Worum es der Israelboykottbewegung BDS wirklich geht

Worum es der Israelboykottbewegung BDS wirklich geht


BDS-Aktivisten selbst scheren sich herzlich wenig darum, wessen Produkte sie in ihrem Kampf gegen den jüdischen Staat nutzen – und verwenden für ihre Propaganda schon mal Technologie zu deren Boykott sie eigentlich aufrufen.

 Worum es der Israelboykottbewegung BDS wirklich geht

Von Stefan Frank

Welche Firmen müsste ein gewissenhafter Israel-Boykotteur meiden? Auf jeden Fall Microsoft, Intel, Google, Dell, Samsung, Apple, Facebook (samt WhatsApp und Instagram), dazu noch eine Menge mehr. Doch die Boykottenergie reicht offenbar nur für sehr wenige Ziele. Dazu gehören etwa:

der Hersteller der beliebten Trinkwassersprudler SodaStream (woraus nach der Übernahme durch Pepsi eigentlich ein Pepsi-Boykott hätte werden müssen, der aber sicherlich nicht kommen wird),

der Baumaschinenhersteller Caterpillar (was besonders absurd ist, schließlich wird ohnehin kaum ein privater Verbraucher je eine Planierraupe, einen Bagger oder einen Muldenkipper kaufen)

oder der den israelischen Fußballverband sponsernde Sportartikelkonzern Puma (was ebenso absurd wie bezeichnend für die wahren Absichten der BDS-Aktivisten ist angesichts der Tatsache, dass fünf der Stammspieler des Nationalteams arabische Israelis sind).

Ein BDS-Evergreen

Ein Evergreen ist die Kampagne gegen Hewlett-Packard (HP). Boykottaufrufe gegen HP werden seit vielen Jahren immer wieder neu aufgelegt und stets wird so getan, als sei die Kampagne brandneu und gerade besonders dringend. Sie ist so zentral für BDS, dass sie sogar eine eigene deutschsprachige Website hat, die jede „Aktion“ akribisch dokumentiert. Einige Kostproben:

„Berlin: Protestaktion gegen die Geschäfte von Hewlett Packard mit der israelischen Unterdrückungsmaschinerie!“ (18. Juli 2017); „Protestaktion gegen Hewlett Packard am 3.3. vor SATURN am Alexanderplatz“ (27. Februar 2018); „Soziale Medien-Aktion in Protest gegen die HPE Veranstaltung in Las Vegas!“ (10. Juni 2018); „Ein Aufruf zur Aktion zur Unterstützung der palästinensischen Menschenrechte – Kauft keine HP Produkte!“ (14. Juli 2018); „BDS Austria protestiert vor der österreichischen HP-Zentrale“ (30. November 2018); „Nehmt an der ‚Global BDS Week of Action’ gegen HP teil!“ (6.Juli 2019); „Erfolg für die Boykott-HP-Kampagne: Die niederländische Gewerkschaft FNV streicht HP als Partner für Angebote an Mitglieder“ (24.April 2019).

Wer auch immer diese Artikel schreibt und die darin beworbenen Aktionen organisiert, muss Hewlett-Packard wirklich verdammt hassen. Was mag dahinter stecken?

Betrieben wird die Website von Doris Ghannam. Laut der Berliner Tageszeitung Tagesspiegel ist Ghannam eine von zwei „zentralen Akteurinnen der Berliner [BDS-] Ortsgruppe“ und pflegt freundschaftliche Beziehungen zur Terrororganisation PFLP. Der vorgebliche Grund für die Obsession mit Hewlett-Packard: „Das US-amerikanische Unternehmen spielt eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung von Technologien, die Israel gegen die palästinensische Bevölkerung einsetzt.“ So steht es auf der Website „Stop HP“.

Dürftige Beweislage

Eine Schlüsselrolle also. Technologien, die Israel gegen die palästinensische Bevölkerung einsetzt – aha. Als Beleg für diese These wird auf die Website der BDS-Organisation Who profits verwiesen, die schwarze Listen von Unternehmen führt, die Geschäftsbeziehungen mit Israel pflegen. Dort findet man allerdings auch nichts Konkretes. Vielmehr gesteht Who profits sogar ein, den Überblick über das Unternehmen Hewlett-Packard verloren zu haben – denn aus einem Unternehmen wurden vor vier Jahren drei. Who profits stellt indigniert fest:

 

Und das, obwohl die globale Zivilgesellschaft ja derzeit sicherlich keine dringenderen Probleme hat. Was Who profits dann an „Beweisen“ gegen die insgesamt drei Nachfolgeunternehmen der alten Hewlett-Packard auffährt, ist dürftig. Da ist die Rede davon, dass die israelische Bevölkerungs- und Einwanderungsbehörde sowie die Polizei und die Armee Server von Hewlett-Packard benutzten. Da Hewlett Packard Enterprise (HPE) der Marktführer auf diesem Gebiet ist, ist das durchaus möglich. Die Mühe, für diese Information Belege anzuführen, macht Who profits sich indessen nicht.

Moralische Geschütze und Lügen

Stattdessen werden schwere moralische und rhetorische Geschütze aufgefahren:

„Unternehmen der Marke HP bieten und betreiben Technologien, mit denen Israel sein System der Apartheid, Besetzung und Siedlerkolonialisierung über das palästinensische Volk aufrechterhält. Die Verletzungen der palästinensischen Menschenrechte durch Hewlett Packard sind gut dokumentiert.

 Neben der Bereitstellung von Diensten und Technologien für die israelische Armee und Polizei, die die illegale Besetzung und Belagerung des Gazastreifens durch Israel aufrechterhalten, stellt HP der israelischen Bevölkerungs- und Einwanderungsbehörde die exklusiven Itanium-Server für das Aviv-System zur Verfügung. Dieses System ermöglicht der Regierung die Kontrolle und Durchsetzung ihres Systems der Rassentrennung und Apartheid gegenüber palästinensischen Staatsbürgern Israels und ist direkt am israelischen Siedlerkolonialismus beteiligt, indem sie Informationen über israelische Staatsbürger in illegalen Siedlungen in der besetzten palästinensischen West Bank.“

Selbstverständlich gibt es in Israel keine „Rassentrennung“ und „Apartheid“. Das nämlich ist ein Trick der BDS-Propaganda: Sie rückt ein einzelnes Unternehmen in den Blickpunkt und behauptet, dieses würde „Apartheid“, „Rassentrennung“ und „Siedlerkolonialismus“ in Israel unterstützen. Abgelenkt und verwirrt von Details, die Sachkenntnis vortäuschen („Itanium-Server“, „Aviv-System“) schlucken viele Leser die große ideologische Lüge, die so vorgebracht wird, als sei sie allgemein anerkanntes Wissen. Gleichzeitig wird vorgetäuscht, dass es sich um eine weltweite Massenbewegung handle und derjenige moralisch sei, der sich ihr anschließt.

Fragt man, welche Vorwürfe den drei HP-Nachfolgern oder einem von ihnen gemacht werden (die Boykotteure nehmen es in der Regel nicht genau und rufen einfach zum pauschalen Boykott von „Hewlett-Packard“ auf), findet man nichts Substanzielles. HP liefert also die Technologie für das israelische Bevölkerungsregister – na und? Jetzt kommt’s: Auf der Seite von Friends of Sabeel North America (FOSNA) – einem der großen amerikanischen BDS-Organisationen und Hauptakteure beim HP-Boykott – heißt es über das Bevölkerungsregister:

„In diesem System haben jüdische Bürger mehr Rechte als nichtjüdische Bürger, und nichtjüdische Bürger mehr Rechte als Nichtbürger.“

Der erste Teil des Satzes ist eine Lüge, der zweite eine Trivialität: Selbstverständlich haben in Israel „Bürger mehr Rechte als Nichtbürger“, in welchem Land der Welt ist das nicht der Fall? Weil der Staat Israel in den Augen der Boykotteure kein Recht hat zu existieren, wird ihm auch das Recht abgesprochen, die Zuständigkeit für Aufgaben wahrzunehmen, die in die Hoheit von Staaten fallen – wie etwa die Erhebung und Speicherung von Bevölkerungsdaten. Das Normale wird in dieser Propaganda zum Skandal gemacht; der aus Sicht der Boykotteure eigentliche Skandal ist, dass es Israel überhaupt gibt. Dieser „Skandal“ bekommt den Namen „Siedlerkolonialismus“.

Anti-HP-Kampagne als Türöffner …

 Mit Hewlett-Packard hat all das wenig zu tun. Das Schlagwort „Boykottiert XY“ fungiert allein als Türöffner. Als Türöffner für Propaganda, die im Mantel der Menschenrechtsrhetorik daherkommt und im buchstäblichen Sinne als Türöffner, um BDS-Demagogen vor Publikum zu bringen. So ergeht an die Adresse nordamerikanischer Christen der Aufruf „Mach deine Kirche HP-frei“, gefolgt von dem Vorschlag, für dieses komplizierte Thema doch am besten einen „palästinensischen Redner“ von einer Liste auszusuchen und ihn in die Gemeinde einzuladen, denn schließlich könne „niemand die Geschichte Palästinas besser erzählen als ein Palästinenser“.

Wie sich denken lässt, stehen auf der Liste keine aufrichtigen Menschenrechtler, sondern ausschließlich Personen, für die die Gründung des Staates Israel ein Verbrechen und Israel ein „Apartheidsregime“ ist, das es zu beseitigen gelte.

Da ist etwa die Juristin und ehemalige PLO-Sprecherin Diana Buttu, die 2014 die Hamas gegen den Vorwurf in Schutz nahm, Raketen in UN-Schulen zu lagern und von dort abzuschießen, mit dem Argument: „Es sind Ferien.“ Oder Rabab Abdulhadi, Professorin an der San Francisco State University, die im Stile der Sowjetpropaganda von ihrem amtlichen Facebook-Account aus die Botschaft verbreitet, dass „Zionismus = Rassismus“ sei und Studenten in Vorlesungen erzählt, Zionisten seien „weiße Suprematisten“.

… für antisemitische Theologen

Da sind auch Theologen, deren Ziel es ist, den christlichen Antisemitismus mittelalterlicher Prägung wiederzubeleben, von dem sich die großen christlichen Kirchen nach der Shoah distanziert haben.

Zu den Kernelementen dieses Antisemitismus gehörten der gegen die Juden erhobene Vorwurf des „Gottesmords“ und die Lehre, dass Gott den Bund mit den Juden aufgekündigt habe und an dessen Stelle ein Bund mit den Christen getreten sei (diese Lehre bezeichnet man als Ersatztheologie oder Supersessionismus). Beides wird durch palästinensische Pastoren, die der BDS-Bewegung angehören, wieder zurück in westliche Kirchen getragen.

Der „Hewlett-Packard-Boykott“ ist hierfür ein Vehikel. So finden sich auf der Liste von Rednern, welche Kirchen zu vermeintlichen Informationsveranstaltungen über Hewlett-Packard einladen könnten, etwa die Theologen Alex Awad und Naim Ateek. Awad ist ein baptistischer Pastor aus Jerusalem, der jener Szene angehört, die 2009 das Dokument „Kairos Palästina“, einen christlich verbrämten Boykottaufruf gegen Israel, veröffentlichte. Awad bekennt sich ausdrücklich zur Ersatztheologie: „Der neue Bund, der durch das Kommen des Messias eingeführt wurde, hat den alten Bund obsolet gemacht“, sagte er in einem Interview. Ateek ist der Gründer des Sabeel Ecumenical Liberation Theology Center in Jerusalem.

Die amerikanischen Filialen von Sabeel sind die oben erwähnten Friends of Sabeel North America (FOSNA) und prägen die Anti-HP-Kampagne maßgeblich. So ist es keine Überraschung, dass auch Ateek als Redner empfohlen wird. Was er zu sagen hat, ist reiner Antisemitismus. Israel habe die Selbstmordbomber „selbst geschaffen“, schrieb Ateek 2003 auf dem Höhepunkt der Serie von Massenmorden an israelischen Zivilisten. In einer „Osterbotschaft von Sabeel“ ließ er keinen Zweifel daran, wes Geistes Kind er ist:

„In dieser Fastenzeit scheint es vielen von uns, dass Jesus wieder ans Kreuz genagelt ist, zusammen mit Tausenden von gekreuzigten Palästinensern um ihn herum. Es braucht nur Menschen von Einsicht, um die hunderttausenden Kreuze überall im Land zu sehen, palästinensische Männer, Frauen und Kinder, die gekreuzigt werden. Palästina ist zu einem riesigen Golgatha geworden. Das Kreuzigungssystem der israelischen Regierung arbeitet täglich. Palästina ist zur Schädelstätte geworden.“

Wie BDS funktioniert

BDS-Propaganda unterscheidet sich im Hinblick auf das Bild, das sie von Juden zeichnet, nicht von Nazipropaganda. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied, was das Zielpublikum betrifft: Nazipropaganda spricht nur Nazis an. BDS hingegen wird von einem breiten antisemitischen Bündnis getragen, das von Linken und radikalen Pazifisten bis hin zu Terroristen der Hamas, Fatah und PFLP reicht.

In Listen von BDS-Unterstützern tauchen immer wieder die Namen von Kirchen auf, die für ihre bedingungslose Gewaltlosigkeit bekannt sind, wie etwa die Quäker oder die Mennoniten. Den Terrorgruppen, die hinter BDS stehen, eröffnet die Kampagne also ein Publikum, welches sie mit der Gewaltverherrlichung, die sie vor heimischem Publikum betreiben, verprellen würden. Es ist die Taktik, die Jassir Arafat stets angewandt hat: sich nach innen als Täter zu rühmen, nach außen aber als Opfer zu inszenieren.

Mit der Anti-HP-Kampagne wird ein linkes, linksliberales oder christliches Publikum angesprochen, das empfänglich ist für die verwendeten Begriffe und Bilder. Ist das Interesse geweckt, werden die Rezipienten mit Texten bearbeitet, in denen mit hoher Frequenz Begriffe aus dem Menschenrechtsdiskurs benutzt werden: „Apartheid“, „Rassentrennung“, „Kolonialismus“, „Kriegsverbrechen“ usw. Sie werden in der Regel nicht erläutert oder belegt; vielmehr arbeitet BDS mit der Strategie, die man aus dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ kennt: Niemand will als unwissend erscheinen, also werden viele, die von Israels angeblicher „Apartheid“ noch nie gehört haben, die Behauptungen darüber nicht in Frage stellen, vor allem dann nicht, wenn diese mit der größten Selbstverständlichkeit und Emphase vorgebracht werden.

Das Bild von der „Apartheid“ wird nicht durch Argumente gestützt, sondern durch den Aktivismus selbst. Die Masche: Wenn Leute gegen Israel zu Boykotten aufrufen, wie sie einst gegen das Apartheidregime in Südafrika verhängt wurden, dann müssen die beiden Fälle ja wohl irgendwie vergleichbar sein.

Falsche historische Analogien

Die Anti-HP-Kampagne zeigt das Bemühen der BDS-Organisatoren, das historische Vorbild bis ins Detail zu kopieren: Hewlett-Packard wurde als passender Statist im Reenactment des Südafrikaboykotts entdeckt:

„Just so, wie die Firma Polaroid ein Schlüsselziel des Boykotts während der Apartheidära war, weil sie Bildsysteme für das berüchtigte Passsystem Südafrikas war, sollten Menschen mit Gewissen heutzutage HP-Firmen boykottieren, weil sie Bild- und Technologiesysteme für Israels Apartheid liefern“,

sagt die südafrikanische BDS-Aktivistin Caroline Hunter. Da Hunter in den 1970er-Jahren als schwarze Südafrikanerin am Boykott gegen Polaroid beteiligt war, ist ihre Unterstützung für die BDS-Propaganda Gold wert. Das ist auch der Grund, warum der „Hewlett-Packard-Boykott“ weiter eine, wenn nicht sogar die zentrale Kampagne der Israelhasser bleiben wird. Und das in einer Zeit, wo Israel das Silicon Valley des Nahen Ostens ist und zur Speicherung und Verarbeitung seiner Daten gewiss nicht auf ausländische Unterstützung angewiesen ist (den Staat Israel als schwach und verwundbar darzustellen, um die Moral derer zu heben, die ihn bekämpfen, ist ein weiteres implizites Ziel der BDS-Kampagne).

Falsche Analogiebildungen und Appelle ans Gefühl ersetzen Fakten und Argumente: Wenn jemand, der gegen die Apartheid in Südafrika gekämpft hat, nun sagt, in Israel gebe es ebenfalls Apartheid und das Unternehmen X tue dasselbe, was das Unternehmen Y im Südafrika der Apartheid gemacht hat, dann wird das wohl stimmen, so die Logik. „Hewlett-Packard ist das Polaroid unserer Zeit“, lautet daher ein BDS-Schlagwort.

Worum es BDS wirklich geht

Es geht dabei nie um einen wirklichen Boykott. BDS-Aktivisten scheren sich wenig darum, wessen Technologie sie nutzen und ob die aus Israel kommt oder dort eingesetzt wird. Als die amerikanische BDS-Führerin Ariel Gold – sie ist Co-Direktorin von Code Pink und Vorsitzende des Ithaca Committee for Justice in Palestine – im April 2017 in einer methodistischen Kirche zum Boykott von HP aufrief, da tat sie das mit einem Laptop von HP.

Worum es bei der Kampagne wirklich geht, ist, Menschen in ihrem Antisemitismus zu bestärken oder Leute, die zwar naiv, aber keine Antisemiten sind, zu Antisemiten zu machen.

Einige werden vielleicht ursprünglich tatsächlich angelockt von einem Projekt, das mit den Mitteln der Reklame arbeitet und vorgibt, Menschenrechten zu dienen. Bald hören sie von „Apartheid“, und wenn sie sich dann immer noch nicht angewidert abwenden, kommt bald darauf jemand, der ihnen erzählt: „Das Kreuzigungssystem der israelischen Regierung arbeitet täglich.“

Aktivisten, deren Rhetorik der des Stürmer-Herausgebers Julius Streicher ähnelt, gerieren sich als Menschenrechtler. Hewlett-Packard, SodaStream oder welches Unternehmen auch immer gerade boykottiert werden soll, fungiert nur als Köder. BDS ist wie ein Computervirus, der, sobald er ein System infiziert hat, ständig weitere Schadsoftware nachlädt.

 

MENA Watch - Foto: Anti-BDS-Plakat

 


Autor: Stefan Frank
Bild Quelle: Twitter


Freitag, 01 November 2019