Ist `Blond das neue Braun´? Wenn Karnevals-Jecken zu Botschaftern des Hasses werden

Ist `Blond das neue Braun´?

Wenn Karnevals-Jecken zu Botschaftern des Hasses werden


Blond ist das neue Braun? Kann sein. Aber irgendwas an der Haarfarbe festzumachen, ist auf jeden Fall das alte Braun, lieber Düsseldorfer Karneval.

Wenn Karnevals-Jecken zu Botschaftern des Hasses werden

von Ramiro Fulano

 

Ich will mich jetzt gar nicht über Düsseldorf aufregen, liebe Leserinnen und Leser, weil ich die „verbotene Stadt“ immer auf eine charmante Art langweilig fand. Die nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ist nicht so lustig, wie Köln, nicht so kultiviert wie Essen und nicht so spießig wie Wuppertal. Es geht eben nichts über gepflegtes Mittelmaß.

 

Kein Wunder, dass man einmal im Jahr ausbrechen will. Weil auch Düsseldorf im Rheinland liegt, gibt es für derlei Eskapaden einen vorzüglichen Anlass. Die Düsseldorfer nutzen ihn als Vorwand, um sich bunte Federn in den Arsch zu stecken und Kikeriki zu schreien, während das Fernsehen sie bei ihrer freiwillig-unfreiwilligen Selbstblamage filmt.

 

Angesichts der Wagen auf dem letzten Rosenmontagsumzug drängt sich der Verdacht auf, dass manche Düsseldorfer auch in der karnevalsfreien Zeit völlig bescheuert sind. Anders kann ich es mir nicht erklären, wie es zu diesen „politischen“ Karnevalswagen kommen konnte.

 

Eine Freiheitsstaue mit irrem Blick hat US-Präsident Donald Trump die Rübe abgehackt, während sie auf ihrem Arm eine Tafel mit der Aufschrift „Verfassung“ balanciert? Beschriftet ist die Figur mit dem Wort „resist“ („wehrt euch“), aufgesprüht in Graffiti Anmutung. Ist das Kunst oder kann das weg?

 

Da ist bewusstseinsmäßig so viel schiefgelaufen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Zunächst mal scheint die Idee für den Düsseldorfer Karnevalswagen natürlich plump und schamlos beim Spiegel abgekupfert. Und was dort galt, gilt hier erst recht. Doch während der Spiegel-Titel „America First“ den US-Präsidenten Donald Trump zweckdienlich mit einem IS-Terroristen identifizierte, ist es beim Düsseldorfer Karneval die personifizierte Freiheit selbst, die als IS-Terrorist denunziert wird. Und der macht, was man sich als aufrechter Narr wünscht: Er schneidet Trump die Rübe ab. Endlich mal einer, auf den man sich verlassen kann, liebe Düsseldorfer! Das ist wirklich eine interessante Selbstauskunft.

 

Abgesehen davon hält die echte Freiheitsstatue, und eben nicht die von Düsseldorf, eine stilisierte Tafel mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung auf dem Arm. Die ist von 1776 und somit elf Jahre älter als die amerikanische Verfassung. Aber was versteht man in Düsseldorf von Unabhängigkeit? Offensichtlich nicht sehr viel. Viel wichtiger ist doch, dass man sein Handeln auf Recht und Gesetz gründen kann. Am besten natürlich auf die Verfassung. Es ist schon irgendwie symptomatisch für den deutschen Wahn, wenn ausgerechnet jenes Volk, das zwei Weltkriege und einen Holocaust angezettelt und durchexerziert hat, den Amerikanern die Demokratie erklären will, zum krönenden Abschluss.

 

Nun kann man natürlich der Meinung sein, es ist doch nur ein Karnevalswagen und Düsseldorf ist wahrlich nicht der Nabel der Welt. Aber erstens ist dieser Wagen nur die Spitze des Eisberges und zweitens ist Düsseldorf in seiner gepflegten Langeweile und erlesenen Mittelmäßigkeit geradezu der städtische Präzedenzfall für die gesamte Bundesrepublik. Deshalb finde ich es keineswegs belanglos, wenn man sich dort nicht trotz, sondern gerade wegen der Abgründe der deutschen Geschichte aufs moralisch hohe Ross schwingen will.

 

Dieser politische Missbrauch des Holocausts ist in der Zeit seit der Wiedervereinigung geradezu zur Staatsraison geworden und wird sowohl vom Staatsfunk als auch von Qualitätsmedien propagiert. Er basiert auf der Annahme, wer einmal ganz besonders amoralisch war, hat sich dadurch für alle Zeiten als Moralweltmeister qualifiziert, dass er eine zweckdienliche „Auseinandersetzung mit der Vergangenheit“ betrieben hat - als Fortsetzung des Standortmarketings mit anderen Mitteln.

 

Doch zurück zu diesem fürchterlich lustigen Karnevalswagen mit der Düsseldorfer Freiheitsstatue, die Donald Trump einen Kopf kürzer gemacht hat. Mr. Trump genießt aus Sicht des Düsseldorfer Festumzugs offensichtlich keinen Schutz für seine Menschenrechte und dessen vorzüglichstes ist es nun mal, am Leben zu bleiben. Vielmehr macht diese Freiheitsstaue aus Sicht der Verantwortlichen sogar etwas richtig, denn „wehrt euch“ lautet die Parole. Es handelt sich also um keinen Spaß, sondern um eine Aufforderung zum Tyrannenmord.

 

Nun ist Tyrannenmord nicht bloß eine feine Sache, sondern manchmal schlicht und einfach jene Notwendigkeit, die im Deutschland des Faschismus jeden Tag bestand. Damals kam es nur zu einem nennenswerten und ein paar verpatzten dahingehenden Versuchen (wenngleich nicht in Düsseldorf). Um vom historischen Versagen abzulenken und von dessen Folgen nicht behelligt zu werden, bietet es sich an, jeden zum neuen „Hitler!“ zu erklären, der sich nicht schnell genug einen deutschen Schäferhund und einen albernen Oberlippenbart zulegen kann. Anything goes - so ist das auch in Düsseldorf.

 

Für und Wider des Tyrannenmordes wurden von Plutarch, Cicero und Senecca argumentativ und rhetorisch verhandelt. Plato, Aristoteles und später Thomas von Aquin widmeten sich dem Thema mit unterschiedlichem Ergebnis. In einem Punkt waren die Herren einer Meinung: Die erfolgreiche Durchführung eines Tyrannenmordes setzt die Existenz eines Tyrannen voraus.

 

Der Düsseldorfer Fall hingegen zeigt den Wunsch als Vater des Gedankens. Das heißt: Er ist nur als Selbstauskunft relevant. Selbstverständlich informiert dieser „politische“ Karnevalswagen über keine objektive, sondern über eine subjektive Realität. Er ist ein öffentliches Selbstgespräch. Und ich muss sagen, dass ich die Artisten für ihren Mut zu Selbstblamage nicht beneide. Denn wenn man in Trump einen Tyrannen sieht, dann kann es nur an der eigenen Wahrnehmung liegen. Und dann sollte man sich als Wagen-Macher mit psychologischen Ferndiagnosen zurückhalten.

 

Donald Trump ist und bleibt der demokratisch gewählte 45. US-Präsident, ob es irgendwelchen Spinnern aus Germany nun in den Kram passt, oder nicht. Und wer noch einmal darüber die Leier anstimmt, dass Trump „aber weniger als die Hälfte der Stimmen“ hatte, der muss die Namen aller Bundestagsabgeordneten auswendig lernen, die ihren Wahlkreis mit weniger als 50% errungen haben. Es ist auch nach dem deutschen Wahlrecht völlig legal, im Bundestag über eine Mehrheit der Sitze zu verfügen, ohne von der absoluten Mehrheit der Wählerinnen und Wähler gewählt worden zu sein. Stichwort: 5% Hürde.

 

Ja, liebe Linke: Fakten. Das sind diese Dinger, von denen man so schreckliche Kopfschmerzen bekommt, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzt.   

 

 

 

Foto: Rosenmontagsumzug 2003 - als der Umzug noch lustig war (Foto: von Original: Dickbauch in der Wikipedia auf Deutsch Modifications: Cornischong in der Wikipedia auf Luxemburgisch [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons)


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Donnerstag, 02 März 2017