Arabische Einwanderung in das historische Palästina: ein Überblick

Arabische Einwanderung in das historische Palästina: ein Überblick


Arabische Einwanderung in das historische Palästina: ein Überblick

von Richard Mather, Jewish Media Agency, 31. Mai 2015

Es gibt ein altes und seltenes Buch namens „Palestina ex monumentis veteribus illustrata“, geschrieben von Hadriani Relandi (einem Kartenzeichner und Wissenschaftler aus Utrecht) und 1714 veröffentlicht. Es dokumentiert Relandis Reise nach Palästina in den Jahren 1695/96. Auf seinen Reisen untersuchte er 2.500 Orte, die im Tanach und/oder der Mischnah erwähnt werden; und er führte eine Zählung der Menschen durch, die in solchen Orten wohnten. Er machte einige sehr interessante Entdeckungen. Zunächst einmal entdeckte er, dass nicht eine einzige Siedlung in Palästina einen Namen arabischen Ursprungs hatte. Stattdessen waren die Namen aus dem Hebräischen, Lateinischen und Griechischen abgeleitet.

Eine weitere interessante Entdeckung war die auffällige Abwesenheit einer größeren muslimischen Bevölkerung. Stattdessen stellte er fest, dass die meisten Einwohner Palästinas Juden waren, dazu einige Christen und ein paar Beduinen. Nazareth war Heimat für weniger als eintausend Christen, während in Jerusalem 5.000 Menschen lebten, die meisten Juden. Gaza war Heimat für rund 250 Juden und etwa die gleiche Zahl an Christen. Die einzige Ausnahme war Nablus, wo um die 120 Muslime lebten, zusammen mit einer Hand voll Samaritaner, deren Vorfahren zu den nördlichen Stämmen Israels gehörten.

Fasziniert von den Feststellungen in Relandis Buch suchte ich nach weiteren Quellen aus erster Hand wie Reiseberichten, Regierungsberichten und Volkszählungen. Ich war nicht sicher, dass ich irgendetwas finden würde. Doch es gibt eine überraschende Menge an Daten und Anhaltspunkten. Und die gesamten Belege legen nahe, dass die Mehrheit der nicht jüdischen (d.h. arabisch-muslimischen und christlichen) Einwanderung nach Palästina Mitte oder Ende des 19. Jahrhunderts begann.

Unter Rückgriff auf die Arbeit des Statistikers und Demographen Roberto Bachi wird geschätzt, dass es 1540 in Palästina 151.000 nicht jüdische Einwohner gab. (Einige Quellen deuten an, dass viele davon Nachkommen von Juden waren, die nach der fehl geschlagenen Bar Kochba-Revolte im Jahr 136 in Palästina verblieben, aber gezwungen worden waren zum Islam zu konvertieren.) Bis 1800 war die nicht jüdische Bevölkerung auf etwa 268.000 angewachsen, verstärkte sich bis 1890 auf 489.000, bis 1922 auf 589.000 und bis 1948 auf knapp über 1,3 Millionen. Die weit überwiegende Mehrheit dieser nicht jüdischen Einwanderer waren Muslime. All dies legt nahe, dass die meisten der muslimischen (und christlichen) Einwohner Palästina Einwanderer jüngeren Datums waren und NICHT seit Genrationen dort lebten, wie manchmal gesagt wird. Darüber hinaus zeigen die Zahlen, dass arabische Einwanderung ein rasch steigender Trend war, angetrieben von äußeren Umständen. Aber welchen?

Erst einmal waren mehrere Tausend Kleinbauer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Palästina gekommen, um der Wehrpflicht, Zwangsarbeit und den Steuern in Ägypten zu entkommen. Zweitens transfeierten die ottomanischen Behörden Anfang des 20. Jahrhunderts sehr viele Menschen aus Marokko, Algerien und Ägypten nach Palästina, zum Teil, um die jüdische Einwanderung zu überflügeln. Drittens war das zionistische Projekt für Araber sehr attraktiv, die von den guten Löhnen, Gesundheitsvorsorge und sanitären Anlagen nach Palästina gezogen wurden, die die Juden boten. In der Tat fiel die muslimische Kindersterblichkeitsrate in Palästina von 201 pro 1.000 im Jahr 1925 auf 94 pro 1.000 im Jahr 1945. Unterdessen stieg die Lebenserwartung von 37 auf 49 Jahre.

Darüber hinaus nahm die arabische Bevölkerung Palästinas am meisten in Städten zu, in denen es große Zahlen an Juden gab, was ein starker Hinweis darauf ist, dass es Araber wegen der Zionisten nach Palästina zog. Zwischen 1922 und 1947 wuchs die arabische Bevölkerung in Haifa um 290 Prozent, in Jaffa um 158 Prozent und in Jerusalem um 131 Prozent. Bezeichnenderweise war das Wachstum in mehrheitlich arabischen Städten weit weniger dramatisch: 37 Prozent in Bethlehem, 42 Prozent in Nablus und 78 Prozent in Jenin.

Während der britischen Zivilverwaltung in Palästina (von 1920 bis 1948) war der jüdischen Einwanderung Einschränkungen unterworfen, um die arabischen Unruhestifter zu beschwichtigen. Die Lage bezüglich der Ansiedlung war weit laxer. Der Historiker und Autor Freddy Leibreich behauptet, es gab beträchtliche arabische Einwanderung aus der Region Hauran in Syrien während der Mandatszeit – und dass die britischen Behörden davor die Augen zudrückten.

Einige aber nehmen Notiz. Die Hope Simpson Enquiry (1930) stellte fest, dass es beträchtliche illegale arabische Einwanderung aus Ägypten, Transjordanien und Syrien gab, was die Aussichten der jüdischen Einwanderer negativ beeinflusste und zur arabischen Gewalt gegen Juden beitrug. Der britische Gouverneur des Sinai von 1922 bis 1936 bekräftigte die Ansicht, dass unkontrollierte arabische Einwanderung stattfand, wobei die meisten Einwanderer aus dem Sinai, Transjordanien und Syrien kamen. Und die Peel-Kommission berichtete 1937, dass ein „Land-Defizit“ bestand, „weniger wegen der Menge an Land, das von Juden erworben wurde, als infolge der Zunahme der arabischen Bevölkerung“.

Die Einwanderung ging so weiter, bis die Juden 1948 ihre Unabhängigkeit erklärten. Die Tatsache, dass arabische (weithin muslimische) Einwanderung bis direkt zur israelischen Unabhängigkeit weiter ging, wird von der UNO-Klausel bekräftigt, dass jeder arabische Flüchtling, der lediglich zwei Jahre vor der jüdischen Unabhängigkeit in Palästina lebte, Anspruch auf Flüchtlingsstatus hatte. Nach Angaben der UN Relief and Works Agency werden palästinensische Flüchtling so definiert: „Personen, deren normaler Wohnort in der Zeit vom 1. Juni 1946 bis zum 15. Mai 1948 Palästina war und die als Ergebnis des Konflikts von 1948 sowohl Haus als auch Lebensunterhalt verloren.“

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Wenn es in Palästina im 16. und 17. Jahrhundert sehr wenige nicht jüdische Einwohner gab, was geschah mit den arabischen Invasoren, die 629 ankamen? Nun, zunächst einmal blieben sehr wenige dieser Invasoren in Palästina. Viele wurden zu abwesenden Landbesitzern, die einheimische Pächter nutzten, um ihren Grundbesitz zu bestellen und die Dhimmi-Steuer zu zahlen. Das ist der Grund, dass Palästina – zusammen mit Ägypten und Syrien – mehrere Jahrhunderte lang überwiegend christliche blieb. Es ist aber möglich, dass nach der muslimischen Zurückeroberung 1187 viele jüdische und christliche Einwohner Palästinas gezwungen wurden zum Islam zu konvertieren, womit die Zahl der muslimischen Einwohner in die Höhe getrieben wurde. Palästinas Bevölkerung nahm allerdings am Mitte des 14. Jahrhunderts ab – zu großen Teilen durch den Schwarzen Tod, der von Osteuropa und Nordafrika hereinschwappte, sich nach Gaza fortpflanzte und dann seinen Weg nach Palästina, in den Libanon und nach Syrien fand. Da sich niemand um das Land kümmern konnte, wurden viele Bereiche malariaverseucht, besonders im nördlichen Palästina, das weithin unbewohnbar wurde. Die Entvölkerung ging als Folge der Invasion des Mohammed Ali von Ägypten im Jahr 1831 und die folgende Bauernrevolte des Jahres 1834 weiter, was die männliche Bevölkerung Palästinas um rund 20 Prozent verminderte, weil große Zahlen an Bauern entweder nach Ägypten deportiert oder ins ägyptische Militär verpflichtet wurden. Viele andere verließen ihre Bauernhöfe und Dörfer, um sich den Beduinen anzuschließen.

Es wäre klar aussichtslos zu argumentieren, dass es im späten 19. Jahrhundert und Anfang des 20 Jahrhunderts wenige in Palästina lebende Araber gab, doch die Zahlen zeigen, dass die arabische Bevölkerung Palästinas sich Jahrhunderte lang in einem Status des Flusses gewesen ist und dass die überwiegende Mehrheit aus Migranten aus dem Rest der arabischen Welt und/oder dem ottomanischen Reich war. Das ist wichtig, denn es sagt uns, dass die postmoderne Vorstellung einer tief verwurzelten palästinensischen-arabischen Geschichte und Kultur erlogen ist. Alle Belege deuten auf die auffällige Abwesenheit arabischer Kultur im Palästina des späten 17. Jahrhunderts hin; und selbst im 18. Und 19. Jahrhundert waren die arabischen Einwohner Palästinas keine Einheimischen, sondern spät Gekommene. Das erklärt, warum die Araber historisch nie von einer palästinensischen Identität sprachen – denn es gab keine. Sie waren Ägypter, Syrer, Marokkaner, Iraker und ottomanische Araber und viele von ihnen bekundeten dem Konzept des Großsyrien Loyalität. Fakt ist, dass die Araber es bis in die 1960-er Jahre hinein ablehnten sich Palästinenser zu nennen, weil es ein Name war, der den Juden vorbehalten war! Es scheint heute urkomisch, aber Immanuel Kant, der deutsche Philosoph des 18. Jahrhunderts, die Juden in Europa als „unter uns lebenden Palästinenser“ bezeichnete.

Nicht vor Mitte der 1960-er Jahre – fast zwei Jahrzehnte nachdem Israel sein Unabhängigkeit erklärte – entstand eine kohärente (und sehr gewalttätige) palästinensisch-arabische Identität. Doch selbst noch in den 1970-er Jahren war die Vorstellung eines palästinensischen Volks nicht mehr als ein terroristisches Konstrukt, das dazu geschaffen war jüdische Ansprüche auf das Land Israel auszuhöhlen. In einem Interview mit einer niederländischen Zeitung gab Zahir Muhsein vom PLO-Exekutivkomitee 1977 zu: „Das palästinensische Volk existiert nicht“. Dann fügte er an: „Die Gründung eines Palästinenserstaats ist nur ein Mittel zur Fortsetzung unseres Kampfes gegen den Staat Israel.“

Ob die arabisch-palästinensische Identität im 21. Jahrhundert in etwas Konstruktiveres anwächst, bleibt abzuwarten werden.

 

Übersetzt von Heplev

 

Lesen Sie hierzu auch:

 

Zu juristischen/völkerrechtlichen Aspekten:

 

„Israeli Apartheid?“-Woche bei haOlam.de:

 


Autor: joerg
Bild Quelle:


Dienstag, 14 Juli 2015

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