Europa debattiert über den Burkini

Europa debattiert über den Burkini


Die Stadt Nizza hat das umstrittene Verbot muslimischer Burkinis aufgehoben, nachdem ein Gericht entschieden hatte, dass ein solches Verbot rechtswidrig ist. Auch in Cannes, Fréjus, Roquebrune und Villeneuve-Loubet wurden Verbote des Ganzkörperbadeanzugs aufgehoben, in mindestens 25 französischen Badeorten bleiben sie allerdings in Kraft.

Europa debattiert über den Burkini
  • "Wir werden euch mit euren demokratischen Gesetzen kolonisieren", sagt Yusuf al-Qaradawi, der ägyptische islamische Kleriker und Vorsitzende der Internationalen Union muslimischer Gelehrter.
  • "Strände müssen wie alle öffentlichen Orte vor religiösen Ansprüchen geschützt werden. Der Burkini ist ein antisoziales politisches Projekt, das vor allem darauf zielt, Frauen zu unterjochen. ... Das ist nicht mit den Werten Frankreichs und der Republik vereinbar. Angesichts solcher Provokationen muss die Republik Selbstverteidigung ausüben", so der französische Ministerpräsident Manuel Valls.
  • Nach Meinung des Bürgermeisters von Villeneuve-Loubet wird das Urteil des höchsten Gerichts keineswegs die Muslime "befrieden, sondern die Emotionen und Spannungen nur weiter anfachen".
  • "Strände und Straßen werden gleichgesetzt; in beiden Fällen lehnen zwei Drittel der Franzosen das Tragen zur Schau gestellter religiöser Symbole ab", sagt Jérôme Fourquet, Direktor des französischen Instituts für öffentliche Meinung, Ifop.

 

von Soeren Kern, Gatestone Institute

 

Der Tumult um Burkinis – eine Wortneuschöpfung aus Burka und Bikini – hat die seit langem geführte Debatte über islamische Kleidungsvorschriften in Frankreich und anderen säkularen europäischen Staaten wiederaufleben lassen (siehe Anhang).

 

Am 26. August hatte der Staatsrat, Frankreichs höchstes Verwaltungsgericht, entschieden, dass die Stadtverwaltung von Villeneuve-Loubet, einer Küstenstadt an der Côte d'Azur, nicht das Recht habe, den Burkini zu verbieten. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass ein solches Verbot – das nach dem dschihadistischen Anschlag in Nizza vom 14. Juli erlassen worden war, bei dem 86 Menschen getötet worden waren – eine "ernsthafte und offensichtlich ungesetzmäßige Verletzung fundamentaler Freiheiten" sei, "darunter das Recht auf Freizügigkeit und die Gewissensfreiheit". Die Richter urteilten, dass die kommunalen Behörden nur dann individuelle Freiheiten beschränken dürften, wenn es eine "erwiesene Gefahr" für die öffentliche Ordnung gebe; dafür gebe es aber keine Belege.

 

Obwohl sich das Urteil nur auf das Verbot in Villeneuve-Loubet bezieht, sind Beobachter der Meinung, dass es einen Präzedenzfall für die anderen 30 Orte schafft, die ebenfalls Burkiniverbote erlassen haben.

 

Das höchste Gericht kippte damit ein am 22. August erlassenes Urteil einer niedrigeren Instanz, in dem es geheißen hatte, das Burkiniverbot sei "notwendig, sachgemäß und angemessen", um die öffentliche Ordnung zu sichern.

Den Fall vor Gericht gebracht hatten das Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich (CCIF) und die Menschenrechtsliga (LDH). Die beiden Gruppierungen haben angekündigt, gegen jede Kommune klagen zu wollen, die ein Burkiniverbot erlässt. Dieses, so sagen sie, verletze die Religionsfreiheit der Muslime in Frankreich.

Patrice Spinosi, ein Jurist des LDH, sagt, das Gericht habe in Ermangelung einer erwiesenen Bedrohung der öffentlichen Ordnung "ein Urteil gesprochen und gezeigt, dass Bürgermeister nicht das Recht haben, das Tragen religiöser Kennzeichen im öffentlichen Raum zu verbieten. Das steht im Widerspruch zur Religionsfreiheit, die eine fundamentale Freiheit ist".

 

Die – aus allen Teilen des politischen Spektrums kommenden – Befürworter des Verbots hingegen argumentieren, der Burkini sei kein religiöses, sondern ein politisches Kleidungsstück.

 

In der Tageszeitung Le Figaro, warnt der französische Kommentator Yves Thréard:

 

"Das Worst-Case-Szenario wäre es, wenn sich die Debatte immer weiter hinzieht und sich zu Betrachtungen verirrt, die mit dieser abscheulichen Kleidung gar nichts zu tun haben. Säkularismus und Religion sind hier völlig irrelevant. Der Burkini ist keine Vorschrift des Koran, sondern eine weitere Manifestation des politischen Islam, militant, destruktiv, ein Versuch, unsere Lebensart, Kultur und Zivilisation in Frage zu stellen. Kopftücher in Schulen, Straßengebete, Halal-Schulmenüs, Niquab, Burka ... Seit dreißig Jahren gibt es diese Unterwanderung und Unterminierung unserer Gesellschaft, die darauf zielt, diese zu destabilisieren. Es ist Zeit, den Urhebern die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Der bekannte ägyptische Prediger Yusuf al-Qaradawi, der früher auch in Frankreich doziert hat, hat gewarnt: 'Wir werden euch mit euren demokratischen Gesetzen kolonisieren.' Mit unserer Gleichgültigkeit und Naivität waren wir lange Komplizen bei diesem tödlichen und bösartigen Unternehmen."

Für den französischen Ministerpräsidenten Manuel Valls sind Burkinis "die Bekräftigung des politischen Islam im öffentlichen Raum". In einem Interview mit La Provence sagte der Sozialist Valls:

 

"Ich unterstütze diejenigen, die die Verbote ausgesprochen haben. ... Strände müssen wie alle öffentlichen Orte vor religiösen Ansprüchen geschützt werden. Der Burkini ist ein antisoziales politisches Projekt, das vor allem darauf zielt, Frauen zu unterjochen. Hinter dem Burkini steht die Idee, dass Frauen von Natur aus Huren seien, unrein und dass sie vollständig bedeckt sein sollten. Das ist nicht mit den Werten Frankreichs und der Republik vereinbar. Angesichts solcher Provokationen muss die Republik Selbstverteidigung ausüben."

 

Laurence Rossignol, die sozialistische Ministerin für Familie, Kinder und Frauenrechte, äußerte ebenfalls Unterstützung für das Burkaverbot. In einem Interview mit Le Parisien sagte sie:

 

"Der Burkini ist keine neue Badekleidungsmode. Es ist die Strandversion der Burka und folgt derselben Logik: den Körper von Frauen zu verstecken, um sie besser zu kontrollieren. Dahinter steckt eine zutiefst archaische Vision vom Platz der Frau in der Gesellschaft. Da ist die Vorstellung, dass Frauen von Natur aus unrein und unmoralisch seien, sie darum ihre Körper verstecken und aus dem öffentlichen Raum verschwinden sollten."

 

"Der Burkini provoziert solche Aufregung wegen seiner kollektiven politischen Dimension. Das betrifft nicht nur die Frauen, die ihn tragen. Der Burkini ist das Symbol eines politischen Projekts, das der Diversität und Gleichberechtigung feindlich gegenübersteht."

 

Der frühere französische Ministerpräsident Nicolas Sarkozy, der kürzlich ankündigte, dass er 2017 bei den französischen Präsidentschaftswahlen kandidieren werde, sagt, dass er, sollte er gewählt werden, die "Verfassung ändern" und landesweit auf ein Verbot von Burkinis dringen werde. Am 26. August sagte der Konservative Sarkozy auf einer Wahlkampfveranstaltung:

 

"Ich werde der Präsident sein, der die Autorität des Staates wieder zum Leben erweckt. Ich will der Präsident sein, der die Sicherheit Frankreichs und jedes Franzosen garantiert ..."

 

"Ich wehre mich dagegen, dass sich der Burkini den französischen Stränden und Schwimmbädern aufdrängt. ... Es muss ein Gesetz geben, das ihn auf dem gesamten Gebiet der Republik verbietet. Unsere Identität ist in Gefahr, wenn wir eine Einwanderungspolitik hinnehmen, die keinen Sinn ergibt."

 

In einem Interview mit Le Figaro führte Sarkozy aus:

 

"Den Burkini zu tragen, ist ein militanter politischer Akt, eine Provokation. Die Frauen, die ihn tragen, testen den Widerstand der französischen Republik. Wenn wir dem kein Ende bereiten, besteht das Risiko, dass in zehn Jahren junge muslimische Mädchen, die den Burkini oder den Schleier nicht tragen wollen, stigmatisiert werden und Druck auf sie ausgeübt wird, es zu tun."

 

Henri Leroy, der Bürgermeister von Mandelieu-La-Napoule, einer der ersten französischen Städte, die den Burkini verboten haben, sagt, muslimische Einwohner sollten daran erinnert werden, dass "sie zuerst Franzosen sind und die muslimische Konfession erst an zweiter Stelle kommt." Er fügte hinzu: "Unsere Republik hat Traditionen und Gepflogenheiten, die respektiert werden müssen."

 

Der konservative Bürgermeister von Cannes, David Lisnard, sagt, der Burkini sei eine "Uniform, das Symbol des islamischen Extremismus". Thierry Migoule, der Leiter der städtischen Dienste der Stadt, sagt, der Burkini sei das "zur Schau gestellte Zeichen der Zugehörigkeit zu terroristischen Bewegungen, die uns den Krieg erklärt haben".

Der Bürgermeister von Fréjus, David Rachline, schreibt, das Urteil des höchsten Gerichts sei ein "Sieg für den radikalen Islam, für den politischen Islam, der in unserem Land auf dem Vormarsch ist".

 

Lionnel Luca, der konservative Bürgermeister von Villeneuve-Loubet, sagt, das Burkiniverbot sei notwendig, um "die schleichende Islamisierung zu stoppen, die in unserem Land voranschreitet". Das Gerichtsurteil, so Luca weiter, werde keineswegs die Muslime "befrieden, sondern die Emotionen und Spannungen nur weiter anfachen".

Ange-Pierre Vivoni, der sozialistische Bürgermeister der korsischen Stadt Sisco, hat ein Burkiniverbot erlassen, um "die Bevölkerung zu schützen", nachdem es am 14. August zu Krawallen von Muslimen gekommen war, als ein Tourist Fotos von Burkini tragenden Frauen gemacht hatte, die in einer Bucht schwammen. Am Ende beteiligten sich mehr als 400 Personen an der Schlägerei, bei der lokale Korsen mit nordafrikanischen Migranten aneinandergerieten. Am nächsten Tag marschierten über 500 Korsen durch die Stadt und riefen "Zu den Waffen! Das ist unsere Heimat!"

 

Meinungsumfragen zeigen breite öffentliche Unterstützung für Burkaverbote. Laut einerErhebung des Ifop-Instituts, die am 25. August von Le Figaro veröffentlicht wurde, sind 64 Prozent der Bevölkerung in Frankreich gegen Burkinis am Strand, nur 6 Prozent dafür. Ifop-Direktor Jérôme Fourquet sagt: "Die Ergebnisse sind dieselben wie im April, als wir nach der Meinung zu Kopftüchern in öffentlichen Straßen gefragt haben (63 Prozent dagegen). Strände und Straßen werden gleichgesetzt; in beiden Fällen lehnen zwei Drittel der Franzosen das Tragen zur Schau gestellter religiöser Symbole ab."

 

 

Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New Yorker Gatestone Institute und Senior Fellow für Europäische Politik der in Madrid ansässigen Grupo de Estudios Estratégicos / Gruppe Strategische Studien. Besuchen Sie ihn auf Facebook und folgen ihm auf Twitter.

 

 

Anhang - Regelungen in einzelnen europäischen Ländern

 

Baltische Staaten: Im April 2016 kündigte die lettische Regierung ein Gesetzesvorhaben für ein Burkaverbot an. Der Zweck des Gesetzes, das 2017 in Kraft treten soll, sei es, sicherzustellen, dass muslimische Einwanderer die Werte des Landes respektieren. Auch inEstland und Litauen wird über Burkaverbote diskutiert.

Belgien: Belgien war im Juli 2011 das zweite Land in Europa, das nach Frankreich ein Burkaverbot eingeführt hat. Wer dagegen verstößt, riskiert eine Strafe von 137 Euro und bis zu sieben Tage Haft. In den fünf Jahren seit Inkrafttreten des Verbots wurden über 70 Frauen wegen des öffentlichen Tragens der Burka mit Bußgeld belegt, davon allein 67 in Brüssel und sieben in Lüttich.

 

Im August 2016 forderte Nadia Sminate, eine belgische Parlamentsabgeordnete marokkanischer und flämischer Herkunft, ein vollständiges Verbot der Burka. In einem Interview mit De Standaard sagte sie:

 

"Wir müssen unbedingt verhindern, dass Frauen in Flandern in Burkinis rumlaufen müssen. Nicht im Schwimmbad, nicht am Strand. Ich glaube nicht, dass Frauen am Strand im Namen der Religion in solch einer Monstrosität rumlaufen wollen. Wenn wir das zulassen, drängen wir die Frauen an den Rand der Gesellschaft. Wir leben in Flandern und wir machen die Regeln hier. Wir müssen Grenzen setzen und unsere Werte durchsetzen."

 

Großbritannien: Wie eine YouGov-Umfrage vom 31. August ergab, ist eine Mehrheit der Briten für ein Verbot der Burka im öffentlichen Raum: 57 Prozent sind laut der Erhebung dafür, 25 Prozent dagegen. Die einzige Altersgruppe, die sich gegen ein Verbot ausspricht, ist die der 18-24-Jährigen. Alle anderen sind dafür; die höchste Zustimmung gibt es bei den über 65-Jährigen, die zu 78 Prozent dafür und zu 12 Prozent dagegen sind. Eine Mehrheit für ein Burkaverbot gibt es quer durch alle Parteien. Auch nach dem Burkini fragte YouGov: 46 Prozent der Briten sind für dessen Verbot, 30 Prozent dagegen.

Bulgarien: Im Juni 2016 billigte das bulgarische Parlament ein neues Gesetz zum Burkaverbot. Dadurch wird

 

Bulgarien nach Frankreich und Belgien zum dritten europäischen Land, das ein solches Gesetz erlässt. Das Verbot gilt sowohl für bulgarische Bürger als auch für jeden, der sich zeitweilig im Land aufhält.

Das Gesetz besagt, dass Kleidungsstücke, die das Gesicht verdecken, nicht in Bulgariens zentralen und kommunalen Verwaltungsbehörden, in Schulen, Kultur- sowie in öffentlichen Erholungs-, Sport- oder Kommunikationseinrichtungen getragen werden dürfen.

Den Kopf, die Augen, die Ohren oder den Mund zu bedecken, soll nur noch dann erlaubt sein, wenn es dafür gesundheitliche Gründe gibt, eine berufliche Notwendigkeit besteht oder bei Sport- und Kulturveranstaltungen. Das Verbot gilt auch für religiöse Einrichtungen.

Das Gesetz sieht eine Strafe von 200 leva (100 Euro) beim ersten Verstoß vor. Beim zweiten und jedem weiteren Verstoß beträgt die Strafe 1500 leva (755 Euro), zudem verliert die betreffende Person alle Ansprüche auf Sozialleistungen. Überredet jemand eine minderjährige Person zur Gesichtsverschleierung, steigt die Strafe auf bis zu fünf Jahre Gefängnis plus einer Geldstrafe von bis zu 10.000 leva (5.000 Euro).

 

Tschechische Republik: Im März 2016 reichte eine Studentin gegen eine Prager Krankenpflegeschule Klage ein, nachdem es ihr untersagt worden war, im Unterricht den Hijab zu tragen (ein muslimischer Schleier, der Kopf und Nacken bedeckt). Die Schule argumentierte, dass die Studenten im Klassenraum nicht ihre Köpfe verhüllen sollten.

Dänemark: Die Dänische Volkspartei kündigte im August 2016 an, einen Gesetzesentwurf für ein Verbot der Burka ins Parlament einzubringen. In einem Interview mit Metro Express sagteParteisprecher Kenneth Kristensen Berth, ein solches Verbot sei aus Sicherheitsgründen notwendig:

"Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, vor allem im Nahen Osten, wo in Burkas gekleidete Leute Selbstmordanschläge verübt haben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis so etwas auch in Europa passiert. Ich komme gerade aus London wieder, wo die Zahl der Burkas in den Straßen deutlich zugenommen hat. Diese kann jemand dazu benutzen, um Bomben zu platzieren, ohne entdeckt zu werden.

Frankreich: Im August 2011 wurde Frankreich das erste europäische Land, das die Burka und den Niqab verboten hat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das Verbot im Juli 2014 aufrechterhalten.

Nach dem dschihadistischen Anschlag in Nizza vom Juli 2016, bei dem 86 Menschen getötet wurden, haben mehr als 30 Städte und Gemeinden den Burkini an öffentlichen Stränden verboten.

Am 26. August hat der Staatsrat, Frankreichs höchstes Verwaltungsgericht, entschieden, dass die Stadtverwaltung von Villeneuve-Loubet, einer Küstenstadt an der Côte d'Azur, nicht das Recht habe, den Burkini zu verbieten. Obwohl sich das Urteil nur auf das Verbot in Villeneuve-Loubet bezieht, sind Beobachter der Meinung, dass das Urteil Präzedenzkraft für ganz Frankreich habe.

Meinungsumfragen zeigen breite öffentliche Unterstützung für Burkaverbote. Laut einerErhebung des Ifop-Instituts, die am 25. August von Le Figaro veröffentlicht wurde, sind 64 Prozent der Bevölkerung in Frankreich gegen Burkinis am Strand, nur 6 Prozent dafür. Ifop-Direktor Jérôme Fourquet sagt: "Die Ergebnisse sind dieselben wie im April, als wir nach der Meinung zu Kopftüchern in öffentlichen Straßen gefragt haben (63 Prozent dagegen). Strände und Straßen werden gleichgesetzt; in beiden Fällen lehnen zwei Drittel der Franzosen das Tragen zur Schau gestellter religiöser Symbole ab."

 

Deutschland: Bundesinnenminister Thomas de Maizière kündigte am 18. August einen Gesetzesentwurf für ein "teilweises Burkaverbot" an. Verboten würde das Tragen muslimischer Gesichtsschleier an öffentlichen Orten wie Kindergärten, Schulen, Universitäten, Behörden und beim Führen eines Fahrzeugs.

"Wir lehnen die Vollverschleierung ab", sagte de Maizière. "Alle gemeinsam. Gesicht zeigen ist für unsere Gesellschaft konstitutiv. Deswegen fordern wir alle auf, Gesicht zu zeigen."

Julia Klöckner, die stellvertretende Vorsitzende der regierenden Christdemokraten (CDU),sagte am 12. August in einem Interview mit Bild:

"Die Vollverschleierung erschwert die Integration der Frauen hier enorm. Sie ist kein Zeichen religiöser Vielfalt, sondern steht für ein abwertendes Frauenbild. In Frankreich gibt es auch das Verbot, der Europäische Menschengerichtshof trägt es mit."

Der CDU-Politiker Jens Spahn sagte am 30. Juli in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt:

"Ein Verbot der Vollverschleierung, also von Nikab und Burka, ist überfällig, auch als Signal in die Welt. Stellen Sie sich vor, wie dieses Gespräch wäre, wenn wir uns hier vollverschleiert gegenübersäßen. Ich will in diesem Land keiner Burka begegnen müssen. In diesem Sinne bin ich burkaphob."

In einem Kommentar für Bild schreibt Bassam Tibi, ein ehemaliger Professor an der Universität Göttingen, der sich selbst als "europäischer Muslim" bezeichnet, er unterstütze ein Burkaverbot voll und ganz:

"Ein Burka-Verbot wäre eine kluge politische Maßnahme gegen Abschottung in Parallelgesellschaften, für eine Integration im Sinne von Inklusion muslimischer Migranten und für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland."

Eine neue Umfrage, die von Infratest dimap am 26. August veröffentlicht wurde, ergab, dass 81 Prozent der Deutschen für das Verbot der Burka an öffentlichen Plätzen sind. 51 Prozent sind demzufolge für ein totales Burkaverbot.

Am 22. August hatte ein Gericht in Osnabrück geurteilt, dass eine Schülerin ihren Schleier nicht im Klassenraum tragen darf. Die Sophie-Scholl-Schule hatte die Schülerin angenommen, ihre Entscheidung aber geändert, als sie darauf bestand, den Niqab in der Klasse zu tragen. Vertreter der Schule sagen, die im Unterricht nötige offene Kommunikation sei nicht möglich, wenn bei einer Schülerin nur die Augen sichtbar seien.

Die bayerische Stadt Neutraubling hat im Juni den Burkini in öffentlichen Schwimmbädernverboten, nachdem sich weibliche Badegäste beschwert hatten, dass dieser unhygienisch sei. Bürgermeister Heinz Kiechle sagte dazu: "Ich verstehe nicht, warum es nötig ist, einen Burkini an Abenden zu tragen, wo das Schwimmbad nur für das Frauenschwimmen reserviert ist."

 

Italien: In der nordöstlichen Region Lombardei sind seit dem 1. Januar 2016 die Burka und der Niqab in allen Behördengebäuden und Krankenhäusern verboten. Innenminister Angelino Alfano sagte am 17. August, Italien werde den Burkini nicht verbieten, da ein solcher Schritt eine Reaktion der muslimischen Gemeinschaft provozieren könne. In einem Interview mitCorriere della Sera sagte er:

"Das Innenministerium hat die Verantwortung, die öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten und dabei einen solchen Grad an Härte zu wählen, dass er nicht zu einer Provokation wird, die möglicherweise Anschläge provozieren könnte."

 

Malta: Im Oktober 2015 debattierte die Regierung ein Burkaverbot in der Öffentlichkeit. Der Anlass war das Auftauchen eines Fotos, das eine Frau zeigte, die ein Auto lenkt und dabei einen das ganze Gesicht bedeckenden Schleier trägt. Artikel 338 des Strafgesetzbuchs besagt, dass es eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung sei, wenn jemand, "an einem öffentlichen Ort eine Maske trägt oder sich verkleidet, ausgenommen zu einer Zeit und Art, die das Gesetz erlaubt". Einige Regierungsmitglieder forderten, das geltende Recht zu konkretisieren und speziell das Tragen von Burkas zu verbieten.

Mohammed Elsadi, ein örtlicher Imam, sagte, ein Burkaverbot bedrohe die Integration und die soziale Harmonie auf Malta. Er fügte hinzu: "In einer globalen Welt, wo Menschen verschiedener Kulturen zusammenleben und auf so vielfältige Weise und in so vielen Sphären des Lebens interagieren, ist es für jedes Land förderlicher, so viele individuelle Freiheiten wie möglich zu garantieren." Muslimen solle "alle Freiheit" gegeben werden, "ihre kulturellen Normen und ihre Lebensart zu leben".

Gleichstellungsministerin Helena Dalli entgegnete:

"Es gibt auf Malta viele Tausend Muslime, und viele von ihnen sind hier schon lange Zeit, manche gar seit Generationen. Die Burka und der Niqab sind keine Kleidungsstücke, die man mit dieser Gemeinschaft assoziiert, darum sollte ein deutlicheres Verbot von Gesichtsbedeckungen auf die große Mehrheit der Muslime keinerlei Einfluss haben."

 

Niederlande: Im Mai 2015 billigte die niederländische Regierung ein teilweises Verbot von islamischen Schleiern, die das Gesicht bedecken. Es gilt in öffentlichen Verkehrsmitteln und in öffentlichen Bereichen wie Schulen und Krankenhäusern. Wer dagegen verstößt, dem droht eine Strafe von 405 Euro. Nicht von dem Verbot betroffen ist das Tragen des Burkas oder des Niqabs auf der Straße.

Norwegen: Eine parteiübergeifende Integrationskommission hat im August 2016vorgeschlagen, Burkas und Niqabs in öffentlichen Institutionen sowie Hijabs in staatlichen Schulen zu verbieten. In einem 50-seitigen Bericht mit dem Titel "Zehn Gebote für bessere Integration" fordert die Kommission klare nationale Richtlinien für islamische Kleidung zur besseren Integration.

"Um die Integration zu verbessern, müssen wir zu mehr Partizipation im öffentlichen Leben ermuntern", sagt Jette Christensen von der Arbeiterpartei. "Darum können wir es nicht erlauben, dass das Gesicht bedeckt wird."

Mazyar Keshvari von der Fortschrittspartei fügt hinzu: "Die bevorzugte islamistische Uniform können wir in norwegischen Schulen nicht dulden."

2013 hatte das norwegische Parlament ein Burkaverbot abgelehnt, mit dem Argument, dass Norwegen damit eine Rüge des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (ECHR) riskieren würde. Seit aber der ECHR im Juli 2014 das Burkaverbot in Frankreich für rechtens erklärt hat, versuchen Unterstützer eines solchen Verbots, das Parlament zu einem ähnlichen Schritt zu bewegen, bislang ohne Erfolg.

 

Slowenien: Die oppositionelle Demokratische Partei (SDS) hat im November 2015 eine Gesetzesvorlage eingebracht, um Burkas und Niqabs in der Öffentlichkeit zu verbieten und die slowenischen Asylbestimmungen zu verschärfen.

"Wer in Slowenien ist, der sollte die slowenische Kultur und slowenische Gepflogenheiten respektieren", sagte der SDS-Vorsitzende Janez Janša. "Darum haben wir diese Gesetzesvorlage erstellt, um die Burka in der Öffentlichkeit zu verbieten."

Der SDS-Abgeordnete Vinko Gorenak fügte hinzu: "Wir müssen uns ihren Sitten anpassen, wenn wir bei ihnen sind. Es gibt keinen Grund, weshalb wir nicht das Gleiche von ihnen verlangen sollten, wenn sie in unserer kulturellen Umgebung sind."

 

Spanien: Die katalonische Stadt Lérida hat im Dezember 2010 ein Burkaverbot an öffentlichen Orten erlassen. Das höchste spanische Gericht urteilte im Februar 2013, dass das Verbot gegen die Verfassung verstoße. Es "bedeutet eine Beschränkung des fundamentalen Rechts der freien Ausübung der Religion, das von der spanischen Verfassung garantiert ist", so die Richter. Eine Beschränkung eines fundamentalen Rechts könne es nur durch Gesetze auf nationaler Ebene geben, nicht durch kommunale Erlasse.

Innenminister Jorge Fernández Díaz forderte im September 2014 während einer Parlamentsdebatte über das Gesetz zur öffentlichen Sicherheit (Ley de Seguridad Ciudadana), die Burka aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Dies habe zwei Dimensionen, sagte er: Sicherheit und die Würde der Frau.

"Meiner Meinung nach ist die Burka ein Kleidungsstück, das die Würde der Frau verletzt", so Fernández Díaz. "Doch das liegt nicht im Verantwortungsbereich des Innenministeriums." Was hingegen die Sicherheit betreffe, so mache es die Burka "schwierig, Personen zu identifizieren, die Verbrechen begehen".

Ein Wasserpark in der katalonischen Stadt Girona hat den Burkini im August 2016 "aus Sicherheitsgründen" verboten. Die baskische Stadt Vitoria hatte im Juni 2014 ein Verbot von Burkinis in öffentlichen Schwimmbädern erlassen. Im November 2014 untersagte ein Busfahrer in Vitoria, einer mit einer Burka verhüllten Frau, seinen Bus zu besteigen.

 

Schweiz: Der Schweizer Kanton Tessin hat am 1. Juli als erster ein Burkaverbot eingeführt. Wer dagegen verstößt, dem droht eine Strafe von 10.000 Schweizer Franken (9.100 Euro). Der Schritt geht auf ein Referendum von September 2013 zurück; damals hatten sich 65 Prozent der Wähler in dem italienischsprachigen Kanton für das Verbot ausgesprochen.

 

 

Übersetzt von Stefan Frank - Foto: Frau in Burkini (Foto: von Giorgio Montersino from Milan, Italy (cool burkini) [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons)


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Sonntag, 11 September 2016