Totalstopp für die Gastronomie ist nicht zu rechtfertigen

Totalstopp für die Gastronomie ist nicht zu rechtfertigen


Pleitewelle bei Restaurants, Cafés und Bars

Totalstopp für die Gastronomie ist nicht zu rechtfertigen

Von Prof . Dr. Eberhard Harmer

Das Mittelstandsinstitut Niedersachsen hatte sich zuerst mit dem Facheinzelhandel beschäftigt und der Frage, warum dieser aus Corona-Gründen zwangsgeschlossen worden ist. Dabei konnte ein höheres Infektionspotenzial als bei dem Nahverkehr oder dem Lebensmitteleinzelhandel oder den Produktionsbetrieben der Industrie nicht festgestellt werden. Vielmehr haben die Einzelhändler schon vor einem Jahr massive Investitionen getroffen, um Gesundheit und Immunität ihrer Kunden im Laden zu gewährleisten. Das Ergebnis war: Die 339.000 Einzelhandelsbetriebe hätten nicht generell geschlossen werden dürfen, sondern nur dort, wo die Selbstverantwortung der Betriebe nicht für Gefahrlosigkeit gesorgt hat. Die Regierung hat mit anderen Worten durch ihre Totalmaßnahme ihre Kompetenzen überschritten und dadurch Existenzen gefährdet und vernichtet.

Das führte zu der Folgefrage, ob die an sich berechtigten Maßnahmen zum Pandemieschutz auch den Totalstopp unserer ca. 180.000 Gastronomiebetriebe rechtfertigen, die immerhin in den vergangenen Jahren einen Umsatz von ca. 60 Milliarden Euro versteuerten.

Die Infektionsgefahr in offenen Gastronomiebetrieben ist sehr unterschiedlich je nach Betriebsart der Gastronomie, also ob es sich um Speiserestaurants, Cafés, Bars, Diskotheken oder Cateringdienste handelt, die jeweils unterschiedliche Gäste bedienen und unterschiedliche Gefährdungslage haben.

Geht man davon aus, dass ein Abstandsgebot für alle Gastronomiebetrieb gilt und dass die Betriebe schon vor einem Jahr daraufhin ihre Geschäftsmodelle umgestellt haben – nur noch zwei Personen am Tisch sich gegenübersitzend, die Bedienung mit Mundschutz und möglichem Abstand –, dann differenziert sich die Gefährdungslage der unterschiedlichen Betriebsarten:

Die 4.400 Bars und Diskotheken stellen nach Ansicht des Mittelstandsinstituts die höchste Gefährdungslage dar. Sie generell zu schließen dürfte deshalb Corona-gerechtfertigt sein.

Nicht gerechtfertigt dürfte der Stopp der 13.800 Cateringdienste sein, weil diese nur bei der Auslieferung Kundenkontakt haben und dabei leicht alle Vorsichtsmaßnahmen erfüllen können. Ihr Geschäftsstopp dürfte deshalb als Pandemieschutz nicht gerechtfertigt sein.

Bei den 11.600 Cafés haben die Betriebe selbst für Sitzabstand und Gästebegrenzung gesorgt. Das mag in vielen Fällen Ansteckungsgefahren ausschließen. Andererseits könnten zu kleine Cafés oder zu hohe Gästezahlen unerwünschte Kontakte und Gefährdungen bringen. Es lässt sich deshalb für diese Betriebsart wohl nur im Einzelnen bestimmen, was pandemiegerecht betrieben wird und was nicht.

Dies würde jedoch bedeuten, dass der Staat mit seinem Totalstopp überzogen hat, dass er hätte differenzieren müssen (was mit Hilfe der Ordnungsämter und Verbände (DEHOGA) leicht möglich gewesen wäre). Mit dem Totalstopp war also die Politik übergriffig, ist der Stopp bei ansteckungsgeschützten Betrieben rechtswidrig.

Die größte Gruppe unter den Gastronomiebetrieben sind die Restaurants (71.000). Hier gibt es aber so vielfältige Betriebsarten – Systemgastronomie, Getränkelokale, Speiserestaurants u.a. –, die ganz unterschiedliche Gefährdungslagen haben, die sich ganz unterschiedlich mit Investitionen auf den Infektionsschutz ihrer Gäste vorbereitet haben und die auch unterschiedlich in ihrem Betrieb wirksamen Infektionsschutz durchführen können. Dabei hatte die Arbeitsgruppe des Mittelstandsinstituts sowohl Betriebe als Beispiel, die fast gefahrenfrei betrieben werden können als auch solche, die weiterhin hohe Infektionsgefahr haben, so dass eine generelle Beurteilung nicht möglich schien – was aber dann auch eine generelle Behandlung der Restaurants durch Zwangsschließung verbieten würde. Staat und Verbände hätten also im Einzelnen beurteilen müssen, wo noch Infektionsgefahr besteht und wo nicht mehr. Danach hätte die Verwaltung entscheiden müssen. Der generelle Stopp war für Teile der Gastronomie übergriffig, ungerechtfertigt.

Wenn nach vorliegenden Überlegungen die Infektionsgefahr in den unterschiedlichen Betriebstypen der Gastronomie und sogar – je nach Vorkehrungen – in den unterschiedlichen Betrieben verschieden ist – von ungefährlich bis gefährlich –, hätte die Verwaltung differenziert über die Schließung von Lokalen entscheiden müssen, statt einen Totalstopp zu verhängen.

Dieser Totalstopp war das Ergebnis ausschließlich virologischer Beratung der Regierung, bürokratischer Engstirnigkeit und des Fehlens jeglichen ökonomischen Sachverstandes. Offenbar hat niemand bei der Pandemie-Panik an die wirtschaftlichen Folgen nicht nur für die Einzelbetriebe, sondern auch für die Volkswirtschaft und die Beschäftigung im Lande gedacht. Die Gastronomie war immer schon eine Branche mit überdurchschnittlicher Fluktuation. In der Vergangenheit wechselten jährlich mehr als 25 % der Betriebe ihren Besitzer, mehr als 80 % der Gastronomiebetriebe sind Familienbetriebe, mehrheitlich nur mit wenigen Hilfskräften, welche eine Kapitalrücklage oder Ersparnisse wegen der hohen Personalkosten nur dann aufbauen konnten, wenn die Familienmitglieder kostenlos oder geringfügig mitarbeiteten. Die Branche ist also kapitalschwach, zumeist ohne Reserven. Ein Totalstopp wird deshalb in der Gastronomie mehr Schaden anrichten als in Branchen mit höheren Kapitalreserven. Also hätte die Regierung mit einem Totalstopp gerade in dieser Branche besonders vorsichtig sein müssen, um nachhaltigen Schaden zu vermeiden.

Zu bedenken war andererseits auch, weshalb die Verwaltung trotz der vielen Kontrollen der Gastronomiebetriebe (Finanzkontrollen, Gewerbekontrollen, Arbeitskräftekontrollen, Betriebskontrollen, Lebensmittekontrollen, Baukontrollen, Arbeitszeitkontrollen, …) nicht in der Lage sein sollte, zu beurteilen, ob dieser Betrieb Gefährdungscharakter trägt oder nicht. Dies mag kurzfristig nicht möglich gewesen sein, wäre aber innerhalb eines Monats möglich und nötig gewesen, wenn die vielen Verwaltungsstellen sich einen Monat lang nur auf die Gefährdungsbeurteilung konzentriert hätten, statt nebensächliche Einzelheiten zu kontrollieren.

Aber es ist leichter für Bürokraten, mit dem großen Hammer zuzuschlagen, als individuell zu beurteilen – zumal es ja die Verwaltung nichts kostet, sondern nur die Existenz der privaten Unternehmen.

Ein Gastronom, der zumachen musste und nicht wieder aufmachen will, sieht einen Wandel unseres Gastronomiegewerbes voraus. Die treuen deutschen Steuerzahler und Unternehmer ziehen sich zurück, werden von der Ausländergastronomie verdrängt, die das deutsche Steuersystem besser ertragen bzw. vermeiden kann und mit geringeren Arbeitskosten (Familienmitglieder) auch entscheidende Kostenvorteile hat. Der Lockdown der Gastronomie wird also wohl auch eine nachhaltige Veränderung der Betriebsstruktur in der Gastronomie nach sich ziehen.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot YT


Donnerstag, 18 März 2021