Karola Wille, MDR-Intendantin („Eine von uns“)

Karola Wille, MDR-Intendantin („Eine von uns“)


Ohnmacht gegen Macht: Wie ein DREIGESTIRN zu Fall kam

Karola Wille, MDR-Intendantin („Eine von uns“)

Von Catérine Salomon-Kayser (Magdeburg-Stadtfeld)

Ohnmacht gegen Macht: Wie ein DREIGESTIRN zu Fall kam

Eine nachdenkliche Betrachtung über die Machtlosen, die dennoch Mächtige zu Fall brachten - In Sachen Papst Benedikt, Hans Filbinger – und MDR-Intendantin Karola Wille, ein dunkles Dreigestirn – Rückblick und Ausblick auf drei Personen der Zeitgeschichte

Mit der Moral ist das eine eigene Sache: Wir reden viel von ihr, berufen uns auf sie – zumal in diesen chaotischen Zeiten von Pandemie und Protest, von Verboten und Verweigerern, von Regeln und massenhaften Regelverstößen.

Moral als das Gesetz in uns, das uns sagt,

was richtig.,

was menschlich,

was angemessen,

was zutreffend

ist.

Moral hat dabei viel mit MACHT zu tun, der die OHNMACHT der vielen gegenüber steht, die dieser – häufig un-moralischen - Macht in den Arm fallen wollen: Weil sie die Moral, das Anständige, das Gute auf ihrer Seite wissen. Dabei wagen diese Menschen häufig ihr Leben, verzehren ihre ganze Energie, bringen ihren berechtigten Zorn – und ihr starkes Engagement für diesen Kampf auf.

Sie wenden sich gegen üblicherweise Übermächtige .Diese „Kleinen“ und doch so Großen gibt es viele, oft sind sie sogar unsere Zeitgenossen:

Ich erinnere an Ghandi, den indischen Freiheitshelden, an Nelson Mandela und seinen Kampf gegen die Apartheid.

An Martin Luther King, an den Dalai Lama in seinem Kampf für ein unabhängiges Tibet, an einen Mann wie den Künstler Ali, der Chinas Machthaber Xi Peng herausfordert.

An Alexej Nawalnyi, der Putins Zwangs-System von innen her ins Wanken bringt. Im deutschen Bereich gibt es nicht viele, die mit ihrer Ohnmacht die Mächtigen störten: Mir fällt, trotz meiner französischen Wurzeln, die kleine Schar der Freiheitskämpfer gegen Napoleon und während der NS-Diktatur das Geschwisterpaar Hans und Sophie Scholl ein, auch Stauffenberg – aus ganz unterschiedlichen Motiven.

Schon Albert Einstein wußte: „In Fragen der Moral hilft Schulbildung nicht viel.“ Die anscheinend Ohnmächtigen, die sich gegen die Mächtigen wenden – das ruft nach einer Erzählung.

Ich wähle dafür den Begriff DREIGESTIRN, an dem sich das Thema auffächern läßt – ein auch religiös aufgeladener Begriff (aber bekanntlich auch, ganz handfest, beim Kölner Karneval benutzt).

Das hier skizzierte Dreigestirn ist – auf sehr verschiedene Weise – durch vorgeblich „kleine“, aufmerksame Menschen zu Fall gebracht worden, durch Gruppen, die – wie die Sexual-Opfer der katholischen Kirche – nicht nachgaben. Und – last, but noch least – durch eine einzelne Journalistin, deren Kampf gegen Antisemitismus und Willkür mit der noch amtierenden

Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Karola Wille, unbestreitbar verbunden ist.

Bärbel Jacob – Opfer von Karola Wille

Ich schreibe von Bärbel Jacob – hier aus Magdeburg, in der Jüdischen Gemeinde ihrer Heimatstadt noch immer wohlbekannt. Eine überzeugte Sozialdemokratin in der unruhigen Wiedervereinigungs-Zeit, zugleich für den MDR in ihrer Eigenschaft als Fachfrau für Judaistik unterwegs. Und schließlich in einem Arbeitsgerichts-Prozeß um ihren Lebenserwerb, ihr ganzes So-Sein gebracht, durch die damalige „Generalbevollmächtigte“ des MDR, die heutige Senderchefin und ehemalige Ex-DDR-Juristin, Karola Wille.

Was trifft auf diese drei Personen gleichermaßen zu? Sie sind von „außen“, nicht durch Parteitage oder Wahlen oder andere, gleichsam normale Ereignisse zu Fall oder zumindest (Wille) ins Wanken gebracht worden:

Sondern durch Einzelne, aus denen manchmal Viele wurden: Hans-Filbinger, der blutbefleckte NS-Marine-Richter mit vier Todesurteilen, den der Dramatiker Rolf Hochhuth mit seinem Wort vom „furchtbaren Juristen“ zwang, das Amt als Regierungschef in Baden-Württemberg, gegen seinen erklärten Willen, am Ende doch aufzugeben.

Der Ex-Papst und die Kinderschänder

Papst Benedikt, Ex-Kardinal des Erzbistums München-Freising, kämpft heute vergebens um seinen Ruf, den sein verdrängender Umgang mit kriminellen Kinderschändern aus der Kurie ruiniert hat – die Folge anhaltender, nicht nachlassender Aufklärungs-Mühen der Opfer dieser „Menschenfänger“ unter dem Schirm der Kirche. Diese Einzelnen, häufig selbst über Jahre mißbraucht und später allein mit ihren lebenslangen Nöten gelassen, die sich dennoch nicht entmutigen ließen, gar auf die Straße gingen, immer wieder ihre Stimme gegen die kaum wahrnehmbare Aufklärungs-Politik der deutschen Bischöfe und des fernen Vatikans erhoben.

Diese Nichts-Wissen-Nichts-Hören-Nichts-Sehen-Politik der Kirche scheiterte weder am (nicht vorhandenen) Einfluß der Politik, sondern an der Empörung der Wenigen, die sich den Mächtigen in den Weg stellten.

Mir begegnete bei meinen Recherchen der Satz des Schweizer Aphoristikers Paul Schibler (1930-2015): „Wir beklagen menschliche Ohnmacht und menschliche Schwäche und verpassen damit, das Naheliegende zu tun.“

Was durchaus nicht nahe lag, aber dennoch über Nacht zu einer völlig neuen Betrachtung der Mit-Schuld der Deutschen am NS-Regime führte, war eine Entdeckung des seinerzeit sehr einflußreichen Theaterautors Rolf Hochhuth (sein„Stellvertreter“ entlarvte die NS-Sympathien des Vatikans). Er fand Hinweise auf Filbingers Tätigkeit als Marine-Richter 1943 und erneut 1945 und nannte ihn nach dem Auffinden von vier Todesurteilen (teilweise noch nach der Kapitulation vollstreckt) einen „furchtbaren Juristen“.

CDU-Deckung für den „furchtbaren Juristen“

Filbinger bestritt drei davon und gab an, sie „vergessen“ zu haben, hielt aber daran fest, daß sie „rechtmäßig“ gefällt worden seien – nach der damaligen NS-geprägten Aktenlage, Alternativen habe es nicht gegeben. Die immer schärfer werdende öffentliche Debatte zog sich über Monate hin, die ihn zunächst mit Klauen und Zähnen verteidigende CDU rückte von ihm ab – schließlich gab Filbinger im August 1978 sein Amt auf.

Zeitlebens darauf bedacht, sich noch immer rein zu waschen – ein unglaublicher Vorgang in der deutschen Nachkriegs-Geschichte.

Es lohnt, dabei ins Detail zu gehen – weil sich auch hier die (anscheinende) Ohnmacht des Einzelnen (Hochhuth und engagierte Medien) zeigte, die am Ende den angeblich Über-Mächtigen aus dem Amt warf.

Bereits 1972 hatte der SPIEGEL ein Opfer von Filbinger mit dem Vorwurf zitiert, ihn am 1.Juni 1945 (der Ex-Matrose war bereits in britischer Gefangenschaft), also weit nach der Kapitulation der NS-Diktatur, wegen „Gesinnungsverfall“ und Vergehen gegen die „Manneszucht“ zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt zu haben. Der Matrose hatte sich im Lager die Hakenkreuze seiner Kleidung vom Leib gerissen und gerufen: „Ihr habt jetzt ausgeschissen, ihr Nazi-Hunde. Ihr seid schuld an diesem Krieg.“ Die Briten hatten – kaum vorstellbar – selbst in den Gefangenenlagern noch die deutsche Militärgerichtsbarkeit zugelassen!

Der Ex-Matrose schilderte im SPIEGEL, daß Filbinger vor Prozeß-Beginn „unseren geliebten Führer“ gerühmt habe, „der das Vaterland wieder hochgebracht hat“. Filbinger wollte sich an nichts mehr erinnern, verklagte sowohl Hochhuth, das Magazin wie den zitierten Ex-Gefangenen., später auch DIE ZEIT – Medien, die bei ihren Recherchen nicht aufgaben, sondern Filbinger der dreisten Lüge überführten. Denn – wie sich bei weiteren Funden von Gerichtsakten im Bundesarchiv erwies – klebte tatsächlich Blut an den Händen des so wohlgeschätzten Premiers von Baden-Württemberg.

Protest-Rufe im Reichstag

Filbinger stieß mit seiner Haltung auf zunächst zurückhaltende, dann heftigere Proteste: Als er als Bundesrats-Präsident am 19.Juli 1974 im Reichstag eine Rede zum Gedenken an den 20.Juli 1944 hielt, ertönten aus den Zuhörer-Reihen mit Angehörigen hingerichteter Widerstandskämpfer energische Proteste: „Nazi! Heuchler! NS-Richter“ – Filbinger redete scheinbar unbeeindruckt weiter. Die „Störer“ wurden des Saales verwiesen – unglaublich, aber „nur“ knapp 50 Jahre zurückliegend…

Wie sich am Ende – nach jahrzehntelangem Kampf - die „Kleinen“ gegen politische Mächte, Einstellungen und Widerstände

durchsetzen mußten, illustriert der Fall des damals 22jährigen Matrosen Walter Gröger. Er plante als Besatzungssoldat in Norwegen offenbar seine Flucht nach Schweden, sein Vorhaben wurde von der norwegischen (!) Polizei entdeckt, der Mann den Henkern der deutschen Militärjustiz im besetzten Königreich ausgeliefert. Filbinger ordnete die Vollstreckung des von einem seiner Kollegen gefällten Todesurteils an. Wie WIKIPEDIA, die große Daten-Bank, schreibt, geschah dann Folgendes; „Am 16.März 1945 um 14 Uhr 05 verkündete er dem Verurteilten die Anordnung des Gerichtsherrn und ließ Gröger den Empfang bestätigen. Um 16 Uhr 02 ließ er ihn erschießen. Dabei war er anwesend und gab wohl als leitender Offizier den Feuerbefehl.“

Die grausige, gegenüber NS-Themen mehr oder weniger gleichgültige Stimmung der bundesdeutschen Gesellschaft in den Siebzigern erhellt,was mit Grögers Mutter geschah: Erst 1954 erfuhr die Familie von dem Geschehen, blieb neun Jahre lang ohne jeden Nachricht über den staatliche sanktionierten Mord am Sohn. Nach zwei Ablehnungs-Bescheiden – man stelle es sich vor! – bewilligte der niedersächsische CDU-Sozialminister Hermann Schnipkoweit – offenkundig höchst widerstrebend – im September 1979 eine Versorgungsrente als NS-Opfer-Angehörige mit der reservierten Begründung, das Todesurteil sei als „den Umständen nach ein offensichtliches Unrecht“ gewesen.

34 Jahre nach dem Geschehen!

Was damalige prominente CDU-Politiker zu den unfaßbaren Vorgängen sagten, erschüttert noch heute: Kanzler Helmut Kohl und CDU-Generalsekretär Heiner Geißler gaben mehrfach „Ehren-Erklärungen“ für Filbinger ab. Noch Anfang Juli 1978, also einen Monat vor seinem Rücktritt, stellte sich die Bundes-CDU „einmütig“

(so Wikipedia) hinter den vermeintlich Gedächtnislosen. Kohl sprach von einer „erneuten Entnazifierungs-Debatte“. Franz Josef Strauß spitzte die Causa in einer Bundestagsdebatte über die Verjährungsfrist von NS-Verbrechen zu: „Das Materia-Sammeln,Schnüffeln, Drecksuchen, Anschießen, Hetzen, Rufmorden, Abschießen war eine beliebte Methode der Nazis, deren gelehrige Schüler die Roten heute sind.“

Die Landes-CDU ernannte Filbinger 1979 zu ihrem Ehren-Vorsitzenden, bis 1981 blieb er im CDU-Bundesvorstand. Erst nach seinem Tode setzte seine Tochter der Debatte ein (vorläufiges) Ende: Sie fand Aufzeichnungen ihres Vaters, die sie zu der Äußerung veranlaßten, Filbinger sei „kein Feind des Nationalsozialismus“ gewesen – was er selbst immer wieder behauptete.

Fazit: Ein Einzelner – Rolf Hochhuth – gegen die versammelte CDU-Kamarilla zur Verteidigung Filbingers: Die Mutter eines Opfers kämpfte Jahrzehnte um eine kleine Versorgungs-Rente.

Aber die Macht des Mächtigen war gebrochen…

Der Ex-Papst, der sich nicht erinnern kann – und lügt

Ein weiteres Beispiel, wie Einzelne der Macht von Institutionen am Ende – zumindest auf moralischer Ebene – die Stirn bieten und nicht aufgeben, illustriert der für die katholische Kirche katastrophale Fall des früheren Papstes Benedikt XVI., dem vormaligen Kardinal im Erzbistum München-Freising, Joseph Ratzinger.

Um hier eine wahrlich nicht kirchenfeindliche Quelle zu zitieren, sei DIE WELT vom 8.Februar 2022 widergegeben:

„Ratzinger steht seit Wochen heftig in der Kritik, weil ihm ein Gutachten zu Mißbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising (in den Siebzigern, d.Autorin) Fehlverhalten in vier Fällen vorwirft. Die Gutachter der mit der Untersuchung beauftragten Anwaltskanzlei gehen davon aus, daß Ratzinger in seiner Zeit als Münchener Erzbischof Priester, die Kinder mißbraucht hatten, wieder in der Seelsorge einsetzte.“

Ratzinger widersprach heftig, bat die Opfer sexuellen Mißbrauchs in der Kirche um Verzeihung. Die sehr konkreten Vorwürfe gegen ihn, er treibe „Vertuschung“, wies er jedoch entschieden zurück. In einer Stellungnahme, vom Vatikan veröffentlicht,schrieb er: „Ich habe in der katholischen Kirche große Verantwortung getragen. Umso größer ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meiner Amtszeit und in den betreffenden Orten geschehen sind.“

Die Zahlen sprechen indes eine ungeheure Sprache: Nach dem Gutachten der Kanzlei, am 20.Januar 2022 der Öffentlichkeit präsentiert, sind zwischen 1945 und 2019 im Bistum „mindestens“ 497 Kinder und Jugendliche „von Priestern, Diakonen oder anderen Mitarbeitern der Kirche“ sexuell mißbraucht worden. Es habe „mindestens“ 235 mutmaßliche Täter gegeben – darunter 173 Priester und neun Diakone. Es sei von einer viel größeren Dunkelziffer auszugehen.

Und wieder kommt der Spruch wider den Mächtigen von einst von vergleichsweise „Kleinen“, die nicht in der kirchlichen Hierarchie verankert sind: Kirchenrechtler Thomas Schüller (Universität Münster, Institut für Kanonisches Recht) kritisierte, daß Ratzinger

eben nicht – wie nach diesem vernichtenden Gutachten zu erwarten gewesen wäre – „Verantwortung für die schlimmen Fehler übernimmt, die beim Umgang mit sexuellem Mißbrauch in der Kirche in seiner Zeit als Erzbischof gemacht wurden“

Seit Jahrzehnten bemüht sich zudem eine Art „Kirche von unten“ – also wiederum die „Kleinen“ gegen die Macht der „Großen“ – den Vatikan wenigstens zu Schuld-Eingeständnissen und umfassenden Schadensersatz-Leistungen zu bringen. Stattdessen erleben die Gläubigen – bei rasant steigenden Kirchen-Austritten in diesem Frühjahr – eine Entscheidung der Deutschen Bischofskonferenz, die die engagierten Laien (sogenannter „Synodaler Weg“) verzweifeln läßt: So gaben die Bischöfe – ganz aktuell – der „Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE)“ ihren Segen und erkannten diesen erzkonservativen Zusammenschluß als „privaten Verein kanonischen Rechts“ an.

In einem Beitrag für die katholische Zeitschrift „Christ und Welt“ schreibt Johannes Norpoth über die Empörung der Basis (gegen die Mächtigen der kanonischen Welt) über diese Entscheidung, mitten in der ohnehin hochbelastenden Mißbrauchs-Debatte: „Selbst eine nur oberflächliche Recherche hätte gezeigt, daß die KPE nicht nur mit Blick auf Geschlechterverständnis, Rollenbilder und Gesellschaftsmodelle massiv in der Kritik steht…Die Verantwortlichen hätten feststellen können und müssen, daß die KPE in der Aufarbeitung von Mißbrauchstaten vor großen Aufgaben steht, diese aber nicht angeht.“

In der KPE sei es „nachweislich zu sexuellem und geistlichem Mißbrauch gekommen“, die Pfadfinder müßten „transparent, öffentlich und mit aller Kraft für die schonungslose Aufarbeitung dieser Tagen einstehen.“

Angesichts dessen scheint mir der britische Philosoph Bertrand Russell Recht zu haben: „Es gibt zwei Arten von Moral – die eine, die man predigt, und die andere, die man anwendet.

Dennoch: Die Wenigen kämpfen weiter gegen die Macht der Mächtigen…

Das perfide Beispiel der MDR-Intendantin

Als Nummer 3 im Dreigestirn-Kapitel derer, die des Machtmißbrauchs verdächtigt werden oder gar überführt sind, sollte das Geschehen um die amtierende MDR-Intendantin, Karola Wille, zu Wort kommen:

Sie hat – eiskalte, von Ehrgeiz, Einflußnahme und Selbstüberschätzung heimgesuchte Ex-DDR-Juristin mit kleinem, westlichem Annex-Studium an der wenig bekannten Fern-Uni Hagen – ein Schicksal zu verantworten, das stellvertretend für das Gebaren dieser Person steht:

Karola Wille, Tochter des mit Grenz-Mörder Erich Honecker befreundeten Ex-SED-Chefs von Karl-Marx-Stadt, Siegfried Lorenz, beendete in ihrer Eigenschaft als damalige „Generalbevollmächtigte“, auf dem Weg zur „juristischen Direktorin“, des noch jungen, erst kürzlich vom Landtag ins Leben gerufenen Senders, die berufliche Laufbahn einer journalistischen Ex-Kollegin, Bärbel Jacob.

Dabei begann eigentlich alles recht harmlos: Am 14.Dezember 1994 schrieb TAZ-Korrespondent Eberhard Löblich unter dem Titel „Zuviel Jüdisches“ in seinem Blatt: „Latenter Antisemitismus findet sich in

allen Schichten der Bevölkerung – auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind dagegen nicht gefeit. Etwa das Magdeburger Funkhaus des MDR…“

Und detailliert führt er auf, wie vor allem der damalige Leiter „Aktuelles/Landespolitik“ ( auch als „Gauleiter von Halle“ MDR-intern bekannt), und heutige Chefproducer,

Heiner Tognino, zum Beispiel mit jüdischen Themen verfuhr. „Zuviel Jüdisches“ lautete offenbar seine Maxime. Bärbel Jacob, eben wegen ihrer Expertise in jüdischen Fragen als „Freie“ engagiert, kam nur überaus selten zu Wort, besser Schrift. Der Mann – ein sogenannter „Kriegsgewinnler“ der Vereinigung, aus subalterner Position in Hamburg schnell in den wilden Osten gewechselt und CDU-treu bis ins Mark – spionierte Bärbel Jacob gar nach, weil sie privat – als Gläubige, selbstverständlich – die Jüdische Gemeinde aufsuchte.

Es gab unerfreuliche Dispute, Zurechtweisungen für die engagierte Journalistin, Angebote und Themen kamen im Programm nicht vor, man sah sich am Ende vor Gericht wieder.

Vielleicht – so denke ich mir, zumal als Frau – wäre ein Arbeitsgerichts-Prozeß, gar eine Kündigung samt anderer schwerer Maßnahmen vermeidbar gewesen – wenn es da diese Juristin, Generalbevollmächtigte des MDR, Karola Wille, nicht gegeben hätte: Stahlhart, offenkundig ohne jedes Einfühlungsvermögen in die Situation und die emotionale wie materielle Lage von Bärbel Jacob, zog die von Ehrgeiz besessene Frau das Verfahren durch.

Bärbel Jacob kostete diese Belastung am Ende nicht nur ihre berufliche Existenz – die Familie wartet bis heute auf eine Geste der Entschuldigung, des Bedauerns, ja der Reue über ein derartiges Verhalten eines mächtigen, ja alternativlosen Arbeitgebers in der Region.

Aber stattdessen: Gleichgültigkeit, ein Überspielen des Geschehenen – aber was soll man von einer im Totalitarismus erzogenen Person des öffentlichen Lebens erwarten?

Was von einer Frau, die noch im Sommer 1989 – die DDR lag bereits in Agonie, Honecker wochenlang in der Klinik – auf aggressive Weisean ihrem „Institut für Internationale Politiik“ in Leipzig die Bundesrepublk schmähte und verächtlich machte?

Die selbstverständlich nicht im Oktober und November 1989 bei den Massen-Demos auf dem Leipziger Ring zu finden war, sondern nach eigenem Bekunden diese Aufzüge der „Kleinen“ gegen die bereits alarmierte Volksarmee und Stasi-Truppen irgendwo aus der Ferne beoachtete?

Die seinerzeit mit einem Militär-Staatsanwalt verheiratet war, den ideologisch am stärksten verseuchten Stasi-Mitarbeitern, die Grenzer verfolgten, falls sie nicht dem Schießbefehl gehorchten (bis heute, natürlich, von der bundesdeutschen Justiz verschont)?

Kann der Normal-Bürger eigentlich mehr als dieses perfide Vorgehen – ganz im antisemitischenn Kontext vieler Sachsen-Anhaltiner und von Heiner Tognino vorgelebt – erwarten? Von einer Frau, die laut Studienordnung an DDR-Universitäten zur „Diktatur des Proletariats“ als Ziel allen Klassenkampfes und gegen den angeblich allgegenwärtigen „Klassenfeind in der BRD“ schriftlich verpflichtet war?

Was scherte da das religiöse Bekenntnis einer freien Mitarbeiterin?

Schall und Rauch – von Sensibilität angesichts des Themas keine Spur, nur Recht-Haberei.

Nun: Am Ende muß es die Dame mit ihrem Gewissen ausmachen.

Dafür bleibt allenfalls noch ein Jahr Zeit – solange läuft ihr Intendanten-Vertrag. Wenn sich der Rundfunkrat nicht noch dieses scheinbar geringen, aber moralisch wichtigen Themas „Bärbel Jacob“ annimmt – zumindest kritische Fragen stellt. Immerhin sind in dem Leipziger Gremium die Jüdischen Gemeinden im Lande, die Kirchen, der Journalistenverband – eben alle die vielen vertreten, die verpflichtet sind, der Macht die Stirn zu bieten.

Wenigstens Fragen zu stellen.

Wenigstens. Mehr wäre schon viel.

Vielleicht helfen bei dieser anstrengenden Lektüre am Ende zwei Zitate, die mir wichtig erscheinen und für einen versöhnlichen Abschluß sorgen sollen - weil sie den eigentlichen Kern-Auftrag eines von Staats wegen zugelassenen Senders darlegen – zumal in Hoch-Zeiten des Antisemitismus, des Populismus und schrankenloser Aggressivität. In den Grundsätzen der „Bundeszentrale für politische Bildung“ heißt es zum Beispiel:

„Aus den Erfahrungen mit diktatorischen Herrschaftsformen in der deutschen Geschichte erwächst für die Bundesrepublik Deutschland die besondere Verantwortung, Werte wie Demokratie, Pluralismus und T o l e r a n z im Bewußtsein der Bevölkerung zu festigen.“

Gewiß auch – siehe den Fall Wille – im eigenen Bewußtsein.

Und zugleich mit der Schenkung der Freiheitsglocke im Schöneberger Rathaus in Berlin übergaben 16 Millionen Amerikaner ein Freiheits-Gelöbnis, das mit diesem eindringlichen Satz beginnt:

„Ich glaube an die Unantastbarkeit und an die Würde jedes einzelnen Menschen.“

An die Würde der Opfer des Blutrichters F., an die Würde der Mißbrauchsopfer der katholischen Kirche – und an die Würde der Patriotin Bärbel Jacob, die sich mit ihrem Wirken gegen Antisemitismus verdient gemacht hat.

Möge es so sein.

 


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons


Samstag, 26 Februar 2022

Waren diese Infos wertvoll für Sie?

Sie können uns Danke sagen. Geben Sie einen beliebigen Betrag zurück und zeigen Sie damit, wie viel Ihnen der Inhalt wert ist.




empfohlene Artikel
weitere Artikel von: Redaktion

Folgen Sie und auf:


meistgelesene Artikel der letzten 7 Tage