kann, währenddessen unser Bundespräsident sich posthum vor des Judenmörders Arafat verneigt und damit ein unsägliches Zeichen setzt, weiss ich nicht. Was ich aber weiss ist, dass Herr Klein seine Aufgabe beherzt angeht und mit seinen begrenzten Möglichkeiten sein Bestes gibt, um in diesem Kampf gegen Windmühlen Erfolge zu erzielen.

Hinzu kommt, dass es in Deutschland Entscheider zu geben scheint, die sich überzeugen lassen. Tom Buhrow hat auf Ihr Betreiben hin eine Kooperation des WDR mit Roger Waters beendet. Ist dies ermutigend?

Malca Goldstein-Wolf: Als pro-jüdische Aktivistin bin ich eine Art Trüffelschwein, immerzu auf der Suche nach anständigen Menschen in Schlüsselpositionen, die nicht nur reden, sondern auch tun. Menschen, denen es nicht nur um Pöstchen-Sicherung geht, sondern um demokratische Werte. Die Geradlinigkeit, mit der Tom Buhrow gehandelt hat, war für mich beeindruckend. Der WDR Intendant hat nicht nur die richtigen Worte gefunden, er hat auch entsprechend gehandelt. Menschen wie Tom Buhrow sind meine Aufladestation.

Auch scheint der Frankfurter Oberbürgermeister zu verstehen, warum die BDS-Bewegung bekämpft werden muss. Ist er Teil einer Minderheit unter deutschen Lokalpolitikern?

Malca Goldstein-Wolf: In Frankfurt erlebe ich den Bürgermeister Uwe Becker als federführend im Kampf gegen Antisemitismus. Er stellt sich klar auf gegen den BDS, engagiert sich seit so vielen Jahren in dieser Sache, gibt nie auf. So jemand ist nicht nur Politiker, so jemanden bezeichnen wir Juden als „mentsh“, ein Vorbild für Anstand und Menschlichkeit.

Wie sehen Sie die generelle Situation in Deutschland? Die AfD breitet sich aus, Judenhass ist offenbar salonfähig geworden. Könne sich Juden auf den Staat und die demokratische Mehrheit verlassen?

Malca Goldstein-Wolf: Judenhass hat so viele Gesichter, es gibt ihn von links, von rechts, aus der Mitte. Dafür, wie es andere Parteien uns gerne verkaufen wollen, trägt keineswegs die AfD die Alleinschuld. Gerade in der SPD macht mir das Verhalten mancher Politiker aus der Führungsriege mindestens genauso viel Angst. Immerhin sieht Parteichefin Andrea Nahles sogar Gemeinsamkeiten zwischen der SPD und der Fatah. Da helfen keine Ablenkungsmanöver, wir müssen jede Form von Judenhass laut und deutlich benennen und angehen. Und wer kein Opfer sein möchte und sich (wie ich) nicht vorbehaltlos auf die Regierung verlassen möchte, der muss selbst aktiv werden. Es ist nicht unmöglich, Menschen wachzurütteln und Dinge zu bewegen, Angst sollte für Juden in Deutschland keine Option sein. Mein Vorbild sind die Menschen in Israel, ohne deren Mut gäbe es den jüdischen Staat nicht mehr.

 


Tapfer im Nirgendwo - Foto: Beim jährlichen "Qudsmarsch" tobt geradezu hemmungslos der islamische Antisemitismus durch die Berliner City.


Autor: Gerd Buurmann
Bild Quelle: H. Raak / haOlam.de


Donnerstag, 14 Februar 2019