Türkei: Das Ergebnis war vorhersehbar

Türkei: Das Ergebnis war vorhersehbar


Für jeden aufrechten Europäer sollte die Antwort auf der Hand liegen: Hayir! Hand in Hand mit jenen, die in der Türkei niemals eine wirkliche Chance hatten, den Alleinherrschaftsanspruch des Möchtegern-Sultans aufzuhalten.

Türkei: Das Ergebnis war vorhersehbar

von Tomas Spahn


Haat tatsächlich jemand daran geglaubt, dass bei der Abstimmung über Erdogans Präsidialdiktatur etwas anderes als das „evet“ herauskommen würde? Die Chancen zwischen Erdogan-Freunden und Erdogan-Gegner waren zu keinem Zeitpunkt gleich. Der Mann, der sich im Auftrag seines Allahs wähnt, hatte seit Jahrzehnten genau auf dieses „evet“ hingearbeitet. Das Ergebnis war noch nicht amtlich, da bezeichnete sich Erdogan schon als Sieger und Ministerpräsident Yildirim hielt eine triumphierende Balkonrede. Was ist in einem solchen Land auch ein „amtliches“ Wahlergebnis? So etwas brauchen Sultane nicht wirklich.

 

Erst gelang ihm auf den Grundlagen der Wirtschaftsreformen seiner Vorgänger wie Tansu Ciler ein kleines Wirtschaftswunder, welches ihm die Unterstützung der „kleinen Leute“ bis heute sichert. Dann enthauptete er politisch gemeinsam mit seinem damaligen Verbündeten Fethullah Gülen das säkulare Militär, übernahm die Organe der Justiz. Proteste vor allem junger, liberaler Bürger ließ er brutal niederschlagen – deren Kommunikationswege über das Internet kappen. Kritische Medien wurden drangsaliert und Stück für Stück unter Erdogans Kontrolle gebracht.

 

Als sein früherer Verbündeter Gülen über seiner Bewegung angehörende Staatsanwälte die Korruption des Erdogan-Clans ans Licht zerrte, setzte Erdogan alles daran, die Justizorgane mit seinen eigenen Getreuen zu besetzen. Der herbeigeputschte Staatsstreich, dramatisch inszeniert, gab Erdogan die Instrumente in die Hand, nun auch mit der Anhängerschaft Gülens aufzuräumen. Mittlerweile nicht mehr zu zählende Personen, die Erdogan als Gefahr für seine Machtposition sah, wurden entlassen oder verschwanden in den Verließen des neuen Osmanenreichs. Die letztverbliebenen unabhängigen Journalisten flohen entweder aus dem Land – oder sitzen ebenso ein wie Doppelpassler Deniz Yücel, den Erdogan offiziell zur Staatsgeisel gegen Deutschland erklärt hat.

 

Schon lange keine Freiheit mehr

 

Frei war diese Türkei schon lange nicht mehr. Erdogan regierte nach der Inszenierung auf der Bosporusbrücke im Ausnahmezustand, räumte die parlamentarische Opposition ab und fuhr den Krieg gegen die eigene, kurdische Bevölkerung wieder hoch. Der Despot braucht Feindbilder, um seine genetischen Anatolier, die sich wie kaum eine andere Bevölkerung ihren turkmenisch-islamischen Eroberern unterworfen und assimiliert haben, hinter sich zu einen. Christliche Armenier, Kurden gleich welcher Konfession, Deutsche, Niederländer, die christlichen Europäer  – für den „Erdowahn“ in Ankara ist jeder Verräter, Feind, Nazi, der sich seinem Willen nicht willenlos unterwirft.

 

Wie bereits bei der letzten halbwegs freien Parlamentswahl der Türkei sammeln sich Klagen über Behinderungen und Manipulationen. Im kurdischen Diyarbakir sollen Wahlbeobachter der prokurdischen HDP und der säkularen CHP gleich aus dem Abstimmungslokal in Haft genommen worden sein. Andernorts wurden die Abstimmenden gezwungen, ihr Kreuz offen zu machen. Der Geheimdienst dürfte daneben gestanden haben und die wenigen, mutigen „Hayir“-Stimmer auf seine schwarzen Listen gesetzt haben. Und dann sind da ja auch noch die angeblich knapp 700.000 Stimmen der in Deutschland lebenden Türken, die offenbar den Absprung nicht finden. Auf welchen dunklen Pfaden diese Zettel den Weg nach Ankara gefunden haben – unbekannt. Wer daran wie manipulieren konnte, nicht minder.

 

Zurück in den islamisch-despotischen Schoß

 

Erdogan hätte ein Idiot sein müssen, um die Abstimmung zu verlieren. Wer alle Instrumentarien von Repression und Manipulation in der Hand hat, verliert kein Referendum, das ihn zum Alleinherrscher macht.  Daran ändern auch Umfragen nichts, die bis kurz vor der Abstimmung ein wachsendes „Nein“-Lager sehen wollten.

 

Erdogan hat damit nun den Schritt vollzogen, auf den er seit Jahrzehnten hinarbeitet. Die unter Atatürk gen Westen, nach Europa ausgerichtete Türkei kehrt zurück in den totalitär-islamischen Schoß ihrer Geschichte.  Einhundert Jahre Modernisierung sind gescheitert – und der militante Islam ist nun von Teheran aus dem lahmenden, wehrunfähigen Europa einen großen Schritt näher gekommen.

Die Wahlergebnisse in den türkischen Gemeinden sprechen Bände.

 

 

 

Erstveröffentlicht bei Tichys Einblick, zweitveröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.- Foto: Der "Größte Osmane aller Zeiten" (GröOaZ) zusammen mit dem russischen Präsidenten Putin (Foto: Kremlin.ru [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0) oder CC BY 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0)], via Wikimedia Commons)© Sascha Schuermann/Getty Images)


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Montag, 17 April 2017