Angela Merkel, die Berliner Mescalera oder: weshalb die Meinungsfreiheit diesmal nicht am Hindukusch verteidigt wird

Angela Merkel, die Berliner Mescalera oder: weshalb die Meinungsfreiheit diesmal nicht am Hindukusch verteidigt wird


Eines Vorab: ich habe nicht die Absicht, verbal auf jeden einzudreschen, der an Legitimität und Zweckmäßigkeit der Tötung Bin Ladens Zweifel hegt, zähle ich doch selbst zu dieser Minderheit. Wo sich ein Jurist jedoch dazu antut, seine Richterwürde zu nutzen, um medienwirksam zu versuchen, das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken, da muss Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch muss gerade von Jenen erhoben werden, die Frau Merkels Ansicht nicht teilen, nur das beweist demokratische Gesinnung statt peinlicher Parteinahme. Eins vorab: ganz in Tradition des Buback-Nachrufs, des “Göttinger Mescaleros”, gestehe ich, dass ich mich nach Frau Merkels unrühmlichen Versuchen, die Meinungsfreiheit von Thilo Sarazzin einzuschränken, insgeheim darüber gefreut habe, daß sie nun ein Schluck des eigenen Giftes verpasst bekommt.

 

§ 140 StGB, Billigung von Straftaten, so lautet der Vorwurf des Göttinger Richters.

 

Die Vorschrift lautet:

 

Belohnung und Billigung von Straftaten

Wer eine der in § 138 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Abs. 3, nach den §§ 176a und 176b, nach den §§ 177 und 178 oder nach § 179 Abs. 3, 5 und 6, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist,

1. belohnt oder

2. in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) billigt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 

Dieses Gesetz wurde so gut wie nie angewandt. Bekanntheit erlangte es zu Hochzeiten linksextremen Terrors in der Bundesrepublik, als ein Unbekannter unter dem Pseudonym “Göttinger Mescalero” einen Nachruf auf das RAF Opfer Buback veröffentlichte, indem er seine klammheimliche Freude über die Tötung eingestand, sich im Ergebnis jedoch gegen den Terror aussprach. Anzeigeerstatter war damals der Ring Christlich-Demokratischer Studenten.

 

Ist der Tatbetand erfüllt? Auf den ersten Blick ja, bei genauerer Prüfung aber nein:

 

Angela Merkel sagte:

 

“Meine Damen und Herren, unseren amerikanischen Freunden ist heute Nacht mit der Tötung von Osama bin Laden ein wichtiger Schlag gegen den internationalen Terrorismus gelungen. Ich habe dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama meinen und unseren Respekt für diesen Erfolg und für diese gelungene Kommandoaktion mitgeteilt.”

 

Damit billigte sie eine der in § 138 StGB genannten Taten, nämlich einen Totschlag im Sinne des § 212 StGB. Ein Totschlag liegt vor, denn ein Mensch wurde vorsätzlich getötet, ohne dass ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des Strafgesetzbuches vorlag. Notwehr, Nothilfe, Festnahmerecht können alle nicht die gezielte Tötung rechtfertigen, wo mildere, gleich wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten.

 

Fraglich ist allerdings, ob der Umstand etwas ändert, dass es sich um eine Tat handelte, die außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Strafgesetzbuches stattfand. Dies wurde von der Rechtsprechung in einem Verfahren um die vermeintliche Billigung der Taten vom 11. September ohne weiteres bejaht.

 

Dies ist aber der erste Punkt bei dem einem guten Strafrechtler Zweifel kommen müssten:

 

Es handelt sich bei § 140 StGB um ein sogenanntes Klimaschutzdelikt. Verboten ist nicht die Äußerung einer Meinung per se sondern ihre Äußerung in einer Weise, die geeignet ist, ein Klima entstehen zu lassen, dass die Begehung weiterer schwerer Straftaten wie der einzeln dort aufgezählten nahelegt. Geschützt ist das Meinungsklima in der Bundesrepublik, dafür sprechen Sinn und Zweck des Gesetzes, aber auch der Umstand, daß Taten im Sinne des § 140 StGB nur verfolgt werden, sofern sie in Deutschland begangen werden und schließlich, daß man sonst gegen die halbe Welt ermitteln müsste.

 

Wenn also schon Auslandstaten einbezogen werden, dann muss es sich wenigstens um Taten von internationaler Bedeutung handeln. Dies war sowohl bei der Tötung Bin Ladens als auch in dem von der Justiz entschiedenen Fall (den Anschlägen auf das World Trade Centre) der Fall.

 

Klimaschutzdelikte sind aber nur dann verfassungskonform, wenn sie äußert eng ausgelegt werden, da ansonsten die Meinungsfreiheit zur Disposition des Strafgesetzbuches gestellt würde. Die vom Bundesverfassungsgericht zur Meinungsfreiheit entwickelte “Wechselwirkungslehre” besagt, daß Gesetze, welche die Meinungsfreiheit einschränken stets ihrerseits im Lichte der Meinungsfreiheit auszulegen sind. Wie die Mescalero Affaire gezeigt hat, kann auch durchaus unterschieden werden zwischen dem Empfinden persönlicher Freude und der Billigung eines Ereignisses. Ich kann mich persönlich darüber freuen, dass mein Erzfeind erschossen wurde ohne dabei zugleich einen Mord zu billigen. Ich kann mich freuen, daß Angela Merkel eine Strafanzeige bekommen hat, ohne zugleich diese Anzeige zu billigen. Es liegt in der menschlichen Natur, sich über verbotene Dinge zu freuen auch wenn diese Freude im Widerspruch zur eigenen Moral stehen. Diesen einzugestehen kann daher auch noch nicht mit einer Billigung gleichzusetzen sein. Wie der Göttinger Mescalero gezeigt hat, kann das Eingeständnis sogar mit der Verurteilung der Tat einhergehen. Doch das war bei Angela Merkel, wie der obige Auszug ihrer Rede zeigt, nicht der Fall. Sie hat sich in keinster Weise von der Tat distanziert.

 

Dennoch: lässt die Billigung der Tötung eines einzigartigen Top-Terroristen durch ausländische Streitkräfte im Ausland durch die Bundeskanzlerin wirklich auch nur abstrakt befürchten, dass in Deutschland ein Klima entstünde, bei dem ständig Top Terroristen ermordet würden? Die Antwort lautet für Jeden, der bei gesundem Menschenverstand ist: NEIN, natürlich nicht. Bin Laden war ein einzigartiger Sonderfall, der an sich mit nichts zu vergleichen ist. Es steht keinesfalls zu befürchten, dass irgendwer diese Tat nachahmt, nur weil die deutsche Bundeskanzlerin ihre Billigung zum Ausdruck gebracht hat. Zudem kam die Äußerung von einem Verfassungsorgan, dem Bundeskanzler in Ausübung seines Amtes. Die Gewaltenteilung gebietet es, dass der Bundeskanzlerin ein weitreichender Wertungsspielraum eingeräumt wird, der durch die Justiz nicht zu beeinträchtigen ist.

 

Der Tatbestand des § 140 StGB würde auf diesen Fall angewendet nicht dazu dienen, die Entstehung eines rechtsfeindlichen Klimas zu verhindern, sondern mit strafrechtlichen Mitteln eine Minderheitenmeinung – nämlich die Verurteilung dieser Tötung – durchzudrücken und der Bevölkerung aufzuzwängen. DAS wäre ein rechtsfeindliches Klima, ähnlich dem, unter dem Deutschland im Nachgang des Göttinger Mescaleros gelitten hat.

 

Der Arbeitsrichter hat somit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht beachtet und versäumt, ihren Anwendungsbereich entsprechend zu begrenzen. Das ist keine leichte Anschuldigung in einem Land, in dem Menschen jahrzehntelang für ihre politische Meinung verfolgt wurden.

 

The Cheerful Coyote

 

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Autor: haolam.de
Bild Quelle:


Montag, 16 Mai 2011

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