Warum müssen sich Frauen zwischen Feminismus und Zionismus, aber keinem anderen `ismus´ entscheiden?

Warum müssen sich Frauen zwischen Feminismus und Zionismus, aber keinem anderen `ismus´ entscheiden?


Am 8. März legten Frauen im Rahmen des Internationalen Frauenstreiks (International Women's Strike, IWS) – einer feministischen Basisbewegung mit dem Ziel, "auf die aktuelle soziale, legale, politische, moralische und verbale Gewalt, wie sie von modernen Frauen in unterschiedlichen Teilen der Welt erlebt wird" hinzuweisen – ihre Arbeit nieder. Diese positiven Ziele wurden jedoch durch die Einbeziehung anti-israelischer Rhetorik auf der Plattform des IWS verzerrt.

Warum müssen sich Frauen zwischen Feminismus und Zionismus, aber keinem anderen `ismus´ entscheiden?

von Prof. Dr. lan M. Dershowitz, Gatestone Institute

 

Viele Länder und Bewegungen auf der ganzen Welt behandeln Frauen als Bürger zweiter Klasse: Israel gehört nicht dazu. Und doch wählt diese Plattform für seine Verurteilung einzig und allein Israel, den Nationalstaat des jüdischen Volkes, aus. Es gibt ein Wort für dieses Messen mit zweierlei Mass, wenn es um Juden geht. Dieses Wort lautet: Antisemitismus.

 

Es ist eine Tragödie, dass diese Frauenbewegung – die so viel Gutes getan hat, indem sie die erneute Aufmerksamkeit auf wichtige Frauenthemen in den USA lenkte (von Gewalt gegen Frauen, bis hin zu reproduktiven Rechten und gleichen Löhnen) – nun von ihrer zentralen Mission abgerückt ist und keine Mühe scheut, um eine ausländische Nation herauszugreifen, indem sie zur "Entkolonialisierung Palästinas" aufruft. Nicht etwa Tibets. Oder Kurdistans. Oder der Ukraine. Oder Zyperns. Einzig und allein Palästinas.

 

Die auf der Internetseite des IWS unter der Überschrift "Anti-rassistischer und anti-imperialistischer Feminismus" veröffentlichte Plattform verkündet weiter: "Wir wollen alle Mauern einreissen, von Gefängnismauern bis hin zu Grenzmauern, von Mexiko bis Palästina." Die Mauern, die Schwule im Iran, Dissidenten in China, Feministen in Gaza oder Kurden in der Türkei gefangen halten, werden jedoch mit keinem Wort erwähnt. Ausschliesslich die Mauern, die von Israel errichtet wurden.

 

Israels Siedlungs- und Besatzungsstrategien zu kritisieren, ist mittlerweile ein allseits beliebter Sport. Wenn allerdings Israel mit einem Aufruf zur "Entkolonisierung" herausgepickt wird, obwohl es wiederholt angeboten hat, einen palästinensischen Staat im Westjordanland und Gaza zu errichten, während andere Länder nach wie vor andere besiedeln, kann dies nur damit erklärt werden, dass Juden und deren Staat mit zweierlei Mass gemessen werden.

 

Linda Sarsour, eine palästinensische Amerikanerin, die bei der Organisation des Frauen-Marschs nach Washington im Januar mithalf, reagierte auf die Kritik an den Anti-Israel-Vorwürfen auf einer feministischen Plattform. In einem Interview auf der Internetseite The Nation sagte Sarsour Folgendes:

 

"Wenn wir über Feminismus reden, dann reden wir über das Recht aller Frauen und ihrer Familien, ein Leben in Würde, Frieden und Sicherheit zu führen. Es geht darum, Frauen den Zugang zur Gesundheitsversorgung und anderen Grundrechten zu gewährleisten. Und Israel ist ein Land, das weiterhin Gebiete in Palästina besetzt und Menschen an Kontrollpunkten festhält – Frauen haben schon Babys an solchen Kontrollpunkten bekommen, da sie nicht [rechtzeitig] in ein Krankenhaus gelangen konnten. Es macht einfach für niemanden Sinn zu sagen: 'Können wir Leute brauchen, die den Staat Israel unterstützen und ihn innerhalb der Bewegung nicht kritisieren?' Das darf es im Feminismus nicht geben. Entweder steht man für die Rechte aller Frauen – einschliesslich Palästinenserinnen – ein oder für keine. Daran führt kein Weg vorbei."

 

Sarsour reagierte damit direkt auf einen von Emily Shire, der Politik-Redakteurin der Online-Newssite Bustle, veröffentlichten Op-ed-Artikel. In ihrem in der New York Times publizierten Artikel fragte Shire, warum zunehmend Frauen zwischen ihrem Zionismus und dem Feminismus wählen müssen. Sie schrieb:

 

"Meine Hauptsorge ist nicht, dass Menschen dieses Bild von Israel haben. Was ich viel befremdlicher finde, ist, dass das Vertreten einer solchen Ansicht als ein essentieller Teil einer Veranstaltung betrachtet wird, die eigentlich dazu gedacht ist, Feministen zu vereinen. Ich diskutiere gerne über die Politik im Nahen Osten und habe auch kein Problem damit, mir Kritik an der Politik Israels anzuhören. Warum jedoch sollte im Jahr 2017 Israel-Kritik der Grundstein des Feminismus sein?"

 

Israel ist wie jedes Land, einschliesslich unseres eigenen, weit davon entfernt, perfekt zu sein – und ich sowie andere Unterstützer Israels haben dessen Mängeln schon immer kritisch gegenüber gestanden – doch sein Engagement für Gleichstellung kann bis zu seiner Unabhängigkeitserklärung zurückverfolgt werden, in der festgestellt wird, dass Israel "all seinen Einwohnern, ungeachtet ihrer Religion, Rasse oder Geschlechtszugehörigkeit, die vollkommene Gleichheit aller sozialen und politischen Rechte garantiert." Als einzige Demokratie im Nahen Osten sorgte Israels Rechtssicherheit des Individuums dafür, dass Frauen in allen Bereichen der israelischen Gesellschaft zentrale Funktionen innehaben. Israel wählte den ersten weiblichen Regierungschef in der Geschichte – Golda Meir – die nicht verwandt mit einem männlichen politischen Anführer war. Es gibt keine legitime Begründung dafür, Israel herauszugreifen und an den Pranger zu stellen – wie es die Plattform tut – und zwar wegen der angeblichen Verweigerung von "Grundrechten" für Frauen.

 

Sarsour stellt uns vor ein Dilemma. Nach ihren eigenen 'Ganz oder gar nicht'-Kriterien kann sie selbst nicht pro-palästinensisch und gleichzeitig Feministin sein, denn die Palästinensische Autonomiebehörde und die Hamas behandeln Frauen und Homosexuelle wesentlich schlechter als Israel dies tut. Wenn es Sarsour tatsächlich darum ginge, die strukturellen Ursachen aller Formen der Unterdrückung von Frauen anzugehen, dann würde sie auch den Status der Frauen im von der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrollierten Westjordanland erwähnen. Es ist erst wenige Monate her, da wurden die Namen und Fotos der weiblichen Kandidatinnen für die Kommunalwahl von Plakaten und Listen entfernt. Stattdessen bezog man sich auf die Frauen als "Frau von" oder "Schwester von". Sarsour würde dann ebenfalls den unter der Kontrolle der Hamas stehenden Gazastreifen nennen, wo sich die Polizei mittlerweile verselbständigt hat und als Richter, Geschworene und Urteilsvollstrecker in einer Person gegen jene fungiert, die sich offen gegen ihre Unterdrückung und Frauenfeindlichkeit äussern. Sie würde die in so vielen muslimischen Ländern tolerierte, um nicht zu sagen akzeptierte Praxis der "Ehrenmorde" und Genitalverstümmelung von Frauen verurteilen. Stattdessen missbraucht die IWS-Plattform die feministische Sache, um ausschliesslich eine Nation zu delegitimieren und zu dämonisieren: die des jüdischen Volks.

 

Des Weiteren versäumt es Sarsour, die Tatsache zu erwähnen, dass eine der Organisatorinnen des Streiks, Rasmea Odeh, ein Mitglied der Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP) war. Sie wurde für ihre Mittäterschaft bei einem Terroranschlag im Jahr 1969 in einem Supermarkt in Jerusalem, bei dem zwei Universitätsstudenten getötet und neun weitere, darunter mehrere Frauen, verletzt wurden, von einem israelischen Militärgericht für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Im Rahmen eines Gefangenenaustauschs kam Odeh später frei, in den Vereinigten Staaten ist jedoch immer noch ein Gerichtsverfahren gegen sie anhängig.

 

Diese Doppelmoral spiegelt einen allgemeinen Trend in der Politik der extremen Linken wider. Zunehmend befleissigen sich Gruppen wie Black Lives Matter, MoveOn, Code Pink und Occupy Wallstreet der Intersektionalität – einer radikalen akademischen Theorie, die besagt, dass alle Formen der sozialen Unterdrückung untrennbar miteinander verknüpft sind – als Mittel zur Untermauerung ihres Anti-Israel-Aktivismus. Diese Art der selektiven ideologischen Verpackung hat liberale Unterstützer Israels in eine zunehmend unbequeme Lage gebracht. Auf der einen Seite liegen ihnen Themen wie die Rechte der Frau, Strafrechtsreform, Einkommensungleichheit, Umweltschutz und die Rechte von Schwulen und Lesben sehr am Herzen. Auf der anderen Seite werden sie von genau den Gruppen, die sich für diese Themen engagieren, ausgeschlossen – es sei denn, sie sind dazu bereit, Israel zu delegitimieren und den Zionismus als die nationale Befreiungsbewegung des jüdischen Volks zu denunzieren.

 

Die Bekämpfung der strukturellen Ursachen des Sexismus in den Vereinigten Staaten wird mehr erfordern, als Israel an den Pranger zu stellen – dazu werden weitreichende rechtliche und von der Basis ausgehende Aktivitäten notwendig sein. Indem er die Diskussion über Frauenrechte in eine polemische Debatte gegen Israel verwandelt, sorgt der International Women's Strike dafür, dass der Fortschritt der feministischen Sache sogar noch weiter erschwert wird. Alle anständigen Menschen sollten weiterhin für den absolut gleichen Status der Frau in der Gesellschaft kämpfen. Wir sollten jedoch nicht dazu gezwungen werden, als Vorbedingung zur Unterstützung der allgemeinen feministischen Bewegung, an der Förderung anti-israelischer Bigotterie mitschuldig zu werden.

 

Die wahre Entscheidung, die jetzt von allen getroffen werden muss, denen der Feminismus am Herzen liegt, ist, ob sie Sarsour und ihren radikalen, anti-israelischen Verbündeten gestatten wollen, die Bewegung zu übernehmen und zu missbrauchen, um ihre eigenen bigotten Ansichten zu fördern. Die Alternative ist, den Fokus des Feminismus auf zentralen Themen zu halten, die alle Frauen betreffen, und Länder und Bewegungen anzuklagen, die die Rechte der Frau ernsthaft verletzen, anstatt die eine jüdische Demokratie herauszugreifen – Israel.

 

 

 

Professor Alan M. Dershowitz ist Inhaber des Felix Frankfurter-Lehrstuhls für Rechtswissenschaften, emeritierter Professor und Autor des Buchs "Taking the Stand: My Life in the Law and Electile Dysfunction." - Übersetzt von Audiatur Online / Foto: Israel wählte den ersten weiblichen Regierungschef in der Geschichte – Golda Meir – die nicht verwandt mit einem männlichen politischen Anführer war. (Foto Teddy Brauner, 24. Juli 1950, GPO)


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Dienstag, 04 April 2017