Rückblick auf Netanyahus Ungarn-Besuch

Rückblick auf Netanyahus Ungarn-Besuch


Premierminister Benjamin Netanyahus Staatsbesuch in Budapest vor kurzem - dem ersten eines israelischen Premierministers seit dem Sturz des Kommunismus - erhielt viel internationale Aufmerksamkeit.

Rückblick auf Netanyahus Ungarn-Besuch

von Dr. Manfred Gerstenfeld

 

Die Medien berichteten von seinen Treffen mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán sowie mit den Anführern der Länder der Visegard-Gruppe Ungarn, Polen, der Tschechischen Republik und der Slowakei. Allerdings konzentrierten die Medien sich in ihrer Berichterstattung nicht auf die wichtigsten Themen.

Orbán ist Parteichef die Mitte-Rechts-Partei Fidesz. Er erklärte in einer öffentlichen Äußerung nach dem Treffen mit Netanyahu, dass Ungarn gesündigt hatte, als es während des Zweiten Weltkriegs mit Nazideutschland kooperierte und die Juden nicht beschützt hatte.[1] Er sagte auch, dass Ungarn zukünftig alle seine Bürger beschützen würde.[2] Dennoch rühmte Orbán in der jüngsten Vergangenheit den langjährigen ungarischen Führer Miklos Horthy, einen Verbündeten Hitlers.[3]

 

Orbáns Äußerung zur Holocaust-Schuld seines Landes war politisch sowohl für ihn als auch für seine Partei wichtig. Solch ein Eingeständnis ungarischer Holocaust-Schuld war nichts Neues. Mehrere ungarische Premierminister, darunter Gyula Horn,[4] Péter Medgyessy[5] und Ferenc Gyurcsany[6] haben die Kriegsverbrechen zugegeben oder Entschuldigungen ausgesprochen.

 

In einer Studie aus dem Jahr 2013 erklärten 91% der jüdischen Ungarn, dass der Antisemitismus im Verlauf der vergangenen fünf Jahre zugenommen hat, ein höherer Prozentsatz als in den sieben anderen untersuchten Ländern. Neunzig Prozent der ungarischen Juden betrachteten Antisemitismus als ein Problem ihres Landes.[7] Der Antisemitismus hat seitdem nicht nachgelassen. Die rechtsextreme und antisemitische Partei Jobbik erzielte bei den Wahlen 2014 20% der Stimmen.[8] Ihr Parteichef Gabor Vona versucht jetzt die Partei etwas Richtung Mitte zu steuern, um vor den nächsten Wahlen im Jahr 2018 ein ernsthafter Konkurrent für Fidesz zu werden.[9]

Länder ändern ihre Kultur nicht leicht. Ungarn hat eine lange Geschichte des Antisemitismus, die viele Jahre vor ihre Kollaboration mit den Deutschen während des Holocaust zurückreicht.[10] Die kommunistischen Nachkriegsregime unterdrückten den Antisemitismus. Nach ihrem Sturz 1989 feierte er bald fröhliche Urstände. Doch obwohl es extremen verbalen Antisemitismus gibt, ist er größtenteils nicht gewalttätig geworden.[11] Das könnte sich aber auch ändern. Wie in den meisten europäischen Ländern müssen in Ungarn lebende Juden erkennen, dass der Antisemitismus ein integraler Bestandteil der europäischen Kultur ist. Seine Intensität variiert von Land zu Land. Und obwohl er bekämpft werden muss, ist der Antisemitismus viel zu sehr eingebettet, um ausgelöscht zu werden.

 

Die Plakat-Kampagne der ungarischen Regierung gegen den amerikanischen Milliardär George Soros hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Er wirbt für die Ansiedlung von Nahost-Flüchtlingen in Ungarn und anderen europäischen Ländern. Soros‘ Politik wird von der ungarischen Regierung als feindselig betrachtet.[12] Die Kampagne der Regierung wird auch von Antisemiten ausgenutzt, die Graffiti auf Werbetafeln malten. Im Ergebnis waren Ungarns Juden besorgt, dass die Kampagne von Antisemitismus umgeben werden könnte.

 

Manche Juden forderten Netanyahu auf seinen Besuch abzusagen. Ein israelischer Premierminister trifft viele Führungspolitiker, ohne dass dies andeutet, dass er mit ihrer gesamten Politik übereinstimmt. Netanyahu besuchte zum Beispiel die Niederlande. Das heißt nicht, dass er mit der fortgesetzten Weigerung der derzeitigen Regierung übereinstimmt zuzugeben, dass ihre Vorgänger während des Zweiten Weltkriegs gegenüber den Juden versagten. Genauso wenig muss Netanyahu die dortige massive, unkontrollierte Immigration durch Menschen aus muslimischen Ländern gut heißen, in denen Antisemitismus grassiert. Diese Immigration ist die seit dem Holocaust größte Bedrohung niederländischer Juden und Israels in dem Land.

 

Das ist nicht der einzige Besorgnis erregende Aspekt der niederländischen Wirklichkeit in Sachen Israel. Eine Studie der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2011 stellte fest, dass fast 30% der Niederländer der Äußerung „Israel führt einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser“ zustimmten .Die Zahl für Ungarn war mit 41% nicht viel anders.[13]

 

Der israelische Botschafter in Ungarn sprach sich gegen den Antisemitismus aus. Das israelische Außenamt erklärte die israelische Haltung in einer Erklärung, von der es sagte, sie solle „in keiner Weise die Kritik an George Soros delegitimieren, der Israels demokratisch gewählte Regierungen ununterbrochen untergräbt, indem er Organisationen finanziert, die den jüdischen Staat diffamieren und versuchen sein Recht auf Selbstverteidigung zu bestreiten“.[14]

 

Was das Treffen mit den Regierungschefs der Visegard-Länder angeht, konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Medien auf die scharfen Bemerkungen Netanyahus über Europa, der nicht erkannte, dass ein Mikrofon eingeschaltet war. Teile dieser Bemerkungen waren inhaltlich korrekt, selbst wenn sie anders formuliert worden wären, hätte er gemerkt, dass seine Äußerungen nicht mehr vertraulich waren.[15]

 

Der Grad des Antisemitismus in den Visegrad-Ländern variiert. 2014 stellte eine Studie der ADL in einer Reihe von Ländern 11 grundlegende Fragen zu klassischen antisemitischen Einstellungen. Sie fand heraus, dass 45% der Polen antisemitische Einstellungen hegen. In Ungarn betrug dieser Anteil 41%, in der Tschechei 13%. Für die Slowakei sind keine Daten verfügbar. Gefragt, ob Juden immer noch zu viel von dem sprechen, was ihnen im Holocaust widerfuhr, antworteten 62% der Polen mit Ja; bei den Ungarn stimmten 61% zu. 44% der tschechischen Bürger bejahten dieselbe Frage.[16]

 

2004 interviewte ich Mark Sofer, den stellvertretenden Generaldirektor des israelischen Außenministeriums. Damals waren die Visegrad-Länder gerade der EU beigetreten. Er sagte: „Die gängige Meinung sagt uns, dass der Beitritt dieser Länder zur EU für Israel positiv ist. Ausnahmsweise könnte die gängige Meinung durchaus recht haben.“[17] Das hat sich in der Tat als richtig erwiesen. Diese und andere zentraleuropäischen Länder unterstützen Israel oft in einer politisch regelmäßig feindlichen EU. Sie sind zudem für israelische Investoren wichtig.

Ein weiterer Grund, dass diese Länder nicht nur für Israel, sondern auch für europäische Juden wichtig sind, besteht darin, dass sie sich gegen Immigration stellen. Diese Immigranten sind zu einem großen Teil Muslime aus dem Nahen Osten. Brüssel und die Führer der europäischen Länder wissen sehr wohl, dass die meisten muslimischen Immigranten von Kind auf mit extrem antisemitischer Propaganda indoktriniert worden sind. Ein Berater des Europäischen Gerichtshofs will, dass die Anfechtung der Entscheidung des Europarats zurückgewiesen wird, dass EU-Mitglieder viele Asylsuchende aufnehmen müssen.[18]

 

Doch die Führer der EU kümmert das nicht. Anständig wäre es die muslimischen Immigranten nach Europa zu überprüfen, damit diese sogenannten liberalen Demokratien keine antisemitischen Immigranten aufnehmen. Da dies nicht gemacht wird, ist die Politik der Visegrad-Länder vorzuziehen keine Immigranten anzunehmen. So wird es in der Zukunft zumindest ein paar europäische Länder geben, in denen muslimische Hassverbreiter keine herausragende Rolle spielen werden.

 

 

[1] www.jpost.com/Israel-News/Politics-And-Diplomacy/Hungarian-PM-to-Netanyahu-We-have-zero-tolerance-of-antisemitism-500042

[2] www.jpost.com/Israel-News/Politics-And-Diplomacy/Hungarian-PM-to-Netanyahu-We-have-zero-tolerance-of-antisemitism-500042

[3] www.timesofisrael.com/israel-accepts-hungarys-clarification-over-pms-praise-for-nazi-allied-wwii-leader/

[4] Efraim Zuroff: Eastern Europe: Anti-Semitism in the Wake of Holocaust-Related Issues. Jewish Political Studies Review, Bd. 17, Nr. 1–2 (Frühjahr 2005), S. 63–79.

[5] Yifat Bacharach: Hungary Pledges to Search for Names of Holocaust victims. Yad Vashem Magazine, 34, 2004.

[6] www.dw.com/en/march-of-living-marks-holocaust/a-1575086

[7] http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2013-discrimination-hate-crime-against-jews-eu-member-states-0_en.pdf, page 16

[8] www.independent.co.uk/news/world/europe/concerns-as-neo-nazi-jobbik-party-wins-20-of-hungary-vote-9244541.html

[9] www.bbc.com/news/world-europe-37976687

[10] http://jcpa.org/article/anti-semitism-in-hungary/

[11] www.bbc.com/news/world-europe-37976687

[12] www.jta.org/2017/07/09/news-opinion/israel-middle-east/israel-not-defending-soros-in-denouncing-campaign-against-him-foreign-ministry-clarifies

[13] library.fes.de/pdf-files/do/07908-20110311.pdf.

[14] www.jpost.com/Israel-News/Politics-And-Diplomacy/Netanyahu-faces-criticism-on-comments-about-Hungary-Soros-499263

[15] www.theguardian.com/world/2017/jul/19/eu-will-wither-and-die-if-it-does-not-change-policy-on-israel-netanyahu

[16] www.global100.adl.org/?_ga=2.257893131.1428442282.1500539303-1360487732.1494910929

[17] www.jcpa.org/israel-europe/ier-sofer-05.htm

[18] www.usnews.com/news/world/articles/2017-07-26/eu-court-advised-to-reject-hungary-slovakia-refugee-case

 

 

Dr. Manfred Gerstenfeld war jahrelang Direktor des Jerusalem Centers for Public Affairs (JCPA) und ist Autor von Analysen und Kommentaren u.a. in der Jerusalem Post und dem israelischen Nachrichtensender Arutz Sheva - - Heplev - Foto: Premierminister Netanyahu und die Premierminister der Visegrad-Staaten Orbán (Ungarn), Sobotka (Tschechische Republik), Szydło (Polen) und Fico (Slowakei) Foto: GPO/Haim Zach


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Dienstag, 15 August 2017