Antisemitismus-Definition hilft bei der Entlarvung von Antisemiten enorm

Antisemitismus-Definition hilft bei der Entlarvung von Antisemiten enorm


Im Mai 2016 nahm die Internationale Holocaust-Gedenkallianz (IHRA[1]) eine Arbeitsdefinition für Antisemitismus an.

Antisemitismus-Definition hilft bei der Entlarvung von Antisemiten enorm

von Dr. Manfred Gerstenfeld

 

Dazu war die Zustimmung all ihrer 31 Mitgliedstaaten nötig, zu denen die Vereinigten Staaten, Kanada und 24 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gehören. Der angenommene, rechtlich nicht bindende Text listet neben der Definition des Antisemitismus auch eine Reihe von Beispielen dafür auf. Aus ihrer Anwendung in den letzten Monaten sind bereits das Potenzial der Definition im Kampf gegen Antisemitismus sowie mehrere ihre Defizite erkennbar.

 

Die Ankündigung von Premierministerin Theresa May, dass das Vereinte Königreich die IHRA-Definition übernehmen wird, hat der Definition enormen Schub gegeben. Sie soll von der Polizei, Führungsgremien, Universitäten und öffentlichen Gremien verwendet werden, um diesen bei der Entscheidung zu helfen, ob ein Vorfall antisemitisch ist oder nicht. Die britische Polizei verwendet sie bereits für solche Zwecke. Die Entscheidung der Briten zur innenpolitischen Nutzung Definition hat hoffentlich einen Präzedenzfall geschaffen, dem andere Länder folgen werden.

 

Es gibt drei wichtige Bereiche, in denen wir bereits sehen können, dass die Definition bei der Identifizierung antisemitischer Taten und Verleumdungen helfen kann. Der Text der Definition sagt zum Beispiel, dass es antisemitisch ist „zweierlei Maß zu verwenden, wenn man von ihm [Israel] ein Verhalten verlangt, das von keinem andren demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird“. Man kann damit maßgeblich geltend machen, dass die Unterstützung von BDS, das sich ausschließlich auf Israel und/oder die umstrittenen Gebiete konzentriert, antisemitisch ist.

 

Ein zweiter Bereich, in dem die Brauchbarkeit der Definition demonstriert worden ist, untersucht antisemitische Äußerungen von Einzelpersonen. Ich wurde von der deutschen Partei AfD gebeten eine Stellungnahme zu einer Reihe Äußerungen von Wolfgang Gedeon zu schreiben, einem ihrer Abgeordneten im Landtag von Baden-Württemberg. Ich nutzte die IHRA-Definition um zu beweisen, dass seine Äußerungen in der Tat antisemitisch waren. Ein deutscher Experte kam zu demselben Ergebnis. Gedeon wurde daraufhin vom damaligen Parteichef der AfD überzeugt die Fraktion zu verlassen.

 

Gleichermaßen zeigt eine Analyse der Äußerungen zu Israel Baroness Jenny Tonge, Mitglied des britischen Oberhauses, dass viele davon antisemitische Verleumdungen sind, die von der Definition abgedeckt werden. Eine Analyse der Äußerungen des ehemaligen linken Abgeordneten George Galloway erbrachte dasselbe Ergebnis.

 

Man hört oft die Behauptung, dass Juden und Israelis keine Antisemiten sein können. Um das Gegenteil zu beweisen, muss man nur viele Äußerungen des in Großbritannien lebenden ehemaligen Israelis Gilad Atzmon analysieren. Ein Beispiel für einen antisemitische Verleumdungen äußernden christlichen Geistlichen ist Jeremiah Wright, sowohl in der Zeit, als er protestantischer Prediger einer großen Kirche in Chicago war, als auch jetzt im Ruhestand.

 

Eine dritte wichtige Nutzung der Definition kann die Untersuchung von Antisemitismus in politischen Parteien, Universitäten, Gewerkschaften, NGOs und so weiter sein. Man kann auch Berichte zu Ermittlungen zu Antisemitismus an solchen Orten analysieren, um zu sehen, ob ihre Ergebnisse in die IHRA-Definition passen.

Eine solche weithin verbreitete Ermittlung war die, die von Shami Chakrabarti durchgeführt wurde; sie ist seitdem auf Ersuchen des linksextremen Parteichefs der Labour Party, Jeremy Corbyn, zur Baroness erhoben geworden. Er bat sie zu untersuchen, ob es in der Partei Antisemitismus, Islamophobie oder Rassismus gibt.

Chakrabarti bat anfänglich um schriftliche Vorschläge aus der Öffentlichkeit. Das Board of Deputies – die britische jüdische Dachorganisation – riet ihr die IHRA-Definition zu verwenden. Ich machte ihr in einem offenen Brief denselben Vorschlag. Doch Chakrabati hielt es für angebracht keinerlei Antisemitismus-Definition zu verwenden. Danach war es leicht die höchst unprofessionelle Natur ihres Berichts nachzuweisen.

Eine weitere Untersuchung von Antisemitismus wurde an der City University of New York (CUNY) durchgeführt. Die Ermittler nutzten keine Definition und erstellten einen sehr mangelhaften Bericht.

 

Eine Definition, der 31 Länder zustimmen mussten, muss zwangsläufig prägnant sein. Die Praxis der Anwendung der Definition hat gezeigt, dass sie in vielen Belangen viel zu kurz greift, insbesondere denen mit Bezug auf Israel. Man findet zum Beispiel oft Antisemiten, die Begriffe wie „zionistische“ – die in der IHRA-Definition nicht ausdrücklich erwähnt wird – statt „jüdische“ Verschwörung benutzen. Ein weiterer wichtiger antisemitischer Irrtum, der nicht in der IHRA-Definition angesprochen wird, ist die Verwendung falscher moralischer Äquivalenz gegenüber Israel.

 

Darüber hinaus werden einige antisemitische Taten auf indirekte Weise ausgeführt. Der vielleicht extremste antisemitische Vorfall des Jahres 2016 war die Annahme einer Resolution durch die UNESCO, die den Tempelberg ausschließlich als Al-Haram Al-Scharif/Al-Aqsa-Moschee bezeichnet. Damit spaltet sie Juden und Christen von der Bedeutung Jerusalems für ihre Religionen ab.

 

Noch ein weiteres Beispiel: Zur UNO gehörende Gremien ernennen Kommissionen mit unausgewogenen Aufträgen zur Untersuchung israelischen Tuns in Militärkampagnen. Das ist durch das Beispiel des „zweierlei Maßes“ der IHRA-Definition abgedeckt. Diese Kommissionen schreiben dann höchst diffamierende Berichte über Israel. Das war zum Beispiel bei der Goldstone-Kommission der Fall. Selbst der Leiter der Kommission, der Richter Richard Goldstone, kritisierte seinen Bericht später. Diese und viele weitere Beispiele zeigen, dass eine zusätzliche, konkrete Definition des antiisraelischen Antisemitismus erforderlich ist.

 

 

Dr. Manfred Gerstenfeld ist der emeritierte Vorsitzende des Jerusalem Center for Public Affairs. Ihm wurde vom Journal for the Study of Antisemitism der Preis für sein Lebenswerk und vom Simon Wiesenthal Center der International Leadership Award verliehen. Er ist Autor u.a. bei der Tageszeitung The Jerusalem Post und beim israelischen Nachrichtensender Arutz Sheva.

 

[1] International Holocaust Remebrance Alliance

 

 

Erstveröffentlicht bei Heplev


Autor:
Bild Quelle:


Dienstag, 16 Mai 2017