Muslimischer Antisemitismus in Belgien

Muslimischer Antisemitismus in Belgien


Muslimischer Antisemitismus in Belgien

Dr. Manfred Gerstenfeld interviewt Mark Elchardus

Es gibt einen großen Unterschied in den antisemitischen Einstellungen zwischen muslimischen und nicht muslimischen Schülern in Niederländisch sprechenden weiterführenden Schulen in Belgien. Rund 50% der muslimischen Schüler bringen antisemitische Haltungen zum Ausdruck, die anderen nur 10%. Diese Ergebnisse entstammen unserer Studie in Brüssel mit dem Titel „Jugendliche in Brüssel“ und aus anderen Studien die danach in Antwerpen und Gent durchgeführt wurden. Im Allgemeinen ist der Antisemitismus in Gent nicht ganz so stark ausgeprägt wie in Antwerpen und in Brüssel.

Die von uns studierten Jugendlichen waren allgemein im Alter von 12 bis 18 Jahren, weitere über 18 Jahre alt. Einige Studien gründeten auf der Altersgruppe der Zwölfjährigen. Andere, wie die Analyse des Antisemitismus, decken die Altersgruppe ab 14 Jahren ab. Überrascht stellten wir fest, dass die Präsenz muslimischer Schüler in den Schulen weit höher war als wir erwartet hatten. An den weiteführenden Schulen von Brüssel ist fast jeder zweite Schüler Muslim. Gewöhnlich wird die Zahl der Muslime unterschätzt, da sie – öfter als andere – bei Umfragen keine Antworten geben. Der Grund dafür sind schwächere Sprachkenntnisse und/oder ein insgesamt geringes gesellschaftliche Interesse in dieser Gemeinde.

Professor Mark Elchardus lehrt Soziologie an der niederländischsprachigen Freien Universität Brüssel. Seine Forschung konzentriert sich auf Kultursoziologie. Die bereits erwähnten Studien wurden im Rahmen des JOP-Programms unternommen, das darauf abzielt Ansichten und Einstellungen flämischer junger Leute in der Altersgruppe von 12 bis 30 zu analysieren.

Er merkt an: In unseren Umfragen wurde allen Jugendlichen dieselben Fragen gestellt. Wir erkundigten uns dabei nach 8 Typen antisemitischer Vorurteile, sowohl mit positiven Aussagen wie „Juden kann man vertrauen wie jedem anderen auch“ und negativen wie „Juden wollen alles beherrschen“.

Zwischen 26 und 36 Prozent der muslimischen Schüler stimmten den verschiedenen positiven Aussagen zu. Bei nicht muslimischen Schülern waren es zwischen 38 und 58 Prozent. Zwischen 37 und 51% der Muslime stimmten den verschiedenen negativen Aussagen zu. Für andere Schüler lag die Bandbreite zwischen 7 und 18 Prozent.

In der Studie zu Brüssel wurde auch die Verbindung zwischen Antisemitismus und allgemeiner Fremdenfeindlichkeit untersucht. Unter einheimischen niederländischen Schülern ist diese Korrelation recht schwach. Antisemitische Einstellungen unterscheiden sich daher von allgemeiner Fremdenfeindlichkeit. Wir stellten auch fest, dass unter diesen Schülern der Antisemitismus weit weniger verbreitet ist als Vorurteile oder negative Einstellungen gegenüber Muslimen.

Es ist schwierig die Korrelation zwischen allgemeiner Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus bei den Nachkommen nicht westlicher Einwanderer zu untersuchen. Sie sind zumeist Muslime. Fremdenfeindlichkeit wird gewöhnlich in Bezug auf Ausländer oder Einwanderer gemessen. Diese Analyse ist nur schwer auf nicht westliche Einwanderer anzuwenden, die sich in der belgischen Gesellschaft als Nachkommen von Einwanderern oder Ausländer betrachten.

Unsere Brüsseler Studie führte im flandrischen Parlament zu lebhaften Diskussionen. Das resultierte in der Forderung nach einer weiteren Studie in den beiden größten flämischen Städten, Antwerpen und Gent. Die Parlamentarier wollten auch, dass wir erkennen ließen, wie man die unerwünschten Ergebnisse durch Bildung bekämpfen könnte.

Aus der muslimischen Gemeinschaft erhielten wir extrem negative Reaktionen. Dasselbe galt für eine Reihe von Nichtmuslimen, die sich als „Verteidiger“ oder „Sprecher“ der muslimischen Gemeinden darstellen. Einige sagten sogar, ich sei ein Rassist. Eine Muslim-Organisation beschwerte sich über mich bei Zentrum für Chancengleichheit und die Bekämpfung von Rassismus. Diese Beschwerde wurde abgeschmettert. Aber der dortige Rechtsexperte brauchte mehr als einen Monat, um zu diesem Schluss zu kommen.

Muslimische Organisationen sollten eine wichtige Rolle bei der Integration der Muslime in die Gesellschaft spielen. Es ist bedauerlich, dass keine dieser Organisationen Antisemitismus oder die sehr negativen Einstellungen gegenüber Homosexuellen verurteilt, die wir in unseren Studien in Antwerpen und Gent feststellten. Auch kündigte keine von ihnen an, dass sie muslimischen Jugendlichen, die diese Vorurteile haben, informelle Bildung bieten wollen. Kurz gesagt: Muslimische Organisationen streiten entweder die Ergebnisse unserer Studien ab oder schweigen dazu.

Diese Leugnung wird immer auf dieselbe Art und Weise zum Ausdruck gebracht: „Muslime können keine Antisemiten sein, da Israels Verhalten alle muslimischen Einstellungen gegenüber Juden rechtfertigt.“ Nach der Veröffentlichung der zweiten Studie kam eine neue Form der Leugnung von Antisemitismus wie auch Hass gegen Homosexuelle auf. Es wurde die absurde Behauptung aufgestellt, dass die Ergebnisse der Studien falsch sind, denn wenn man mit Muslimen spricht, dann stellt man fest, dass sie keine Vorurteile haben und gut in die Gesellschaft integriert sind. Diese Leugnung der Wahrheit durch muslimische Leiter, die dafür verantwortlich sind beim Aufbau der Gesellschaft zu helfen, ist entmutigend und außerdem alarmierend.

Antisemitismus tritt bei Nichtmuslimen hauptsächlich in den sozial schwächeren Segmenten der Gesellschaft in Erscheinung. Doch Antisemitismus unter muslimischen Schülern ist keine Funktion sozialer und kultureller Faktoren wie dem Einkommen und der Bildung der Eltern oder des von den Jugendlichen besuchten Schultyps. Der einzig relevante Faktor ist muslimischer Traditionalismus. Zum Beispiel stimmen 12% der progressiven Muslime der Aussage zu: „Es ist am besten Juden zu meiden.“ Unter konservativen Muslimen steigt das auf 46% an. Es gibt allerdings wenige progressive Muslime. Auf acht von ihnen kommen 100 Konservative.

Wir verzeichneten keinen Unterschied zwischen muslimischem Antisemitismus und Antiisraelismus. Die Vorurteile zu diesen beiden waren dieselben. Das ist allerdings ein Thema, das weitere Untersuchungen verdient.

 

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Mitglied des Aufsichtsrats des Jerusalem Center of Public Affairs, dessen Vorsitzender er 12 Jahre lang war - Erstveröffentlicht bei unserem Partnerblog Heplev

 

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Autor: fischerde
Bild Quelle:


Montag, 06 Mai 2013

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