Antiisraelismus und Antisemitismus in Norwegen

Antiisraelismus und Antisemitismus in Norwegen


Die Faustregel in Norwegen lautet: Je weiter politisch links die Parteien und Organisationen stehen, desto antiisraelischer sind sie.

Antiisraelismus und Antisemitismus in Norwegen

Von Dr. Manfred Gerstenfeld

Von 1948 bis in die frühen 1970-er Jahre gehörte Norwegens Arbeitspartei zu den besten Freunden Israels in der Welt. Das hat sich radikal geändert. Die Arbeitspartei steht in Übereinstimmung mit den antiisraelischen Kräften des Mainstreams in Europa.

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Bjarte Ystebo ist der Herausgeber der christlichen Wochenzeitung Norge Idag. Er ist der Gründer des Oslo-Symposiums und ein regelmäßiger Beitragsschreiber für norwegische Medien zu Israel und Antisemitismus.

Er stellt fest: Ein weiterer Besorgnis erregender Trend ist das Wachstum der Grünen-Bewegung. Sie ist wie eine Wassermelone: außen grün – innen rot. Die Grüne Partei schnitt bei den Lokalwahlen im September 2019 sehr gut ab. Das gab ihnen in Norwegens beiden größten Städten Oslo und Bergen politische Macht.

Die Grüne Partei unterstützt antiisraelische Mainstream-Trends wie die BDS-Bewegung. In Oslo überlegt die Stadtverwaltung BDS zu akzeptieren. In Bergen wird das von den blockierenden Stimmen der Christdemokraten aufgehalten. Der Zugewinn der grünen Bewegung wird wahrscheinlich bei der Wahl von 2021 die Macht von der aktuellen Mitte-Rechts-Regierung nach links verschieben.

Die sehr große Gewerkschaft LO ist ebenfalls extrem antiisraelisch. Ihre Linksdrift bezüglich des palästinensisch-israelischen Konflikts ist der Arbeitspartei gefolgt. Auch die LO unterstützt BDS unter Zitierung ihrer Genossen in der palästinensischen Arbeiter-Gewerkschaft. Ihre Politik ist ideologisch geprägt, nicht interessengeleitet. Viele ihrer Mitglieder leben von der norwegischen Öl- und Gas-Industrie. Diese Industrie hat potenziell große Vorteile durch Zusammenarbeit mit Israel und israelischen Firmen.

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Für die Norwegischen Freunde Israels ist der nationale Rundfunksender NRK die größte Enttäuschung. Er ist seit Jahrzehnten der führende Berichter zum Nahen Osten. NRK hat eine lange Geschichte antiisraelischer Einseitigkeit. Die Stimme des landesweiten Senders wird durch die anderen wichtigen norwegischen Medien ergänzt: den kommerziellen TV2 und die führenden nationalen Journale VG, Aftenposten und Dagbladet. In ihrer normalen Berichterstattung verlassen sich diese Zeitungen hauptsächlich auf internationale Nachrichtenagenturen. VG, Norwegens am weitesten verbreitete Zeitung, ist vielleicht die mit den differenziertesten Kommentaren. Ihre politische Chefredakteurin Hanne Skartveit ist eine Stimme der Vernunft.

Die Universitätsleitungen sind ebenso regelmäßig einseitig gegen Israel. 2011 lehnten mehrere Universitäten das Angebot kostenloser Vorträge durch den Harvard-Professor Alan Dershowitz ab. Sie hatten das Gefühl, er sei zu umstritten. Von Zeit zu Zeit kommen Akademische Boykott-Initiativen auf. In den technologischen Disziplinen wird Israel in der akademischen Welt oft fairer behandelt. Es gibt eine wachsende Partnerschaft zwischen der Universität von Stavanger – die Stadt ist Norwegens Ölzentrum – und israelischen Akademikern und Industrie.

Die lutherische Kirche, als Staatskirche bekannt, wurde 2012 halb vom Staat getrennt. Ihre Führung ist linkslastig. Sie will sich an Themen wie Umwelt, die Neuverteilung von Ressourcen und Einwanderung beteiligen. Diese Ideen decken sich regelmäßig mit dem Antiisraelismus in der norwegischen Gesellschaft. Die Kirche ist da keine Ausnahme.

Hinter diesem Antiisraelismus steckt die christliche Ersetzungstheologie. Sie hat im Verlauf der Jahrhunderte viele jüdische Leben gekostet. Diese Theologie besagt, als viele Juden Jesus als den Messias ablehnten, entzog Gott die Israel gegebenen Verheißungen und übertrug sie auf die Kirche – die Anhänger Jesu Christi. Daher sind diese christlichen Strömungen dem jüdischen Volk und dem Staat Israel gegenüber weniger positiv eingestellt. Evangelikale in Norwegen, den USA und an anderen Orten der Welt betrachten Israel und die Juden allgemein als Gottes auserwähltes Volk und lieben und segnen es.

Der Antisemitismus auf den Straßen und den Schulhören kommt eher von Muslimen als von einheimischen Norwegern. Imame und andere Muslimführer erwähnen Israel oder die Juden im öffentlichen Diskurs nicht. Viele Muslime sind aber Mitglieder politischer Parteien, vorwiegend der Arbeitspartei. Dort handeln sie in Harmonie mit der Partei in politischen Haltungen, die vertretbar als antisemitisch zu betrachten sind, darunter die Romantisierung des palästinensischen Befreiungskampfs.

Es gibt in Norwegen nur wenig rechten Antisemitismus. Die Neonazi-Gruppen sind schwach und die Polizei ist effektiv darin diese Subkulturen durch Stopp der Rekrutierung zu bekämpfen.

Ystebo stellt die aktuellen Themen in den Kontext der gegenwärtigen Gesamtrealität: Norwegen ist ein kleiner, verletzlicher Staat, sowohl finanziell als auch militärisch. Der derzeitige internationale Handelskrieg und die ungewisse geopolitische Lage haben veranlasst, dass das Land sich mehr auf seine eigenen nationalen Interessen konzentriert.

Ein Großteil des Einkommens des Landes entstammt Öl und Gas. Hohe Ölpreise sind historisch synonym mit einer starken norwegischen Währung gewesen. Im gegenwärtigen wirtschaftlichen Klima suchen die Märkte Zuflucht im Dollar. Das trotzt der gewöhnlichen Gesetze der Finanzmärkte. Die schwache norwegische Krone nutzt dennoch unserer Export-Industrie.

Als Nation entscheiden wir uns für Stabilität. Ohne die NATO haben wir keine Verteidigung. Seit Präsident Trump ins Amt kam, haben wir angefangen uns über Amerikas Selbstverpflichtung für die Allianz nachzudenken. So haben sich Norwegens Politiker im Verlauf der letzten drei Jahre mehr Sorgen zu unserer eigenen Sicherheit gemacht als über Frieden und guten Willen rund um die Welt.

 

Heplev - Dr. Manfred Gerstenfeld war jahrelang Direktor des Jerusalem Centers for Political Defense (JCPA), er ist Autor beim israelischen Nachrichtensender Arutz Sheva und bei der Tageszeitung The Jerusalem Post.


Autor: Dr. Manfred Gerstenf
Bild Quelle: Archiv


Dienstag, 10 Dezember 2019