Obamas und Clintons Erbe: Die USA stehen vor einem Scherbenhaufen im Nahen Osten

Obamas und Clintons Erbe:

Die USA stehen vor einem Scherbenhaufen im Nahen Osten


Vor knapp einem Jahr schrieb die libanesische Journalistin Hanin Ghdadar:

Die USA stehen vor einem Scherbenhaufen im Nahen Osten

„Seit der Islamischen Revolution von 1979 besteht das außenpolitische Ziel des Iran in der Verbreitung der Islamischen Revolution und seiner Version des schiitischen Islam auf alle schiitischen Gemeinschaften im Nahen Osten, um sich so als Hegemonialmacht in der Region zu etablieren. Zu diesem Zweck hat Teheran seit 1979 verschiedene Mittel eingesetzt. Das Atomprogramm des Landes und seine Unterstützung des ‚Widerstands’ gegen Israel sind die vordringlichsten Werkzeuge, die zu diesem Zweck eingesetzt wurden. Das Atomprogramm sollte die internationale Gemeinschaft dazu zwingen, die Macht des Iran anzuerkennen und eine Vereinbarung mit ihm zu schließen, die ihmfreie Hand in der Region einräumen würde. Und der ‚Widerstand’ sollte die Unterstützung der Öffentlichkeit mobilisieren und Israel einer der Machtstellung des Iran entsprechenden Bedrohung aussetzen.

Von Anfang an hatte der Iran es auf die Schaffung eines zusammenhängenden schiitisch-arabischen Territoriums abgesehen, das den Iran auf dem Landweg über den Irak und Syrien mit dem südlichen Libanon verbindet. Dazu ist die iranische Kontrolle – überwiegend durch Stellvertreter – über drei Hauptstädte erforderlich: Bagdad, Damaskus und Beirut. Der syrische Bürgerkrieg kam dem Iran und seinen Auslegern in der Region nicht nur gelegen. Je länger er dauerte, desto mehr bot er dem Iran auch die Gelegenheit, seine Kontrolle über die drei Hauptstädte immer weiter auszuweiten und sich den erforderlichen Landkorridor zu sichern. Während die internationale Gemeinschaft mit dem Kampf gegen den Islamischen Staat beschäftigt ist, hat der Iran die Sicherung dieses großschiitischen Territoriums fast abgeschlossen.“

 

Damit gehörte sie zu den wenigen Stimmen, die die USA davor warnten, den Fokus im Nahen Osten alleine auf die Bekämpfung und Niederschlagung des Islamischen Staates (IS) zu richten. Ihre Warnungen verklagen, wie so viele anderen auch, ungehört: Bis zum Fall Raqqas galt in Washington die Maxime, man konzentriere sich alleine auf dieses Ziel, wie etwa der US-Sonderbeauftragte Brett Mc Gurck nicht müde wurde, zu betonen. Ob man dabei schiitische Milizionäre im Irak unterstützte, den PKK-Ableger in Syrien oder die kurdische Regionalregierung, einzig zählte, ob die militärischen Partner vor Ort (auch) gegen den IS kämpften. Dass jeder von ihnen eine ganz eigene andere Agenda verfolgte und sie sich untereinander noch spinnefeind waren und sind, sollte und durfte keine Rolle spielen.

 

Jetzt, wo der IS de facto besiegt ist, zeigt sich, dass anders als die USA, der Iran, der ja irgendwie auch als Verbündeter im „War on Terror“ be- und gehandelt wurde, ganz andere langfristige strategische Ziele verfolgt und auch konsequent umsetzt. Dabei hat Teheran die Zeit seit 2014 äußerst geschickt ausgenutzt, um überall in der Region die de facto Kontrolle zu übernehmen. Ob in Bagdad, Damaskus oder Beirut, am Iran führt kein Weg mehr vorbei, wie erst unlängst die Übernahme Kirkuks durch irakische Truppen und verbündete Shia-Milizen gezeigt hat. Das hat jüngst erst wieder der iranische Präsident Hassan Rohani stolz verkündet:

 

„Die Macht der iranischen Nation in der Region ist größer als je zuvor. Im Irak, in Syrien, dem Libanon und Nordafrika und im Persischen Golf – wo kann heute jemand noch ohne den Iran agieren?“

 

Die Obama-Administration schien auch wirklich zu glauben, dass eine Kooperation mit dem Iran langfristig sinnvoll und möglich sei. 2009 weigerte sie sich, die iranische Opposition gegen das Regime zu stärken und kooperierte danach im Irak offen mit einer Regierung, die de facto auf Teheran hörte. Zugleich signalisierte sie, dass man, entgegen anderslautenden Bekundungen, nichts unternehmen würde, um den engsten Verbündeten Teherans in der Region, Bashar al-Assad zu stürzen.

 

Die Regierung von Donald Trump übernahm diese Erbschaft und führte sie im Nahen Osten sogar weiter. Nach der Befreiung Mosuls schauten die USA tatenlos zu, wie schiitische Milizen die De-facto-Kontrolle über die Millionenstadt übernahmen, man ließ die irakische Armee in Kirkuk einmarschieren und räumte auch in Syrien strategisch wichtige Gebiete, selbst um den Preis dafür enge Verbündete der syrischen Opposition zu verraten. Derweil aber kündigte der US-Präsident an, er wolle die Außenpolitik gegenüber dem Iran radikal ändern und den Atomdeal auf den Prüfstand stellen. Während US-Truppen de facto Seite an Seite mit aus Teheran befehligen Shia-Milizen kämpften, erklärte Trump vor der UN-Vollversammlung:

 

„Wir können einem mörderischen Regime nicht erlauben, seine destabilisierende Politik (des Nahen Ostens) fortzusetzen (…) Und wir können nicht weiterhin ein Abkommen einhalten, wenn dieses den Deckmantel für den Aufbau eines Atomprogramms bietet. (Applaus) (…) Das Iran-Abkommen war einer der schlechtesten und einseitigsten Verträge, dem die Vereinigten Staaten jemals beigetreten sind. Offen gesagt, war dieses Abkommen eine Peinlichkeit für die USA – und ich glaube nicht, dass Sie heute das Letzte dazu gehört haben, glauben Sie mir.“

 

Die Iraner sind, das haben sie in den letzten Jahren hinlänglich bewiesen, alles andere als blöd und wissen deshalb, dass die neue US-Regierung eigentlich die bisherige Nahostpolitik, die auf eine Stärkung Teherans hinauslief, ändern möchte. Nur sind die Fakten geschaffen und der Preis, den Iran zurückzudrängen heute ein ganz anderer als noch vor ein paar Jahren. Es ist fast schon eine Ironie der Geschichte, wenn ausgerechnet ein Mitglied der iranischen Revolutionsgardisten nun über eine „verfehlte US-Politik“ spricht:

 

„Die Vereinigten Staaten und ihre Partner ‚bemühen sich angestrengt, einen Ausweg aus ihrem Scheitern zu finden’, so eine Quelle innerhalb des Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) – die darauf bestand, anonym zu bleiben – Al-Monitor gegenüber. ‚In Syrien und im Irak hat der Iran die Oberhand gewonnen, egal was sie sagen oder wie sie die Sache darstellen.’ ‚Im Jemen steht es schlecht um Saudi-Arabien und der Krieg dort entwickelt sich zu einem internationalen Skandal. Auch Israel weiß, was ihm bevorsteht, sollte es versuchen, die Hisbollah an seinen libanesischen und syrischen Grenzen zu [stören]’, so die Quelle weiter. ‚Es handelt sich also nicht so sehr um einen Plan, sich dem Iran entgegenzustellen, als vielmehr um eine Selbstmordmission.’“

 

Leider scheint man in Teheran dieser Tage die Lage wesentlich realistischer einzuschätzen als im Weißen Haus. Nach Jahren einer völlig verfehlten Iranpolitik stehen die USA in der Tat vor einem Scherbenhaufen. Der Sieg über den Islamischen Staat entpuppt sich als einer der Islamischen Republik, man steht einer Allianz aus dem Iran und Russland gegenüber, der sich zudem die Türkei halbherzig angeschlossen hat und verfügt kaum noch über Verbündete in der Region.

 

 

Thomas von der Osten-Sacken / MENA Watch


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Dienstag, 07 November 2017