Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts: B. U.

Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts: B. U.


Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der ZEIT bei "Hart aber fair" am 29. November:

Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts: B. U.

Von Henryk M. Broder

Man muss jedenfalls mal anerkennen, dass zwei Drittel bis drei Viertel der Deutschen sich in den letzten zwei Jahren fast überwiegend vernünftig verhalten haben - und solidarisch. Die wurden nur nicht vor der unvernünftigen Minderheit geschützt. Und ich fürchte, so wie hier  gesprochen worden ist, dass das auch in der Zukunft nicht der Fall sein wird... Man muss lernen zu unterscheiden zwischen einer Freiheit, wo man nur für sich selber entscheidet, da kann man Drogen nehmen, da kann man leben, wie man will, es ist alles in Ordnung, man kann rauchen, aber die Freiheit muss da beschneidbar sein, wo sie die Freiheit der Anderen einschränkt. Freiheit heute heißt, den Anderen nicht die Folgen der eigenen Lebensweise aufzuzwingen. Das gilt ökologisch, das gilt aber vor allem jetzt in dieser Pandemie. Und deswegen muss man unterscheiden zwischen zwei Sorten von Freiheit und nicht zwischen Freiheit auf der einen und den Zwängen auf der anderen Seite...

Die Mehrheit (in der Ära Merkel) wurde nicht mehr vor der Minderheit geschützt. Das ist jetzt das Erbe davon. Und ich habe die Befürchtung, dass die neue Regierung das auch wieder so macht... Die wichtigste Regel in der Demokratie ist die Mehrheitsregel, und die Mehrheit muss das, was sie sich selber vornimmt, wo sie die Leute für gewählt haben, dann auch durchsetzen, damit das Projekt überhaupt gelingt... 

Das war mir neu. Ich habe nicht gewusst, dass die wichtigste Regel in der Demokratie „Mehrheitsregel" heißt und darin besteht, dass die vernünftige Mehrheit vor der unvernünftigen Minderheit geschützt werden muss. Ich dachte, es sei genau umgekehrt. Demokratie ist der Schutz von Minderheiten vor Mehrheiten, die überall und allzeit dazu neigen, ihre Macht zu missbrauchen. Weswegen alle paar Jahre Wahlen stattfinden, damit die Minderheit die Gelegenheit bekommt, die Mehrheit aus dem Amt zu treiben. Ich muss mich vertan haben. Oder Ulrich hat eine renommierte Baumschule besucht, während ich im Negev die Sandkörner zählte.

Aufschlussreich ist auch, dass Ulrich zwei Sorten von Freiheit nennt, aber mitnichten die Freiheit von etwas (Armut, Hunger, Willkür) oder die Freiheit zu etwas (Bildung, Mobilität, Wohlstand) meint. Zwischendurch deutet er mit einem Wort an, wie es nach der Pandemie, sollte sie eines Tages vorbei sein, weitergehen wird: ökologisch. Das heißt, er und die Seinen werden mit der vernünftigen Mehrheit marschieren, die ihr Leben dem Klimaschutz unterordnet, und diese öko-masochistische Mehrheit gegen eine unvernünftige Minderheit verteidigen, die vom Leben mehr erwartet als eine Schale Haferflocken mit laktosefreier Milch zum Frühstück.


Autor: Henryk M. Broder:
Bild Quelle: Photo by Stephan Röhl for Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons


Mittwoch, 01 Dezember 2021

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