Gedanken zum Debakel in Afghanistan

Gedanken zum Debakel in Afghanistan


Das Interview führte Niram Feretti.

Gedanken zum Debakel in Afghanistan

rage: Wie bewerten Sie, was gerade in Afghanistan geschah?

Antwort: Diese Katastrophe hat zwei große Auswirkungen für die Welt außerhalb: Den Sieg der Taliban und die Niederlage Amerikas. Es wirkt widersprüchlich, aber der Triumph der Taliban schadet dem Islamismus und sogar dem Islam, weil die Taliban einen solchen Extremismus repräsentieren, dass ihr Erfolg viele mehr Muslime abstößt als er anzieht. Die amerikanische Niederlage wird Regierungen nutzen, die den USA feindlich gesinnt sind, da US-Verbündete sich nach allen Seiten absichern.

F: Noah Rothman schrieb in Commentary: "Es ist unklar, was die USA genau mit dem Abzug ihrer kleinen, erschwinglichen und effektiven Abschreckungstruppe gewonnen haben, die in Afghanistan verblieben war, um dessen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Es ist nervtötend offensichtlich, dass wir verloren haben: nationales Prestige, gewaltige Summen politisches Kapital, Glaubwürdigkeit auf der Weltbühne und, am greifbarsten, unsere Sicherheit. Die Welt ist heute weit gefährlicher, als sie es vor 72 Stunden war." Stimmen Sie dem zu?

A: Ja, komplett. Mehrere Fakten machen diesen Abzug noch schmerzlicher. Wie Jeff Jacoby festhält, hat es in den letzten eineinhalb Jahren keine amerikanischen Todesopfer gegeben; es gab nur 2.500 amerikanische Soldaten in Afghanistan, weniger als an Orten wie Dschibuti (3.000), Bahrain (5.000) und Kuwait (13.000); und US-Truppen sind nur 20 Jahre lang in Afghanistan gewesen, weit weniger als die mehr als 70 Jahre in Deutschland und Südkorea. Warum also die Ungeduld? Der frühere Vizepräsident Mike Pence deutet an, dass Präsident Biden "schlicht nicht den Anschein erwecken wollte, er halte die Bedingungen eines Deals ein, den sein Vorgänger aushandelte". Das macht für mich Sinn.

F: Wird das Comeback der Taliban dem Jihadismus einen Schub geben?

A: Ja. Ironischerweise erwarte ich, dass Nachbarn wie der Iran, Pakistan und China sowie Beinahe-Nachbarn wie die Türkei und Russland mehr unter von den Taliban gestützter Gewalt leiden werden als die Vereinigten Staaten. Die Taliban haben viele offene Rechnung und Kämpfe, die sie in ihrer Region ausfechten. Dazu kommt, dass die Basis für die Anschläge vom 9/11 zu bieten ihnen nicht gut tat.

F: Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die USA westliche Werte und westliche Sicherheit garantiert; aber in den letzten 15 Jahren haben eine amerikanische Tendenz erlebt Truppen aus gefährlichen Orten wie Syrien, dem Irak und Afghanistan abzuziehen. Was bedeutet das für die amerikanische Glaubwürdigkeit?

A: Das hat die Glaubwürdigkeit der USA und ihre Abschreckung ausgehöhlt. Grundsätzlich hat die Führung in Washington stärker zu militärischen Zusammenstößen tendiert – Sie können der Liste den Balkan und Somalia hinzufügen – als die amerikanische Bevölkerung. Das führt zu wiederkehrenden Mustern der Beteiligung und dann des Rückzugs des Landes.

F: Wird der amerikanische Abzug aus Afghanistan den Gegnern des Westens wie der Türkei, dem Iran, Pakistan, Russland, China und Nordkorea Mut machen?

A: Sie geben mit Afghanistan an – und wer kann ihnen die Freude verdenken? Abgesehen davon sollten wir den Gewinn nicht übertreiben. Die erwähnten Schauplätze amerikanischer Rückzüge litten allesamt unter einer Art Bürgerkrieg; im Gegensatz dazu müssen sich vollständige Staaten wie Griechenland, Israel, den Vereinigten Arabischen Emirate, Indien, Taiwan und Südkorea keine Sorgen machen im Stich gelassen zu werden. In den Straßen von Athen patrouillieren keine amerikanischen Soldaten. Ich hoffe, die Feinde der Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten machen keine hastigen Fehler.

F: Sie haben einmal geschrieben, dass "Diplomatie selten Konflikte beendet". Was beendet sie dann?

A: Dass eine Seite aufgibt. Zu bekannten Beispielen gehört der Süden im amerikanischen Bürgerkrieg, die Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg, die US-Regierung in Vietnam und die Sowjetunion 1991. Gegenbeispiele (wo keine Seite aufgibt) sind u.a. der Erste Weltkrieg, der Koreakrieg, die Palästinenser gegen Israel und Aserbaidschan gegen Armenien.

F: Der Irak und Afghanistan sind jüngere klare Beispiele, die die Schwierigkeit zeigen Demokratie zu exportieren; wäre es nicht weiser die Tatsache zu akzeptieren, dass ein großer Teil der Welt immer für Demokratie unzugänglich sein wird?

A: Die US-Regierung versuchte und erreichte 1945 etwas Einzigartiges, als sie beschloss ihre besiegten Feinde nicht zu plündern, sondern sie nach eigenem Vorbild wieder aufzubauen, ein Vermächtnis, an dem die Japaner, Deutschen, Italiener und andere weiterhin Gefallen finden. Aber das war der besondere Umstand eines totalen Krieges und totalen Sieges, der die Sieger im Triumph mit einer Ideologie zurückließ, die sie verbreiten konnten und bei dem die Verlierer verzweifelt versuchten zu überleben. Diese Bedingungen hat es in jüngeren Konflikten nicht mehr gegeben, zum Beispiel in Afghanistan und dem Irak. Ich unterstütze den Versuch Demokratie zu verbreiten, aber ich möchte ihn auf echte Gelegenheiten beschränken, nicht immer und überall. In den meisten Situationen sollte das unter der Schirmherrschaft eines demokratisch gesinnten Machthabers versucht werden, der wie Ismet Inönü in der Türkei oder Chiang Kai-Schek in Taiwan Demokratie über einen längeren Zeitraum hinweg einführen kann.

F: Gregg Roman schrieb vor kurzem in der Jewish Press, was in Afghanistan geschah habe Lektionen für Israel, am wichtigsten, dass der "fundamentalistische Islam nicht ohne Gewalt aufgibt". Was raten Sie Israel nach der Machtübernahme der Taliban?

A: Mein Rat an Israel lautet, weiterhin auf Eigenständigkeit zu bestehen; sich niemals in die Situation zu begeben, in der man in Sachen Sicherheit und Unabhängigkeit von einer äußeren Macht abhängig ist.

 

Übersetzt von H. Eiteneier


Autor: Prof. Daniel Pipes
Bild Quelle: Office of the President of the United States, Public domain, via Wikimedia Commons


Sonntag, 22 August 2021

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