Hackerangriffe: Brave New Cyberworld

Hackerangriffe:

Brave New Cyberworld


Der mit viel publizistischem Getöse ausgeschlachtete Cyberstorm, dem einflussreiche Teile bundesdeutscher Eliten jüngst zum Opfer fielen, offenbart erneut einen Provinzialismus, der vor lauter Ahnungslosigkeit und Alarmismus schon wieder die eigentlichen Gefahren übersieht, deren Auswüchse diese Posse noch umständlich verbirgt.

Brave New Cyberworld

Von Shanto Trdic

Jene, die von der ´Attacke´ betroffen sind, reagieren empört bis hysterisch, während die Öffentlichkeit aus ihrer Schadenfreude keinen Hehl macht. In Zeiten digitaler Ubiquität lassen Häme und Spott nie lange auf sich warten und auch die Ohnmachtsanfälle derer, denen man so frech in die eigenen Karten geschaut hat, kennzeichnen auf sehr bezeichnende Weise deren momentane Befindlichkeiten. Ein wenig denkt jeder von uns dabei auch an sich selbst, so nach dem Motto: Wenn die nicht mal sich selbst schützen können…

Der stickdunstige Mief einer Debatte, die schon jetzt übel aufstößt, zeigt sich vor allem in den ersten parteitaktischen Reaktionen. Wie kann es sein, dass die AFD-Fraktion als einzige vom Zugriff verschont geblieben ist? Dazu passt, auch zeitlich, dass ein ranghoher SPD Politiker den gemeingefährlichen Sprengstoffanschlag auf ein AFD Büro in Döbeln mit den Worten abtat, dieser helfe der AFD und schade der Demokratie. Die Veröffentlichung ganzer Datenpakete diverser Politiker*Innen müsste dann eben dieser Demokratie eher nützen als schaden, wie ich finde. Transparenter geht es nimmer, gelt?

Das alles tut im Grunde nichts zur Sache. Vielleicht finden sich ein paar brauchbare, also entlarvende Infos in den Listen. Davon wird die Welt nicht untergehen, aber gerettet hat man damit auch recht wenig. Mit einem solchen Zugriff war zu rechnen; jederzeit. Tatsächlich rückt der große Datenklau das Thema Digitalisierung in ein sehr grelles, und doch auch trügerisches Licht. Die bislang vorgesehenen oder verordneten Bezüge bezeichnen nur die bloße Oberfläche eines Phänomens, das ungleich tiefer reicht. Hackerangriff: Klingt nach einer Räuberpistole. Es ist auch eine – aber keine kleine mehr.

Digitalisierung, das hieß bis gestern hauptsächlich: Entwicklung einer schönen neuen Welt, die man in Deutschland leider verschlafen habe. Da beschwerte sich etwa der Herr Altmaier darüber, dass er auf seinen täglichen Inlandsreisen (die sicher auch sein privates FCKW-Konto nicht unbeträchtlich belasten) dauernd in lästige Funklöcher fiele. Das nerve ihn. Deutschland als digitales Entwicklungsländle. Folglich sei also, so war und ist man sich parteiübergreifend einig, endlich eine echte ´Digitaloffensive´ vonnöten. Man müsse, so etwa die Kanzlerin höchstselbst, auch hier zur führenden Nation aufsteigen. Von Pannen wie diese, von derlei begleitenden Lästigkeiten und Kollateralschäden war dabei nie direkt, immer nur am Rand die Rede. Vielmehr erinnerten die begleitenden Phrasenhaufen unserer Politprominenz an das Gerede von den Chancen unbegrenzter Zuwanderung. Wer hier anfangs vor Gefahren warnte, galt als Spielverderber oder wurde gleich in die rechte Ecke abgetan.

Nun ist es, um beim aktuellen Thema zu bleiben, kein Geheimnis, dass die Allgemeinheit längst umfassend, nahezu grenzenlos ausspioniert und ausgeleuchtet wird. Mit jedem Klick sozusagen. So funktionieren listig platzierte Algorithmen nun einmal. Stets und ständig. Wir merken das gar nicht mehr und es kratzt auch keinen sonderlich, wenn er durchs Netz surft. Wenn jetzt die heiligen Kühe der Nation angezapft werden, um anschließend beleidigt ihre saure Milch abzulassen, dann fügt sich solches nur in ein Bild, das viel weiter greift: eines nämlich, das längst aus dem passenden Rahmen gefallen ist. Betrachtet man die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang, dann muss man feststellen, dass wir zunehmend von Potenzen beherrscht werden, deren Kontrolle aus dem Ruder läuft – und zwar von Anfang an. Das aber heißt, zu Ende gedacht: Fallen die neuen Götzen, dann reißen sie auch ihre Anbeter – uns alle – mit in den Abgrund hinein. Wo gehackt wird, da fallen die Späne.

Je intensiver wir uns mit den Möglichkeiten digitaler Versorgung beschäftigen, je umfangreicher wir uns dementsprechend ausstatten, je umfassender und bedenkenloser wir uns also den vermeintlichen Verheißungen hingeben, ja ausliefern, umso unfähiger werden wir, den analogen Alternativen zu genügen, deren Aktualität in dem Moment akut wird, da der digitale Spuk in sich zusammenbricht oder über uns hereinbricht – je nachdem. Vermeintliche digitale Kompetenzen entwöhnen uns gewisser Fähigkeiten und Fertigkeiten, die darum nicht hinfällig geworden sind. Das werden wir zukünftig noch oft genug zu spüren bekommen.

Geht es, um auf den ´Diebstahl´ zurück zu kommen, wirklich nur um irgendwelche Geheimnisse, die irgendwie gehütet oder geschützt werden müssen? Die werden doch eh dauernd ausgetauscht oder aussortiert, dreist umgelogen oder passend zurechtgebogen. Auch daran sollen wir uns ja gewöhnen, geht es nach dem Willen führender Digital-Konzerne, die knallhart eigenen Interessen folgen. Hand aufs Herz: Es klappt ja auch. Und wie. Deutlich sollte daher werden: wie anfällig der Homo Digitalis im Bannfluch selbstverschuldeter und zunehmend blind akzeptierter Abhängigkeiten längst geworden ist. Ausufernd und gestaltlos, weich im Zugriff und hart in der Linie ist der digitale Furor, den die meisten von uns nur unter dem Primat optimierten Eigennutzes begreifen oder wahrnehmen; einer, der reibungslosen Konsum und dauernde Verfügbarkeit verspricht (die eine dauernde Verführbarkeit beinahe zwangsweise erwirkt) – und ansonsten bitte nicht stören soll. Dass der vermeintlich grenzenlose Gebrauch tipp- und wischfertiger Mittel und Möglichkeiten auch schaden und zu umfassender Unmündigkeit führen kann, versteht sich eigentlich von selbst. Dass es einmal mehr eine selbstverschuldete Unmündigkeit ist, geht im gegenseitigen Gezeter dieser Tage verlässlich unter. Fest steht: Auch die schöne neue Medienwelt kommt nicht ohne feste Regeln, ohne klare Grenzen und ohne praktische Vernunft aus.

Bezeichnend ist und bleibt, dass jene, die sich bis gestern für den digitalen Umbau dieser Gesellschaft begeisterten, in diesem Moment gar nicht mehr zu sehen oder zu hören sind. Die sind jetzt sozusagen offline. Besagten Herrn Altmaier erwähnte ich schon. Der Herr Lindner von der FDP (Digital first – Bedenken second) schweigt so eisern wie die Frau Bär, Vorname Dorothee. Schon mal gehört von der Dame?

Genau. Frau Bär ist die, welche immer fesch in die Kamera gelächelt hat, so voll selfiemäßig. Seit dem 14. März 2018 ist sie Staatsministerin für Digitalisierung im Kabinett Merkel IV.

Die hat gleich nach der Amtseinführung hinreißend trendkonform über die tollen Möglichkeiten digitaler Rundumversiegelung berichtet. Wie eine Studentin im ersten Semester, die sich das Studium mit cleveren Marketingsprüchen aus der IT-Szene nachfinanziert, schmeichelte sie uns den Rieselreigen digitaler Dauerschleifen um die müden Ohren. Nach dem Ulk mit den Flugtaxis ging der Dame dann sehr schnell die Luft aus. Seither hat die verhinderte Bürokauffrau nichts Sachdienliches mehr zur Protokoll gegeben, aber gemerkt hat das eh keiner. Wie viel die Einrichtung ihres staatlich garantierten Start-ups den deutschen Steuerzahler gekostet hat, weiß freilich auch keiner so genau, aber dass es sich um einen der teuersten und sicher auch lukrativsten handeln muss, darf wohl als gesichert gelten. Auf der Website der Ministerin so gut wie bei Wikipedia können sie rauf und runter lesen, was die ehrgeizige Politikerin noch so alles anratzt. Man gewinnt ja überhaupt den Eindruck, dass zu den Hauptaufgaben eines gewählten Volksvertreters nur noch die schier endlosen Nebentätigkeiten zählen, deren jede einen eigenen, nie unbeträchtlichen Obolus erwirkt. Sicher beschäftigt die niedliche Frau Bär ein paar coole Nerds, die den begleitenden Verpflichtungen irgendwie nachkommen, als Ein-Euro-Deppen, denn das kann keiner, nicht einmal eine Frau Bär ganz alleine leisten. Nicht wenige dieser Pöstchen mögen wie Briefkastenfirmen funktionieren, aber auch so ein Kasten muss ja mal geleert werden. Vielleicht hat man der Dame auch schon den einen oder anderen Cyborg gebastelt, der statt ihrer in multipler Programmierung agiert. Geschlecht: gendertauglich. Bär ist übrigens, um bloß eine dieser ´Tätigkeiten´ herauszugreifen, Jurymitglied des Deutschen Computerspielpreises. Und wie ein einziges Spiel, zum tanzen, klatschen und mitmachen, hat sie uns seinerzeit in den ´15 minutes of fame´, die man ihr bei Amtsantritt gewährte, das Projekt ´Mehr Digitalisierung´ verkauft, bevor sie bei Instagram, Facebook und so weiter untertauchte.

Ist es so naiv zu vermuten, das gerade von dieser Frau jetzt etwas (oder mehr) zum Thema kommen müsste? Ich habe mich gründlich durch ihre intermedialen Präsenzen geklickt, von Twitter bis zur eigenen Homepage: NICHTS. Null. Auf letzterer ist, neben einer Reihe Hochglanz-Selfies, nur der Brief nach BÄRlin zu besichtigen (letzter Eintrag: Frohe Weihnachten, mit angepixelten Nikolaushütchen). Auf Twitter, immerhin, kam die Dame schon im ´frohen neuen Jahr´ an, das sie uns allen wünschte; mit einem gleichsam digital nachbearbeiteten Grüppchenbild. Und über den Häuptern hängt ein Sternchen mit Schweif. Süß. Ist das etwa der Stern der Erleuchtung? Von den dortselbst verlinkten oder gelikten Damen und Herren, den Spahn oder Tauber, um nur die zu nennen, erinnerte bislang keiner die Parteifreundin daran, dass nun ihre Zuständigkeit gefragt sei(n könnte). Passt wohl auch nicht ins herkömmlich aufgeputzte, total harmlose Format.

Um ehrlich zu bleiben: Ganz auf Tauchstation ist die kesse Unions-Biene nie gegangen. Kann auch gar nicht anders sein, ist man doch ständig online. Manchmal brachte die Ministerin sich auch jenseits der Social Media zu Wort. Das letzte Mal, als sie vor einer „diffusen Angst, die lähmt“ warnte (ist sie nun selbst von dieser Lähmung befallen?) und einer Datenschutzlockerung für Patientendaten das Wort redete (!!). Mit einem peinlichen Tweet trat die Frau Bär allerjüngst in ein eher unerhebliches Fettnäpferl. Im Grunde sind ihre Twitter-Auftritte eine einzige, sehr zeitgemäße Peinlichkeit, etwa wenn sie auf einem #Gigagipfel# verkündet, dass ohne Frauen kein Staat zu machen sei. Irre zeitgemäß eben.

Warten wir also die endlosen Schrecksekunden ab, bevor auch die Frau Bär ihre Tweetsprache in puncto Hackerangriff zurück gefunden hat. Die wird dann nicht mehr so supercool daherkommen wie üblich, sie wird auch keinem wirklich weh tun. Hinterher sind alle sowas von schlauer – geworden. Wie jüngst der Herr Innenminister Seehofer, dem zur Hetzjagd treugläubiger Muselmanen auf schwachgläubige Passanten bloß einfiel, man müsse solche Typen endlich mal sofort abschieben können. Ja, das fällt dem dafür Verantwortlichen wirklich früh ein. Seltsam, dass die multimediale Gesellschaft pausenlos und in Echtzeit miteinander kommuniziert und dass zu jedem Mäusedreck auf Anhieb Überflüssiges in endloser Folge in den schier platzenden Netzwerken abgeladen wird – in den entscheidenden Momenten reagieren sie alle stets zu spät: oder erst gar nicht. Wie die Frau Bär.

Stell dir vor, die Dorfschule brennt und alle kommen um sich´s anzusehen – nur nicht die brave Feuerwehr. Da unbedingt Schuldige dennoch gefunden werden müssen, schießt man sich nun auf jene ein, die für den Brandschutz präventiv zuständig gewesen sein sollen. Die BamS titelt entsprechend: “Politiker gehen auf Bundesamt für Sicherheit los.“ Noch so ein Generalangriff. Die Bonner Behörde, so heißt es weiter, wusste seit Monaten Bescheid, das BKA erfuhr davon aber nichts. Womit wir wieder beim allüblichen, alltäglichen Behördenwirrwarr angekommen wären, mit nicht eindeutig bestimmbaren oder nach zu verfolgenden Zuständigkeiten; ein Chaos, das uns in annähernd sämtlichen politischen Zusammenhängen begegnet und als Pannentheater verkauft wird, von der Flüchtlingskrise bis zum Hartz 4 Betrug. Drahtlos miteinander vernetzt, verheddern sich die Verantwortlichen schon dann, wenn ihnen die erste Schmeißfliege ins Netz geht. Aber: Wir schaffen das. Die unerwartet Verantwortlichen, ahnungslos wie Tölpel oder unschuldig wie die Lämmer, pendeln zwischen Inkompetenz und Überforderung unruhig, mitunter auch behäbig hin und her, je nachdem. Die üblichen Verdächtigen hingegen suchen und finden passende Bauernopfer. Damit ist´s dann, fürs erste, getan.

Gar nichts ist damit getan. Die Summe begleitender Kollateralschäden gibt beinahe täglich einen Eindruck davon, wie einfältig all jene sind, die – wie die Frau Bär – glauben, es handele sich tatsächlich nur um ein ´Spiel ohne Grenzen´. Das ist es auch wirklich, aber die selbstverschuldeten Grenzverstöße werden ungeahnte Folgekosten verursachen, die am Ende jeder auszubaden hat.

 

Numeri 24 : 9

 


Autor: Dr. Nathan Warszawsk
Bild Quelle: Norbert Schnitzler [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], from Wikimedia Commons


Montag, 07 Januar 2019

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