Fatah-Nachwuchs durch Spermaschmuggel?

Fatah-Nachwuchs durch Spermaschmuggel?


Die Fatah feiert die Mutter von fünf inhaftierten Mördern, die am 15. Juni ein weiteres Mal Großmutter geworden sein soll - angeblich wurde ihre Schwiegertochter mit Sperma befruchtet, das aus einem israelischen Gefängnis geschmuggelt worden war.

 Fatah-Nachwuchs durch Spermaschmuggel?

Von Stefan Frank

Es ist nicht das erste Mal, dass eine solche Geschichte erzählt wird. Yaman, so der Name des Kindes, ist schon Baby Nr. 68, das auf diese Weise gezeugt sein soll.

Großmutter Latifa Abu Hmeid wird von der Fatah seit Jahren zur Heldin stilisiert, weil fünf ihrer Söhne verurteilte Mörder und Terroristen sind, die in israelischen Gefängnissen sitzen. Zusammen haben sie mindestens zehn Menschen ermordet. Ein sechster Sohn von Latifa wurde bei einer Anti-Terror-Operation der israelischen Armee getötet. Niemand sonst in den Palästinensischen Autonomiegebieten erhält eine so hohe Terrorrente wie Latifa Abu Hmeid: umgerechnet über 9.000 Euro pro Monat. Letztes Jahr hat die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) diese sogar noch erhöht. 2011 erkor PA-Präsident Mahmud Abbas ausgerechnet Latifa Abu Hmeid als Botschafterin, um bei den Vereinten Nationen den Prozess der Anerkennung „Palästinas“ als Staat zu initiieren. Sie wird als „Eiche Palästinas“ und als „Khansa Palästinas“ bezeichnet. Al-Khansa war eine muslimische Frau, die im 8. Jahrhundert gelebt, ihre vier Söhne in die Schlacht geschickt und darüber gejubelt haben soll, als sie erfuhr, dass alle ihre Söhne im Krieg gefallen waren. Nach Al-Khansa sind in den Palästinensischen Autonomiegebieten sieben Mädchen- und eine Jungenschule benannt.

Nasr Abu Hmeid, der angebliche Vater des Babys, war Mitglied der Tanzim, einer von Jassir Arafat persönlich während der „zweiten Intifada“ gegründeten Terrorgruppe der Fatah. Er wurde zu fünfmal Lebenslänglich verurteilt wegen Waffenhandels und der Beteiligung an zwei Terrorangriffen. Dabei handelte es sich um folgende Anschläge:

  • Der Schusswaffenanschlag an einer Bushaltestelle im Jerusalemer Viertel Neve Yaakov am 25. Februar 2002, bei dem die 21-jährige israelische Polizistin Galit Arviv getötet und neun Menschen verletzt wurden.
  • Der Schusswaffenanschlag auf zwei Restaurants in Tel Aviv am 5. März 2002, bei dem die Polizisten Salim Barakat, 33, Yosef Habi, 52, und Eli Dahan, 53, getötet und über 30 Menschen verletzt wurden.

Beider Anschläge bezichtigte sich die Fatah.

Nun feiern die Fatah und die Palästinensische Autonomiebehörde, dass angeblich Nasr Abu Hmeid Vater geworden und Latifa Abu Hmeid einen weiteren Enkelsohn bekommen habe. Das Baby sei durch aus dem Gefängnis geschmuggeltes Sperma gezeugt worden, behauptet Latifa, und empfiehlt diese Methode weiter – zum Wohle des „palästinensischen Volkes“. Das berichtet der arabisch-palästinensische Satellitensender Quds News Network. Den Filmbericht von Quds hat die Medienbeobachtungsstelle Palestinian Media Watch mit englischen Untertiteln versehen auf ihre Website gestellt.

Zu den Bildern eines neugeborenen Babys blendet Quds einen Text ein: „Yaman, ein palästinensisches Baby, geboren am 15. Juni 2019, doch weit entfernt von seinem Vater, dem Gefangenen Nasr Abu Hmeid.“ Dessen Ehefrau Ala’ Al-Naji sagt: „Wir fühlen uns sehr gut angesichts der Geburt von Yaman, den Juden zum Trotz. Möge er unser Leben und unsere Gesichter erleuchten, und möge Nasr sicher zurückkehren, so Allah will.“ Im Filmbericht erscheint die Schrift: „Abu Hmeid, 43, ist zu fünfmal lebenslanger Haft verurteilt. Es gelang ihm, einen Sohn zu zeugen mithilfe von Sperma, das aus dem Gefängnis der Besatzung geschmuggelt wurde.“ Latifa Abu Hmeid sagt: „Ich sage jeder Mutter eines Gefangenen, deren Sohn im Gefängnis ist und dessen Strafe lang, zögere nicht, auf dass so viele Babys wie möglich geboren werden. Selbst zwei oder drei aus einem Bauch sind eine Leistung für das palästinensische Volk.“

Berichte über von im Gefängnis sitzenden Terroristen mit herausgeschmuggeltem Sperma gezeugte Babys sind nicht neu. Die Razan-Fruchtbarkeitsklinik in Nablus bietet laut einem Bericht der Jerusalem Post künstliche Befruchtung für die Frauen inhaftierter Terroristen kostenlos an. Normalweise kostet der Eingriff dort knapp 3.000 Euro. Die daraus angeblich resultierenden Babys werden im Fernsehen der Palästinensischen Autonomiebehörde als „Babys der Freiheit“ und „Botschafter der Freiheit“ bezeichnet. Die Jerusalem Post schrieb im November 2018, bis zu diesem Zeitpunkt seien angeblich 67 Babys auf diese Weise entstanden.

Wissenschaftliche Studien darüber, wie häufig das Zeugen von Kindern mithilfe von aus dem Gefängnis geschmuggeltem Sperma versucht wird und wie oft es gelingt, gibt es nicht. Bekannt ist es als Topos der populären Kultur. In der amerikanischen Pay-TV-Serie Die Sopranos etwa sagt Camilla Soprano zu ihrem Ehemann, dem Mafiaboss Tony, über zwei Kinder aus dem gemeinsamen Bekanntenkreis: „Sie werden wahrscheinlich durch ihr ganzes Leben gehen, ohne zu wissen, dass das Sperma ihres Vaters aus dem Gefängnis geschmuggelt wurde, um Nancy schwanger zu machen.“ Woraufhin Tony Soprano antwortet: „Das war das Mindeste, was ich tun konnte.“

Sucht man bei Google nach „Spermaschmuggel“ bzw. dem englischen Begriff sperm smuggling, dann findet man ausschließlich Artikel, in denen es um Terroristen der Hamas und der Fatah geht. Wie merkwürdig. Müsste es nicht auch anderswo auf der Welt Berichte über derartige Fälle geben – das heißt: wenn es denn wirklich geschehen würde? Müsste es nicht auch, wie bei jedem anderen Schmuggel, der in großem Stil betrieben wird, hin und wieder Fälle geben, die auffliegen?

Alex Feuerherdt hatte schon 2016 auf Mena Watch über den angeblichen Spermaschmuggel aus israelischen Gefängnissen berichtet. Anlass war ein Interview auf Spiegel online, in dem ein italienischer Fotograf dieses Phänomen geschildert hatte:

„Das Sperma des Vaters kommt in einen leeren Stift, der wiederum in einem Schokoriegel oder einer anderen Süßigkeit versteckt wird. Die Kinder bekommen die Süßigkeit als Geschenk, nehmen sie aus dem Gefängnis mit und geben sie der Mutter. Mit dem Röhrchen fährt sie dann zur Klinik.“

Anders als Spiegel online und die meisten Journalisten, die darüber schreiben, hatte Feuerherdt damals Zweifel daran geäußert, dass die betreffenden Babys tatsächlich auf die beschriebene Art gezeugt worden waren:

„So ist die Überlebensfähigkeit von Spermien bekanntlich stark begrenzt; nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, der kurz nach Hassans Geburt erschien, dauerte es aber alleine sechs Stunden, bis Hana al-Za’anin nach der Entgegennahme des Behältnisses mit dem Ejakulat in jener Klinik in Gaza ankam, wo die Insemination vorgenommen wurde. Spermien benötigen, will man sie für eine künstliche Befruchtung verwenden, in der Regel zudem deutlich bessere hygienische Bedingungen, als sie eine Gefängnisumgebung und ein Kugelschreiber bieten, der anschließend in einem Schokoriegel versteckt wird. … [Es] wird auch nicht in Betracht gezogen, dass die Zeugung … wesentlich weniger aufwendig verlaufen und etwa im Zuge von Seitensprüngen erfolgt sein könnte. Dass solche Ehebrüche in der islamischen palästinensischen Gesellschaft, zumal unter dem Regime der Hamas, um keinen Preis ruchbar werden dürften, liegt dabei auf der Hand.“

Allerdings. Wenn die Frau eines der „berühmtesten“ Fatah-Terroristen schwanger würde, obwohl jeder weiß, dass ihr Mann seit Jahren im Gefängnis sitzt, dann wäre das eine Schande für sie, ihren Mann, die Familie, den Clan, den Stamm, die Fatah, den „Widerstand“ insgesamt und für die ganze „palästinensische Nation“. Es wäre absolut undenkbar, eine solche Blamage zuzugegeben. Die Geschichte über den angeblichen Spermaschmuggel erscheint da als bequemer Ausweg, mag sie auch für weniger naive Zeitgenossen noch so unwahrscheinlich klingen.

Zusätzlich zu den Einwänden, die Feuerherdt vorgebracht hat, muss man sich vor Augen halten, dass es sich ja nicht um einen einmaligen Fall handelt, sondern der Spermaschmuggel aus israelischen Gefängnissen inzwischen angeblich schon industrielles Ausmaß erreicht hat. Liegt die Erfolgschance einer künstlichen Befruchtung unter optimalen Laborbedingungen bei vielleicht 20 Prozent je Eingriff, so sind im Schnitt fünf Versuche nötig. Bei mittlerweile rund 70 mithilfe von geschmuggeltem Sperma gezeugten Babys müsste also rechnerisch 350-mal Sperma geschmuggelt worden sein – aus dem Hochsicherheitstrakt eines israelischen Gefängnisses. Das erscheint sehr unwahrscheinlich.

Die Erzählung ist auch psychologisch nicht glaubhaft. Würde es diesen Schmuggel tatsächlich geben, würden die Palästinensische Autonomiebehörde und alle daran Beteiligten ihn nicht an die große Glocke hängen – bis hin zu Fernsehberichten –, sondern versuchen, ihn vor den israelischen Behörden geheim zu halten. Wenn jemand Drogen schmuggelt, prahlt er ja auch nicht damit, wie viel Kilo Koks er schon unbemerkt über die Grenze gebracht hat. Denn das würde schärfere Kontrollen nach sich ziehen und den Schmuggel in Zukunft erschweren.

Die Legende wird von arabischen Palästinensern geglaubt, weil sie geglaubt werden muss; wer daran öffentlich zweifeln würde, der wäre ein Verräter, würde Schande über die Familie, den „Widerstand“ und das „palästinensische Volk“ bringen und wäre wohl nicht mehr lange am Leben. Eine interessante Frage ist, ob auch die vermeintlichen Väter sie glauben. Das wäre nur dann möglich, wenn die untreue Ehefrau, nachdem sie ihre Schwangerschaft entdeckt, ihrem im Gefängnis sitzenden Mann mitteilt, dass sie einen Schmuggelplan ersonnen habe. Wird dann acht Monate später ein Baby geboren, kann der inhaftierte Terrorist glauben, er sei der Vater und sich womöglich für ein Genie halten, das die Zionisten ausgetrickst hat.

Es ist aber anzunehmen, dass ein Teil der inhaftierten Terroristen entweder zu intelligent ist, um bei einem von vornherein so aussichtslosen Unterfangen mitzumachen, oder mitbekommt, dass die Schmuggelaktion gescheitert ist. In beiden Fällen wissen die im Gefängnis schmorenden, von ihren Ehefrauen betrogenen Terroristen, dass die Geschichte mit dem Spermaschmuggel und der künstlichen Befruchtung nicht stimmen kann, da sie ihr Sperma ja entweder niemals auf den Weg geschickt haben oder es nicht angekommen ist. Wie müssen sie sich dann fühlen, wenn sie von der Geburt ihres angeblichen Kindes erfahren und Gratulationen empfangen? Beziehungsstatus: Es ist kompliziert.

Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass an der Story doch etwas Wahres ist? Nur mit Wissen und stillschweigender Billigung der israelischen Behörden wäre so etwas überhaupt denkbar. Bei der Sicherheitskontrolle am Ausgang des Gefängnisses müssten sich dann regelmäßig bizarre Szenen abspielen, die man sich ungefähr so vorstellen kann.

Schau mal, Itai, die Tochter von Nasr Abu Hmeid hat in ihrer Tasche schon wieder ein total zerquetschtes Snickers versteckt, in dem ein Kugelschreiber mit Sperma steckt. Was sollen wir machen?“

 „Lass sie passieren. Was sie sonst noch für Süßigkeiten dabei hat, will ich lieber gar nicht erst wissen.“

 

MENA Watch


Autor: Stefan Frank
Bild Quelle:


Montag, 01 Juli 2019