Wie ernst ist es Frankreich mit dem Krieg gegen den islamistischen Terror?

Wie ernst ist es Frankreich mit dem Krieg gegen den islamistischen Terror?


Präsident François Hollande und weitere französische Führungspolitiker haben nach dem furchtbaren Massaker am 13. November in Paris viele stramme Worte benutzt. „Auch wenn Frankreich verwundet ist, wird es aufstehen“, sagte Hollande.

Wie ernst ist es Frankreich mit dem Krieg gegen den islamistischen Terror?

von Dr. Manfred Gerstenfeld

„Auch wenn wir trauern, wird nichts uns zerstören.“ Er nannte die Massaker zudem einen „Akt des Krieges“.[1] Premierminister Manuel Valls sagte: „Wir befinden uns im Krieg.“ Die Regierung hat außerdem den Notstand ausgerufen, den sie um drei Monate verlängern will.

Die französische Regierung macht den Eindruck, dass sie ein riesiges Programm zur Bekämpfung des Islamischen Staates in Angriff nimmt. Französische Flugzeuge haben bereits die syrische Stadt Raqqa bombardiert, die de facto die Hauptstadt der Organisation ist. Nebenbei könnte man hier erwähnen, dass eine Meinungsumfrage im Sommer 2014 feststellte, dass 16% der französischen Bevölkerung ISIS damals positiv betrachteten.[2]

Frankreich, tatsächlich aber jedes Land, das in den Krieg zieht, muss das Schlachtfeld einschätzen. In einer postmodernen Gesellschaft ist das radikal anders als bei klassischen Kriegen, da es nicht auf einen geografisch definierten Bereich beschränkt ist. Zum Schlachtfeld gehört eine ungleiche Ansammlung vieler Individuen mit aufrührerischen Absichten. Radikalmuslimische Ideologie ist in Frankreich und andernorts in Westeuropa weit verbreitet. Die Variante Islamischer Staat ist nur eine von vielen.

Einige der Terroristen kamen aus dem Viertel Molenbeek, einer radikalmuslimischen Brutstätte in Brüssel. Die belgische Regierung hat zugegeben, dass sie die Kontrolle über das Gebiet verloren hat.[3] Frankreich hat vorübergehend seine Grenzen geschlossen. Permanente Grenzkontrollen einzuführen ist allerdings eine Voraussetzung für jede effektive Bekämpfung radikalisierter Muslime. Eine solche Maßnahme wird zwangsläufig das Schengen-Abkommen über offene Grenzen aushöhlen, das eine der wichtigen Leistungen der EU ist.

Frankreichs Führer haben in dem, was wir bisher gehört haben, keinen Hinweis gegeben, dass das Land vorhat das gesamte Schlachtfeld abzudecken. Im Gegenteil: Nach den Morden im Januar 2015 an den Charlie-Hebdo-Journalisten und den Juden im Hyper Cacher-Supermarkt erklärte Hollande: „Diese Fanatiker haben nichts mit der muslimische Religion zu tun.“[4] Damit behauptete er unsinnigerweise, wenn ein Muslim mit Mordabsicht „Allahu Akbar“ als Schlachtruf brüllt, hat das nichts mit dem Islam zu tun. Valls äußert sich näher an der Wahrheit, als er sich damals zu den Minderheiten-Ghettos äußerte. Er sagte, es gäbe eine „territoriale, soziale und ethnische Apartheid“, die diese Viertel vom Rest Frankreichs abtrennt.[5]

Diese Anschläge stellen ein weit größeres Problem dar, als das, dem man im Januar diesen Jahres gegenüber stand, da das Ziel eindeutig nicht länger auf Journalisten und Juden beschränkt ist. Ganz Frankreich – und in Erweiterung Europa – samt seiner Bevölkerung und Kultur wird angegriffen.

Probleme in der französischen muslimischen Gemeinschaft haben vielfältige Aspekte, wie zum Beispiel eine Studie von Gilles Kepel zeigt.[6] Wahrscheinlich gibt es unter den Muslimen in Frankreich nur einen kleinen Anteil Antidemokraten, die derzeit terroristische Absichten hegen. Jedoch sind viele anfällig für Radikalisierung und müssen daher als potenzielle Terroristen betrachtet werden. Ein paar weitere französische Muslimführer zu überzeugen die Morde zu verurteilen, wird nicht viel helfen. Der wahre postmoderne Krieg gegen gewalttätige und andere antidemokratische Muslime erfordert einen Masterplan, der weit über Interimsmaßnahen wie die Schließung radikaler Moscheen hinaus geht.

Das bedeutet Zurückgewinnung der verlorenen Territorien in französischen Städten und der Gesellschaft, ein Schritt, der der Eliminierung der lokalen Kultur in definierten städtischen Regionen gleichkommt, die aktuell faktisch vom Schariarecht beherrscht werden und in denen das französische Recht marginalisiert worden ist. Das würde ein Ende der „No-Go-Areas“ bedeuten, die die Polizei nur in großer Zahl auf „Ad-hoc-Basis“ betreten kann.

Explizit zu erklären, dass die Kontrolle durch die Regierung in den autarken muslimischen Enklaven wiederhergestellt werden muss, würde für einen sozialistischen Politiker in Frankreich an Frevel grenzen. Das ist nicht das Ergebnis einer Verschwörung des Schweigens seitens der französischen Regierung und der politisch korrekten Medien. Solches Vermeiden hat seinen Ursprung in etwas Tückischerem: einer Sanitisierung öffentlicher Äußerungen, zu der von den Hauptakteuren des Establishments sowohl sozial als auch politisch ermutigt wird. Das Fehlen jeglicher klarer Erwähnung von Problemen, die ausdrücklich mit der französischen muslimische Bevölkerung und dem Islam in Verbindung steht, ermöglicht den irreführenden Glauben, solche Probleme seien nicht wichtig.

Um den Krieg zu führen, den sie gegen den Terrorismus erklärt hat, muss die Regierung das Schlachtfeld definieren. Das erfordert Äußerungen, die im französischen Kontext extrem wären. Sie laufen hinaus auf: „Um den Islamischen Staat effektiv zu bekämpfen, müssen wir systematisch neu auswerten, was in der französischen Gesellschaft falsch läuft, wobei besondere Betonung auf seine muslimische Komponente zu legen ist. Wir werden mit diesen Problemen unter allen Umständen und so lange es dauern mag auf systematische Weise umgehen. Wir wissen, wenn wir das nicht tun, dann betteln wir um mehr Probleme.“

In Frankreich gibt es wichtige Kräfte, die nicht Teil des Establishments sind und die durch die Massaker vorangetrieben werden könnten. Die wichtigste ist Marine Le Pens rechte Partei Front National. Ihre Führer haben kein Problem damit, ihre sehr anderen und manchmal rassistischen Ansichten zu dem zu betonen, was in der französisch-muslimischen Gemeinschaft heute falsch läuft.

Es mag immer noch zu früh sein bei den anstehenden Regionalwahlen Anfang Dezember einen weiteren Beliebtheitsschwenk hin zu dieser Partei zu erleben. Doch selbst kurz vor dem Massaker führte Le Pen in den Umfragen zur ersten Runde der Präsidentschaftswahl 2017, vor Nicolas Sarkozy von den Republikanern. Hollande lag dahinter auf Platz drei und würde es nach den Umfragen nicht in die zweite Runde schaffen.[7] Das ist ein zusätzlicher Ansporn für ihn die Dinge in der derzeitigen Krise weit ernster zu nehmen, als er es bisher getan hatte.

Um zu beobachten, ob das Schlachtfeld korrekt thematisiert wurde, werden Beobachter im Verlauf der Zeit in der Lage sein das Ausmaß zu beurteilen, wie ernst es der französischen Regierung mit dem Umgang und der Verhinderung des Terrorismus ist. Soweit es Israel betrifft: Wenn Frankreich so handelt, wie es das zu seiner eigenen Sicherheit tun sollte, dann sollte es für seine Regierung schwieriger werden im palästinensisch-israelischen Konflikt mit weiterem beunruhigenden Posieren aufzuwarten und israelisches Handeln gegen Terroristen zu verurteilen.

Handelt Frankreich nicht, kann Israel nur betonen, dass Frankreichs Politik zu einem weit größeren von Muslimen begangenen Massaker in Paris geführt hat, als es je in Israel auftrat. Ist es Hollande erst, würde es dem französischen Geheimdienst gut anstehen sich um hochentwickelten Rat an das einzige demokratische Land im Nahen Osten zu wenden. Israel hat im Verlauf der Jahre erfolgreich eingehende Geheimdienstmethoden entwickelt, um solche Massaker zu vermeiden; dabei hat es mit einer ständigen Bedrohung durch viele gewaltbereite Palästinenser und in geringerem Maße mit lokalen muslimischen Tätern zu tun.

 

[1] Hollande: C’est un acte de guerre commis par une armée terroriste, Daech. France 24, 14. November 2015.

[2] Madeline Grant: 16% of French Citizens Support ISIS, Poll Finds. Newsweek, 26. August 2014.

[3] Christoph B. Schiltz, Brüssel: Hier fallen islamistische Terroristen nicht auf. DIE WELT, 15. November 2015.

[4] 12-French forces kill newspaper attack suspects, hostages die in second siege. Reuters, 10. Januar 2015.

[5] Sylvia Zappi: Manuel Valls, l’apartheid et les banlieues. Le Monde, 26. Januar 2015.

[6] Luc Bronner: La place croissante de l’islam en banlieue. Le Monde, 4. Oktober 2011.

[7] Raheem Kassam: Marine le-Pen Tops Another French Presidency Poll. Breitbart, 13. November 2015.

 

Erstveröffentlicht bei Heplev - Foto: FraNKREICHS sTAATSPRÄSIDENT hOLLANDE 8fOTO. von Jean-Marc Ayrault (Flickr: Meeting François Hollande) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons9

 

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Dr. Manfred Gerstenfeld bei haOlam.de (Auswahl):


Autor: joerg
Bild Quelle:


Mittwoch, 25 November 2015

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