Adieu, SPD!

Adieu, SPD!


Nach einer monatelangen Road-Show mit 23 Regionalkonferenzen, bei denen die Parteibasis zu Worte kam, blieben von anfangs acht Bewerberpaaren für den Vorsitz der SPD zwei übrig. Jeweils ein Mann und eine Frau, wie es die Regeln der Parität fordern, obwohl es auf die geschlechtliche Zugehörigkeit eigentlich nicht ankommen sollte.

Adieu, SPD!

Von Henryk M. Broder

Denn die ist, wie wir inzwischen gelernt haben, ein soziales Konstrukt.

Rückblickend will sich niemand dazu bekennen, das Verfahren initiiert zu haben, mit dem die Partei demonstrieren wollte, wie „basisdemokratisch“ sie aufgestellt ist. Tatsächlich aber steckt sie in einer tiefen Krise, nachdem sie seit der „Wende“ 1990 nicht weniger als 13 Vorsitzende verschlissen hat, zuletzt Martin Schulz und Andrea Nahles, die beide erst als Retter in der Not gefeiert und am Ende gnadenlos entsorgt wurden. 

Im Umgang mit ihren Vorsitzenden verhält ich die SPD wie ein Bauunternehmen gegenüber Leiharbeitern. Der Weg vom Lückenfüller zum Sündenbock ist kurz und wird jedes Mal kürzer.

Nun ist „die älteste und traditionsreichste deutsche Partei“, wie es immer wieder heißt, wenn über die SPD geredet wird, dort angekommen, wo auch andere alte und traditionsreiche Firmen wie Woolworth (Einzelhandel), Babcock (Maschinenbau) und Holzmann (Hoch- und Tiefbau) ihre letzte Ruhestätte gefunden haben – im Abgrund der verpassten Gelegenheiten.

Jeder vernunftbegabte Mensch würde in einer solchen Situation anfangen zu beten, es möge ein Wunder geschehen, nur die SPD wählt eine Genossin und einen Genossen an die Spitze, die außerhalb ihrer Ortsvereine kaum jemand kennt. Norbert Walter-Borjans war immerhin mal Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, seine Mitstreiterin Saskia Esken gehörte dem Gemeinderat von Bad Liebenzell und dem Kreistag des Landkreises Calw in Baden-Württemberg an, bevor ihr über die Landesliste der Einzug in den Bundestag gelang.

Was will die SPD ihren Wählern damit zu verstehen geben? Sucht euch eine andere Partei! Wir wollen nicht gewinnen, wir wollen nicht regieren, wir haben fertig! Wir steigen aus der Geschichte aus!  

Das wäre ein ehrliches Statement. Und ein schönes letztes Wort, 156 Jahre nach der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins.

 

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche und der Achse des Guten.


Autor: Henryk M. Broder:
Bild Quelle: Stefan Klinkigt / Screenshot


Sonntag, 08 Dezember 2019