Die grüne Nummer

Die grüne Nummer


Ich weiß, man soll nicht gleich `Nazi!´ schreien, wenn einem irgendetwas auffällt, das Erinnerungen an die Nazi-Zeit weckt.

Die grüne Nummer

Von Henryk M. Broder

Das Tanzverbot am Karfreitag zum Beispiel, das für alle Länder der Bundesrepublik gilt, aber in jedem anders gehandhabt wird, hat seinen Ursprung in einer Regelung, die von den Nazis als ein „Ausdruck der Solidarität der Jugend mit der kämpfenden Front“ eingeführt wurde.

Auch das steuerliche „Ehegattensplitting“ steht in der Tradition der NS-Familienpolitik. Und wer am 1. Mai für mehr soziale Gerechtigkeit und höhere Löhne demonstriert, sollte wissen, dass der „Kampftag der Arbeiterklasse“ im Dritten Reich als „Tag der nationalen Arbeit“ begangen wurde. Auch die Autobahn und der Volkswagen standen auf dem To-Do-Zettel der Nazis weit oben.

Und so war ich nur mäßig überrascht, als ich neulich las, die Stadt Vilshofen an der Donau würde Hausbesitzern, „die nachhaltig leben“, eine „grüne Hausnummer“ geben, die allen, die vorbeigehen oder vorbeifahren, signalisieren soll, dass der Besitzer der Immobilie einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leistet.

Und war da nicht der Gelbe Stern?

Voraussetzung sei, dass beim Bau energieeffiziente Materialien zum Einsatz kamen und auch an eine Solaranlage gedacht wurde. Wer öffentliche Verkehrsmittel nutzt oder mit einem E-Auto zur Arbeit fährt, der bekommt die „grüne Nummer“ eher als sein Nachbar, der möglicherweise kalt duscht, aber mit einem Benziner oder Diesel die Luft verpestet. Diese Art der positiven Stigmatisierung werde in anderen Gemeinden bereits erfolgreich praktiziert.

Ich konnte nicht umhin, ich musste sofort an den „gelben Stern“ denken, den die Juden vom 1. September 1941 an im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten tragen mussten, um den Nazis die Erkennungsarbeit zu erleichtern.

Die Analogie mag übertrieben sein, ganz daneben ist sie nicht. Zum einen ist der Umweltschutz das Einfallstor für den Überwachungsstaat, der seine Bürger bis ins Badezimmer kontrolliert. Zum anderen kommt er dem deutschen Bedürfnis nach Aussondern und Denunzieren entgegen. Dass es diesmal nicht die Juden trifft, sondern die Umweltsünder, macht die Sache nicht besser, es zeigt nur, wie flexibel und nachhaltig eine Tradition sein kann. 

Kurzum: Moosgrün ist das neue Hellbraun.

 

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche und der Achse des Guten.


Autor: Henryk M. Broder:
Bild Quelle: Creative Commons CC0 Pixabay


Sonntag, 15 Dezember 2019