Wie Menschenrechte zur Lachnummer gemacht werden

Wie Menschenrechte zur Lachnummer gemacht werden


Nimmt man den UN-Menschenrechtsrat ernst, soll die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse eine Gefährdung der Menschenrechte darstellen.

Wie Menschenrechte zur Lachnummer gemacht werden

Von Evelyn Gordon

Wenn Sie verstehen wollen, wie empörend die Schwarze Liste der UNO über Unternehmen wirklich ist, die in israelischen „Siedlungen“ tätig sind, dann vergessen Sie für einen Moment deren antiisraelische Ausrichtung und Verdrehung des internationalen Rechts, so wichtig diese Themen auch sind. Messen Sie sie stattdessen einfach ihrem eigenen Maßstab: eine Zusammenstellung von Unternehmen zu sein, die „Aktivitäten durchführen, die besondere Bedenken in Bezug auf die Menschenrechte aufwerfen“.

Welche schrecklichen Aktivitäten unternehmen diese 112 Unternehmen? Nun, es gibt unter ihnen mehrere Supermarktketten, die Lebensmittel sowohl an Israelis als auch an Palästinenser im Westjordanland, auf den Golanhöhen und in Ostjerusalem verkaufen. Es gibt mehrere Kraftstofffirmen, die Tankstellen betreiben, an denen sowohl Israelis als auch Palästinenser ihre Autos tanken.

Es gibt mehrere Bus- und Bahngesellschaften, die öffentliche Verkehrsmittel bereitstellen, die von Israelis und Palästinensern gleichermaßen genutzt werden. Es gibt Telefongesellschaften (Handy und Festnetz), die allgemeine Kommunikationsdienste anbieten. Es gibt Banken, die grundlegende Bankdienstleistungen anbieten. Es gibt ein Wasserunternehmen, das Trinkwasser liefert und Abwasser entsorgt.

Es gibt auch mehrere Lebensmittel- und Bekleidungshersteller wie General Mills, Angel Bakeries und Delta Galil, deren Verbrechen anscheinend nur darin besteht, dass ihr Getreide, Brot und ihre Unterwäsche in den Regalen der Supermärkte im Westjordanland, auf den Golanhöhen und in Ostjerusalem zu finden sind.

Kurz gesagt, fast alle Unternehmen auf der Schwarzen Liste haben einfach mit grundlegendsten menschlichen Bedürfnissen zu tun – nach Nahrungsmitteln, Wasser, Transport und Kommunikation. Einige dieser Bedürfnisse werden von den Vereinten Nationen selbst als unveräußerliche Rechte definiert: Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt, dass „jede Person“ ein Recht auf „Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Betreuung und notwendige Leistungen der sozialen Fürsorge“ hat; es gibt kein Sternchen, das besagt: „gilt nicht für Siedler“. Andere, wie Transport und Kommunikation, werden nicht als Rechte betrachtet, aber sie werden in jedem anderen Zusammenhang als positive Güter gesehen.

Im Gegensatz dazu konnten die Vereinten Nationen kein einziges Unternehmen finden, das die „palästinensischen Finanz- und Wirtschaftsmärkte“ einschränkt oder „Praktiken unterhält, die palästinensische Unternehmen benachteiligen, u.a. durch Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie durch administrative und rechtliche Zwänge“ – etwas, das tatsächlich Bedenken hinsichtlich der Menschenrechte aufwerfen könnte. Und nur drei der Unternehmen waren an der Bereitstellung von „Überwachungs- und Identifizierungstechnologie für die Siedlungen, die Mauer und die direkt mit den Siedlungen verbundenen Kontrollpunkte“ beteiligt – was zumindest düster klingt, wenn man nicht weiß, dass diese Ausrüstung lediglich dazu dient, Terroristen daran zu hindern, Kinder in ihren Betten abzuschlachten (siehe Familie Fogel, Hallel Ariel und viele andere).

Um zu erkennen, wie absurd diese Liste ist, unternehmen Sie ein einfaches Gedankenexperiment: Syrische und russische Soldaten schlachten seit neun Jahren fast täglich Zivilisten in Syrien ab; die Zahl der Todesopfer beträgt mehr als eine halbe Million, Tendenz steigend. Aber glaubt jemand, dass die Supermärkte, die diesen Soldaten Lebensmittel verkaufen, oder das Wasserunternehmen, das ihre Stützpunkte mit fließendem Wasser versorgt, „Tätigkeiten ausüben, die besondere Menschenrechtsprobleme aufwerfen“? Natürlich nicht; wir glauben, dass selbst die schlimmsten Mörder ein Recht auf Nahrung, Wasser und Kleidung haben. Genau deshalb stellen alle Länder Kriminellen im Gefängnis solche grundlegenden Dinge zur Verfügung.

Der Begriff Menschenrechtsverletzungen hat sich früher auf schwere Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung und ethnische Säuberungen bezogen. Aber jetzt kommt der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und sagt, dass selbst Güter zu Erfüllung grundlegender menschlicher Bedürfnisse – Lebensmittel, Wasser, Transport und Kommunikation – „besondere Menschenrechtsprobleme“ aufwerfen. Dadurch wird die „Sorge um Menschenrechte“ zu einem schlechten Witz: Wenn jede menschliche Aktivität die „Sorge um Menschenrechte“ aufwirft, dann hat der Begriff jede Bedeutung verloren.

Aber damit ist die Absurdität noch nicht zu Ende. In einer Presseerklärung zur Schwarzen Liste schrieb das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte:

„Obwohl die Siedlungen als solche nach internationalem Recht als illegal angesehen werden, liefert dieser Bericht keine rechtliche Charakterisierung der fraglichen Aktivitäten oder der Beteiligung von Wirtschaftsunternehmen an ihnen.“

Oder im Klartext: Die fraglichen Aktivitäten sind weder illegal, noch verletzen die Unternehmen durch ihre Beteiligung internationales Recht (da ich das Dokument streng an seinen eigenen Maßstaben messe, werde ich die falsche Charakterisierung der Siedlungen als illegal ignorieren).

Bislang sind Menschenrechtsverletzungen sowohl nach dem Völkerrecht als auch nach den Rechtsordnungen aller westlichen Länder illegal (man denke an Mord, Folter oder Vergewaltigung). Aber es ist unmöglich, jede gewöhnliche menschliche Aktivität zu kriminalisieren. Genau aus diesem Grund verbietet das Völkerrecht, wie der Rechtswissenschaftler Eugene Kontorovich festgestellt hat, in Wahrheit nicht, in besetzten Gebieten Geschäfte zu machen – eine Position, die von europäischen Gerichten immer wieder aufrechterhalten wird.

Aber jetzt kommen die Vereinten Nationen und sagen, dass eigentlich viele Dinge völlig legal sein können, obwohl sie „besondere Menschenrechtsprobleme“ aufwerfen. (…)

In Israel und unter seinen Unterstützern gab es große Bedenken, dass die Schwarze Liste zu Boykotten und Sanktionen gegen die angeführten Unternehmen führen könnte. Das ist ein Grund, warum sie über alle Parteigrenzen hinweg verurteilt wurde. (Der andere ist die offensichtlich diskriminierende Art und Weise, auf die Israel ins Visier genommen wird – irgendwie haben sich die Vereinten Nationen nicht die Mühe gemacht, Schwarze Listen von Unternehmen zu veröffentlichen, die im besetzten Nordzypern, in der besetzten Westsahara oder in anderen besetzten Gebieten tätig sind). Sogar die am weitesten linksstehende der jüdischen Parteien Israels, die gemeinsame Wahlplattform Labor-Gesher-Meretz, hat die Veröffentlichung der Liste eindeutig abgelehnt. (Sehr zur Bestürzung von Israels radikalen Linken).

Weil aber die meisten der gelisteten Unternehmen Anbieter von Basisdienstleistungen sind, werden die wirtschaftlichen Auswirkungen wahrscheinlich nur gering sein. Die meisten dieser Firmen exportieren weder viel, noch ziehen sie größere ausländische Investitionen an. Und da ihre Geschäfte fast ausschließlich vom Verkauf oder der Bereitstellung von Dienstleistungen an Israelis (und Palästinenser) abhängen, könnten die Boykotteure sie eigentlich nur boykottieren, wenn sie selbst nach Israel ziehen würden.

Die wirkliche Gefahr geht vielmehr von der Art und Weise aus, wie diese schwarze Liste die Idee der Menschenrechte selbst herabwürdigt. Laut dem UN-Menschenrechtsrat gibt es praktisch keinen Unterschied zwischen Massenmord und dem Verkauf von Lebensmitteln: beide rufen „besondere Sorgen um die Menschenrechte“ hervor. Kein Mensch mit auch nur minimalen moralischen Grundsätzen kann das ernst nehmen – die „Sorge um Menschenrechtsverletzungen“ gerät zur Lachnummer und die Achtung der wirklichen Menschenrechte wird untergraben.

Und wie immer in solchen Fällen, sind die größten Verlierer all die Menschen weltweit, die unter Mord, Folter, Vergewaltigung und anderen echten Misshandlungen leiden. Denn ihre Schreie werden von dem Lärm übertönt, den der erhabene Kreuzzug der UNO gegen Supermärkte und Tankstellen verursacht.

(Der Text ist unter dem Titel „Turning human rights into a bad joke“ beim Jewish News Service erschienen. Übersetzung für Mena-Watch von Florian Markl.)

 

MENA Watch -


Autor: MENA Watch
Bild Quelle: Screenshot


Montag, 24 Februar 2020