Gunnar Heinsohn - Nachruf und Abschied

Gunnar Heinsohn - Nachruf und Abschied


Gunnar Heinsohn ist tot – bei uns belebt sein Geist weiter

Gunnar Heinsohn - Nachruf und Abschied

Von Torsten Kurschus

Gunnar Heinsohn (1943–2023) verabschiedet sich in einem Brief von seinen Freunden

Wir haben auf einen eigenen Nachruf zu unserem Freund und Kollegen verzichtet, denn sein Abschiedsbrief spricht mehr als wir sagen können.
Doch kurz zuvor.  Als Heinsohn 2006 seine Arbeit
„Söhne und Weltmacht: Terror im Aufstieg und Fall der Nationen“
veröffentlichte, war die Welt überrascht.

Seine Klarheit und seine Präzision der Erklärungen von Gewalterstehungen in jeder Epoche der Geschichte hat Eugen geöffnet. Er hat die akademische Welt aus der Gefangennahme sogenannter historischer Weisheiten zu guten Teilen befreit.

Der unbeugsame Soziologe aus Westpreussen hat mit feinem Strich die Gefüge der Macht und der Vererbung und Neuentstehung von Macht- und Gewaltpotentialen und deren Wiederkehr kühl und klug seziert. Er selbst, der auch mit uns schon einmal die eine oder andere Meinungsverschiedenheit austrug, war persönlich nie kühl oder unklug. Im Gegenteil, sonst hätte er so etwas nie entwickeln können.

Er, der immer Grenzen zwischen Geschichte und Geschichten, zwischen Politik und Gesellschaft und deren Wissenschaften überschritten hatte, gibt uns bis heute viel zum Nachdenken mit.
Seine Themen waren immer die des Machtverhaltes aus psychosozialen Ungleichgewichten und denen verschiedener Kulturräume.
Sein Anklagen etwa dem historischen und modernen Kolonialismus gegenüber oder dem Islam oder jeder Art von Demagogie sind legendär und werden bei uns bleiben.

Wir danken seinem Sohn Tadeusz in besonderem Maße mit lieben Grüßen und Wünschen nach Gdańsk und hoffen, dass sein Verständnis zu einem tieferen Weltverständnis und zu einer besseren Welt führt und Tomas Spahn, die viele Jahre diese guten gedanklichen Kontakte gepflegt hat.

Prof. i.p. Torsten Kurschus, MBC, BerufsAkademie Mecklenburg-Vorpommern, USM-Society, www.haOlam.de

 

Tadeusz Heinsohn bei Tichys Einblick

Fr, 17. Februar 2023

Gunnar Heinsohn (1943–2023) verabschiedet sich in einem Brief von seinen Freunden. Tichys Einblick und mehrere von uns persönlich haben vertrauensvoll und freundschaftlich mit ihm zusammengearbeitet. Wir verneigen uns vor einem klugen Kopf und unbestechlichem Freund der Freiheit.

Tadeusz Heinsohn schrieb uns: Mit Trauer gebe ich den Tod meines geliebten Vaters Gunnar Heinsohn bekannt. Er starb an diesem Tag (16.02.2023) um 14:10 Uhr in Danzig, Polen, umgeben von Familie und Freunden. Es war sein Wunsch, dass ich Dir seinen Abschiedsbrief übersende.

„Je näher es ans Sterben geht,
desto unsterblicher müssen doch die Gedanken werden“ (G.H.)

Aufrichtig,
Tadeusz Heinsohn


Liebe Freunde!

Mein Sohn Tadeusz übermittelt meinen Abschied. Nach einem am 16. Februar 2023 abgeschlossenen Leben, das viel einfacher war, als es oft schien, möchte ich Ihnen für all die Hilfe danken, die es noch einfacher gemacht hat.

Im Internat St. Peter-Ording der 1950er/-60er Jahre half Wolfgang Graeser („Grassi“), das Leben zu vereinfachen. Unsere Väter waren in Hitlers Kriegen gestorben, seiner als Militärarzt in Russland, meiner als U-Boot-Kommandant vor Kanadas Neufundland. Vaterlosigkeit galt als schlechtes Omen für unsere Zukunft. Deshalb wurden wir für Missetaten strenger bestraft als unsere Mitmenschen. In unseren langen Stunden des Hausarrests rezitierten wir unsere Lieblingsballaden. Gewinner war, wer sich an mehr der vergessenen Verse erinnern konnte. Grassi war meist vorne, kaute aber auch immer auf platt geräucherten Würstchen. Ich habe nie herausgefunden, woher diese Landjäger stammen, aber ich mochte sie auch, und er war nicht geizig. Grassi wurde Anästhesist. Ich bin der Killer, wenn etwas schief geht, schrieb er mir früh. Mit seinem großen Herzen war es nur folgerichtig, dass er Direktor eines der größten Bergmannskrankenhäuser des Ruhrgebiets wurde.

Heribert Illig war in den 1980er und 1990er Jahren ein herausragender Partner bei der Erarbeitung einer stratigrafisch fundierten Chronologie vom Alten Ägypten über Mesopotamien bis nach Indien und China. Dennoch weiß ich, dass meine Wiederentdeckung der angeblich unauffindbaren Chaldäer (der gelehrtesten Nation der Antike) in den „Sumerern“ (unbekannt bis zu ihrer Erfindung durch Jules Oppert im Jahr 1868), die sich selbst das Volk von Kalam nannten, noch auf eine ernsthafte Debatte warten muss. In all den Jahren gab mir Milton Zysman (1939–2019), ein genialer Mann, in Toronto ein Dach über dem Kopf, wo ich in der beeindruckenden Robarts Research Library für meine Bücher über die vorchristliche Antike recherchieren konnte.

Frank Decker hat einige der besten Jahre seines Lebens darauf verwendet, die Eigentumstheorie von Geld und Zinsen, die ich seit 1982 mit meinem verstorbenen Freund Otto Steiger (1938–2008) entwickelt hatte, auf Englisch vorzustellen und zu verbessern. Fredmund Malik (Malik Management Zentrum; MSZ; St. Gallen) und Maurice Pedergnana (Hochschule Luzern und Institut für Finanzdienstleistungen; IFZ/Zug) haben durch die Lehrpläne ihrer Akademien für die Verbreitung der Eigentumsökonomie in der Schweiz gesorgt.

Die selbstlose Lektoratsarbeit von Clark Whelton hat über viele Jahrzehnte die Fertigstellung vieler meiner Texte in englischer Sprache sichergestellt. Die Jahre von 2011 bis 2023 haben ihn, einen ehemaligen leitenden Redenschreiber der New Yorker Bürgermeister, mit einem zusätzlichen Forschungsgebiet belastet. Die 1000, meist schlecht beleuchteten, Jahre des ersten Jahrtausends n. Chr. haben nur Substanz für 300 Jahre, die schließlich eine gut verständliche Geschichte liefern, wenn wir unsere Anno-Domini-Chronologie durch wissenschaftliche Stratigraphie ersetzen. Meine mehrsprachige Verlegerin Anne-Marie de Grazia (Magazin quantavolution/q-mag) hat geduldig, aber entschlossen dafür gesorgt, dass dieses ziemlich seltsame Werk der Öffentlichkeit zugänglich wurde.

Als 2010 eine öffentliche Kampagne in Deutschland versuchte, mich zu ächten, trat Hans-Jürgen Hübner, unterstützt von Helmut Diez, als fairer und furchtloser Online-Wächter meines Rufs auf. Ich hatte – in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – Präsident Clintons Sozialpolitik auch für Deutschland vorgeschlagen. Jeder Bürger wird mit dem Recht auf 5 Jahre Sozialhilfe geboren. Er kann sparen, auf einmal oder in Tranchen nehmen oder gar nicht. Großzügig Hilfe sollte in echter Not geleistet, Wohlfahrt aber als lebenslange Existenzform auf Kosten der Mitbürger beendet werden. Ich wurde in den Medien oder in öffentlichen Verkehrsmitteln und Restaurants als Volksfeind hingestellt, wo Kollegen und Normalbürger mich anbrüllten. Mein Universitätsbüro wurde unzugänglich gemacht, indem Sekundenkleber in das Schloss gespritzt wurde. Ich traute mich nicht mehr, meine Familie am Wochenende von Danzig nach Bremen zu holen. Dann trat Peter Mikolasch als Heilsbringer auf und bot mir ein Exil in Niederösterreich an. Das hat meine Nervosität beruhigt.

Peter Sloterdijk rettete Söhne und Weltmacht vor dem Vergessen. Das hat mir geholfen, das Thema Kriegsdemographie am NATO Defence College in Rom einzuführen. Sie ließen es mich von 2011 bis 2020 unterrichten. Dies bot unzählige Gelegenheiten, meine Verkürzung des ersten Jahrtausends n. Chr. an vielen der schönsten Ausgrabungsstätten Italiens zu untersuchen.

1976 nahmen Ruth Lahav, Tony Rigg und Dori Derdikman mich, einen völlig Fremden, zu sich nach Hause, als ich nach Jerusalem kam. Sie wussten, dass sie auf mich zählen konnten, als die Drohungen gegen Israel unerträglich wurden. Polen, wo ich 1944 vor der Roten Armee floh, schenkte mir mein Kindermädchen Irena Przytarska und ein halbes Jahrhundert später meine geliebte Frau Joanna Sidorczak-Heinsohn.

Mein siebzigstes Jahr war schöner als mein sechzigstes. Leider konnte diese tröstliche Tendenz in meinen Achtzigern nicht fortgesetzt werden.

Viel Glück und Auf Wiedersehen, wie Mel Brooks es ausdrücken würde, aus Gdańsk/Danzig, wo ich geboren wurde und wo ich in der Sicherheit meines Zuhauses und der Solidarität meiner polnischen Freunde starb, die unter Einsatz ihres Lebens für die Freiheit gekämpft haben. Meine Leiden stellten sich im Vergleich zu ihren als lächerlich heraus.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Freud, CC BY 3.0 , via Wikimedia Commons


Samstag, 18 Februar 2023

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