Nebelwände im Kampf gegen den Antisemitismus

Nebelwände im Kampf gegen den Antisemitismus


`Nebelwände im Kampf gegen den Antisemitismus werfen´ hat in der derzeitigen Debatte über Judenhass in Europa wenig bis keine Aufmerksamkeit erhalten.

Nebelwände im Kampf gegen den Antisemitismus

Von Dr. Manfred Gerstenfeld

Nebelwerfer sind Leute, die zwar behaupten sie bekämpfen Antisemitismus, das aber bestenfalls nur teilweise tun. Dieses Verhalten entstammt einer Vielfalt von Motivationen. Die folgenden Beispiele illustrieren einige Aspekte des weit verbreiteten Vorkommens des Nebelwerfens.

Europas „Supernebelwerfer“ ist Jeremy Corbyn. Er bezeichnete Mitglieder der völkermörderischen Terrororganisationen Hisbollah und Hamas als seine „Freunde“ und „Brüder“.[1] [2] Er hat privat für einen Holocaust-Leugner gespendet und erschien auf demselben Podium mit einem weiteren Holocaust-Verzerrer.[3] [4] Corbyn ist ein extrem antiisraelischer Hetzer und nahm in der Vergangenheit an einem Treffen teil, bei dem Plakate erklärten, Israel sei ein Nazi-Staat.[5] Er hat zudem die Gründung einer effektiven Organisation zur Bekämpfung des Antisemitismus innerhalb der Labour Party behindert.

Trotzdem hat Corbyn bei vielen Gelegenheiten auch erklärt, wie abscheulich Antisemitismus sei. Er sagte: „Ich habe mich mein ganzes Leben gegen Rassismus eingesetzt und die jüdische Gemeinde ist seit mehr als hundert Jahren im Herzen der Labour Party und der progressiven Politik in Britannien gewesen.“[6] Corbyn hat auch darauf bestanden, dass er „auf keinen Fall ein Antisemit“ ist und bezeichnete Vorurteile gegen Juden als „ein Krebsgeschwür in unserer Gesellschaft“.[7] In weiteren Handlungen beim Nebelwerfen schickt er der jüdischen Gemeinde aus Anlass jüdischer Feiertage gute Wünsche.[8]

Man kann Nebelwerfer und gleichzeitig Reinwäscher und/oder Verharmloser von Antisemitismus sein. Corbyn sagte zum Beispiel: „Menschen in der Politik überschreiten manchmal Grenzen und bringen Dinge durcheinander und können in antisemitische Ausdrucksweisen und Sprachgebrauch verfallen.“[9]

Während Corbyn ein bekannter Teilzeit-Antisemit ist, gibt es andere wichtige Nebelwerfer sehr verschiedener Beschaffenheit. Ein solches Beispiel ist die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Sie ist pro-jüdisch und Pro-Israel. Merkel hat bei einer Vielzahl von Gelegenheiten erklärt, dass große Anstrengungen unternommen werden müssen um Antisemitismus zu bekämpfen. Sie merkte z.B. an, der jungen Generation müsse immer wieder gesagt werden, „was die Geschichte an Schrecklichem hervorgebracht hat, was von deutschem Boden ausgegangen ist“.[10]

Am 27. Januar 2019, dem internationalen Holocaust-Gedenktag, sagte Merkel in einem Video-Podcast: „Jeder Einzelne hat die Aufgabe, auch Verantwortung dafür zu tragen, dass wir null Toleranz gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit, Hass und Rassenwahn zeigen. Antisemitismus und menschenfeindliche Hetze ist auch heute noch Teil unserer Gesellschaft.“[11]

Doch trotz beträchtlichem rechtem und linkem Antisemitismus in Deutschland hat Merkel seit 2015 weit mehr als eine Million Flüchtlinge willkommen geheißen – viele davon aus der arabischen Welt.[12] Der Anteil der Antisemiten bei Letzteren ist viel größer als bei der indigenen Bevölkerung. Man könnte Merkel einen menschlichen Importeur von Antisemiten nennen.

Jenseits der Einzelnen gibt es auch Organisationen, die im Kampf gegen Antisemitismus Nebelwurf-Taktiken anwenden. Die britische Labour Party ist ein solcher Fall. An der Spitze der Partei gibt es neben Corbyn weitere, die behaupten Antisemitismus zu bekämpfen, aber in Wirklichkeit Antisemiten schützen.

Eine weitere Organisation, die eingehende Untersuchung wegen regelmäßigen Nebelwänden im Kampf gegen Antisemitismus verdient, ist die Europäische Union (EU). Ein Beispiel: 2002 bat das European Monitoring Center for Racism and Xenophobia (EUMC) das Zentrum für Antisemitismus-Forschung (ZfA) an der Technischen Universität Berlin Daten zu Antisemitismus zu analysieren, die man aus einer Reihe Mitgliedsstaaten erhalten hatte. Das ZfA schloss sein Dokument im Oktober 2003 ab. Es stellte junge Muslime arabischer Herkunft als Haupttäter physischer Angriffe auf Juden und beim Beschädigen von Synagogen heraus. Das EUMC unterdrückte die Studie.[13]

Ein jüngeres Beispiel: Im Dezember 2018 beschloss der Rat der Europäischen Union eine Erklärung zum Kampf gegen Antisemitismus. Von Israel wurde diese als „Durchbruch“ bejubelt. Die in Brüssel verabschiedete Erklärung forderte auch die Entwicklung eines gemeinsamen Sicherheitsansatzes, um jüdische Gemeinden und jüdische Institutionen in Europa besser zu schützen.[14]

Anfangs begrüßten EU-Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans und EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung (der Geschlechter) Vera Jourová diese Erklärung in einer gemeinsamen Presseerklärung: „In Zeiten zunehmenden antisemitischen Hasses sendet die einstimmige Übernahme der Erklärung zur Bekämpfung von Antisemitismus durch die 28 EU-Mitgliedstaaten ein wichtiges Signal an die jüdische Gemeinschaft; die EU und jeder ihrer Mitgliedstaaten stehen an ihrer Seite um ihre Sicherheit und Wohlergehen zu garantieren … Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert die Antisemitismus-Definition der Internationalen Holocaust-Gedenkallianz als Leitwerkzeug zu verwenden, das ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Antisemitismus wäre.“[15] Man kann sich jedoch nur fragen, warum die EU selbst diese IHRA-Definition nicht übernommen hat.

Es gibt viele Studien zu weit verbreitetem Antisemitismus in Europa, darunter EU-Studien darüber, wie Antisemitismus von Juden wahrgenommen wird.[16] [17] Man hätte erwarten sollen, dass nach der Erklärung vom Dezember 2018 in der EU eine maßgebliche Organisation eingerichtet würde, die sich Antisemitismus entgegenstellt. Stattdessen wurde einmal mehr Nebelwerfen eingesetzt, um Antisemitismus „anzugehen“. In der EU wird das Thema Antisemitismus von einer einzelnen Beauftragten mit minimalem Mitarbeiterstab behandelt. Sie strengt sich sicher an, aber ihre Effektivität wird von den bescheidenen Mitteln eingeschränkt, die ihr zur Bekämpfung dieser gigantischen Herausforderung zur Verfügung gestellt werden.

Die Nebelwurf-Technik im Kampf gegen Antisemitismus ist schädlich. Die Öffentlichkeit insgesamt kann in den Glauben gelullt werden, dass die Nebelwerfer effektiv gegen Antisemitismus zu handeln versuchen.

Nebel werfen ist ein allgemeines Phänomen in der Gesellschaft, die nicht auf den Kampf gegen den Antisemitismus beschränkt ist. Beispielsweise ist Nebelwerfen durch die Behauptung einer falschen Freundschaft zu Israel eine Erscheinungsform dieser Art Heuchelei, die untersucht werden sollte. Eine gute Person um damit anzufangen ist der US-demokratische Präsidentschaftskandidat Senator Bernie Sanders, der unlauter behauptet hundertprozentig für Israel zu sein.[18]

[1] https://foreignpolicy.com/2018/10/03/jeremy-corbyn-has-a-soft-spot-for-extremists-ira-hamas-hezbollah-britain-labour/

[2] www.express.co.uk/news/politics/590998/Jeremy-Corbyn-Hamas-Hezbollah-friends-comments-Channel-4

[3] http://www.dailymail.co.uk/news/article-3561337/As-Labour-anti-Semitism-row-deepens-revealed-Jeremy-Corbyn-s-pet-charity-funded-Palestinian-festival-hate-children-dressed-terrorists-acted-murdering-Jews.html

[4] www.telegraph.co.uk/news/2017/05/20/jeremy-corbyns-10-year-association-group-denies-holocaust/

[5] www.thesun.co.uk/news/9629324/jeremy-corbyn-anti-semitism-row-protest/

[6] http://jeremycorbyn.org.uk/articles/jeremy-corbyn-my-statement-on-our-action-plan-on-tackling-anti-semitism-and-other-forms-of-racism/

[7] http://www.independent.co.uk/news/uk/politics/jeremy-corbyn-antisemitism-labour-jewish-leaders-a8278741.html

[8] http://www.haaretz.com/world-news/europe/corbyn-sends-hanukkah-greeting-with-message-of-compassion-for-refugees-1.6704086

[9] www.algemeiner.com/2019/07/29/corbyn-jew-hatred-in-labour-party-is-merely-result-of-people-who-dip-into-antisemitic-language/

[10] http://www.tagesschau.de/inland/merkel-cnn-101.html

[11] http://www.zeit.de/gesellschaft/2019-01/nationalsozialismus-opfer-antisemitismus-kanzlerin-angela-merkel

[12] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76095/umfrage/asylantraege-insgesamt-in-deutschland-seit-1995/

[13] http://www.israelnationalnews.com/Articles/Article.aspx/15697

[14] http://www.timesofisrael.com/israel-cheers-as-eu-council-declares-fight-on-anti-semitism/

[15] https://europa.eu/rapid/press-release_STATEMENT-18-6686_en.htm

[16] https://fra.europa.eu/en/publication/2018/2nd-survey-discrimination-hate-crime-against-jews

[17] https://fra.europa.eu/en/publication/2019/discrimination-and-hate-crime-against-young-jews

[18] https:// jns.org/opinion/can-you-be-100-percent-pro-israel-and-call-its-government-racist/

 

Heplev - Dr. Manfred Gerstenfeld ist ehemaliger Direktor des Jerusalem Centers for Public Affairs (JCPA), er ist Autor bei der Tageszeitung The Jerusalem Post und beim Nachrichtensender Arutz Sheva


Autor: Dr. Manfred Gerstenf
Bild Quelle:


Dienstag, 27 August 2019