Putins Einmarsch sorgt im Westen für Alarm

Putins Einmarsch sorgt im Westen für Alarm


Wie hat die Ukraine-Krise das politische Leben im Westen beeinflusst? Stark, aber widersprüchlich.

Putins Einmarsch sorgt im Westen für Alarm

Von Prof. Dr. Daniel Pipes, Washington Times

Wladimir Putins Einmarsch weckte schlafende Bevölkerungen gegenüber immerwährenden Realitäten der Macht auf, verschärfte linkes De-platforming und wertete bizarrerweise seine Anziehungskraft auf die politische Rechte.

Realitäten der Macht: Ein Jahrhundert Frieden nach den napoleonischen Kriegen sorgte dafür, dass die Europäer auf das Gemetzel des Ersten Weltkriegs nicht vorbereitet waren; ähnlich erzeugten die 77 Jahre Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg eine falsche europäische Annahme, dass Handel und Diplomatie die Probleme des Kontinents lösen könnten. Militärische Stärke wurde als so anachronistisch wie die Sklaverei betrachtet. Es herrschten Parolen wie "Es gibt keine militärische Lösung" und "Krieg hat nie etwas gelöst".

Derweil konzentrierten sich die Nichtwestler auf die zeitlosen Wahrheiten militärischer Macht. Hier versucht Xi Jinping China zu einem Großmacht-Hegemon zu machen. Dort schafft Russlands Wladimir Putin zwei neue "Volksrepubliken" und marschiert wiederholt in Nachbarländer ein, um das Russische Imperium wiederherzustellen. Kim Jong-un baut Nordkoreas Atom-Arsenal auf und Ali Khamene'i strebt nach demselben für den Iran. Unbedeutendere Tyrannen in Venezuela, Syrien und Burma setzen die Streitkräfte ein, um die eigenen Völker brutal zu behandeln.

Weil sie diese vielen Zeichen ignorierten, wachten viele Westler am 24. Februar angesichts der Nachrichten vom russischen Einmarsch schockiert auf. Es stellt sich heraus, dass rohe Gewalt nicht veraltet ist, dass Handel keinen Krieg verdrängt. Mit ungewohntem Tempo beendete die Schweiz eine Neutralität, die bis 1815 zurückreicht und sanktionierte Russland. Schweden und Finnland, die lange vor einem Beitritt zur North Atlantic Treaty Organization (NATO) zurückscheuten, zeigen plötzlich Interesse.

Am Bedeutsamsten ist, dass Deutschland über Nacht mehr als 50 Jahre Ostpolitik rückgängig machte. Kanzler Olaf Scholz erhöhte die Militärausgaben mit einer einmaligen Geldspritze von €100 Milliarden und versprach, mehr als 2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben, will das sogar im Grundgesetz verankern. Um den Kontext dieser Verschiebung zu würdigen, beachten Sie, dass Deutschlands Kampfpanzerbestand von 5.000 im Jahr 1989 auf aktuell 300 zurückging. Er versprach auch Energiereserven für Kohle und Erdgas zu schaffen, F-35-Kampfflugzeuge zu kaufen und Flüssiggas-Anlagen zu bauen. Die New York Times nannte diese Schritte zurecht "eine erstaunliche – und plötzliche – Umkehrung von Jahrzehnten deutscher Außenpolitik". Vorläufig ist der wahnhafte Passivismus unhaltbar.

De-platforming: Putins empörendes Handeln bestätigte und verstärkte den Trend der Linken, abweichende Meinungen auszugrenzen. Die Internationale Schachföderation schloss Sergej Karjakin, einen russischen Schachgroßmeister, von Turnieren aus, weil er Unterstützung für die Invasion äußerte. Der russische Dirigent Tugan Sokhiev trat vorläufig von seinem Posten beim New York Philharmonic Orchestra und dem Orchestre National du Capitole in Toulouse zurück. Ein weiterer, Walerij Gergijew, verlor seine Stelle bei den Münchner Philharmonikern, weil er nicht auf eine Forderung des Münchner Bürgermeisters reagierte, er solle innerhalb von drei Tagen Putins "brutalen Aggressionskrieg" zu verurteilen.

Noch deutlicher ist, dass die Opernsängerin Anna Netrebko ohne zu zögern den Einmarsch, aber nicht Putin namentlich verurteilte: "Ich bin gegen diesen sinnlosen Aggressionskrieg und ich rufe Russland auf diesen Krieg sofort zu beenden, um uns alle zu retten. Wir brauchen jetzt Frieden." Vielleicht fürchtete sie aus Angst um ihre Familie oder einem anderen legitimen Grund Putin zu erwähnen. Egal: Die Metropolitan Opera von New York City feuerte sie, wobei General Manager Peter Gelb sagte: "Anna ist eine der größten Sängerinnen in der Geschichte der Met, aber weil Putin in der Ukraine unschuldige Opfer tötet, konnte es nicht weitergehen." Netrebko sagte dann präventiv ihre Auftritte bei drei großen europäischen Veranstaltungen ab und Centre Stage Artist Management ließ sie als Kundin fallen.

Die Europäische Union forderte, dass Suchmaschinen im Grunde genommen alle Internetseiten boykottieren, die mit Russlands Regierung in Verbindung stehen, einschließlich deren Medien RT und Sputnik, auch jede Reproduktion ihrer Inhalte. Auf eigene Initiative hin änderten die Tech-Giganten ihre Algorithmen, um Russland zu bestrafen.

Der Trend wurde ein bisschen absurd. Alexander Malofejew (20) verurteilte den Krieg in der Ukraine als "furchtbar und blutig", wurde aber vom Symphonieorchester Montreal trotzdem gekündigt, das es für "unangemessen" erklärte ihn auftreten zu lassen. Das Peoria Symphony Orchestra ersetzte ein Werk des Russen Rachmaninoff durch eines des Deutschen Beethoven. Das Cardiff Philharmonic Orchestra strich Tschaikowskis Stücke aus seinem Programm. Die Universität Mailand-Bicocca in Italien strich eine Vortragsreihe zu Fjodor Dostojewski. Viele andere symbolische Akte wie das Ausschütten von Wodka mit russisch klingendem Namen oder die Umbenennung russischer Soßen, vervollständigten die Torheiten.

Diese Vorfälle legen einen furchterregenden Trend nahe: Klienten fallen zu lassen, außer sie befürworten Black Lives Matter, Studenten ausschließen, wenn sie den menschgemachten Klimawandel anzweifeln, Angestellte entlassen, weil sie Petitionen nicht unterschreiben, mit denen "Islamopobie" verurteilt wird, Geschäfte mit Prozessen zur Schließung zwingen, weil sie Schwulenehen nicht anerkennen wollen, Bundesstaaten verlieren Geschäfte wegen Transgender-Toiletten.

Derweil geht das Durchgreifen gegen Kritik am Islamismus weiter. Im selben Deutschland, das seine Entschlossenheit gegen Russland fand, wurde Michael Stürzenberger zu einer €800-Geldstrafe wegen seiner inakzeptablen Gedanken über den Islam verurteilt. Die Mainstream-Rechte kann erwarten sich immer weiter in der Lage wiederzufinden von Plattformen ausgeschlossen und ausgegrenzt zu werden.

Putinismus: Die zunehmende Wut der Rechten über diese und andere linke Politik befeuert einen weichen Punkt für Putin, am besten in den USA sichtbar, obwohl in Frankreich und Kanada ebenfalls deutlich erkennbar. Der amerikanische Trend begann mit der Tea Party-Bewegung, gefolgt von der Wahl Donald Trumps, der "gestohlenen Wahl" von 2020, Widerstand gegen COVID-19-Impfstoff und jetzt dem Einmarsch in die Ukraine.

Der Fernsehmoderator Tucker Carlson artikulierte dieses Gefühl prägnant: "Hat Putin mich jemals als Rassisten bezeichnet? Hat er gedroht mit feuern zu lassen, weil ich ihm widerspreche?" Carlson fragte weiter, ob Putin "Rassendiskriminierung" in Schulen gefördert, Fentanyl hergestellt oder versucht habe "Weihnachten aus der Christenheit zu löschen".

Putin selbst spielte schlau mit dieser Sympathie, stellte sich selbst als Getreuen der Rechten dar, der für traditionelle Werte steht. Einen Monat nach dem Einmarsch in die Ukraine widmete er eine ganze Rede dem, was er "Cancel Culture" nannte und verglich dreist die linke Kritik an der Schriftstellerin J. K. Rowling (wegen ihrer Ansichten zu Transgenderismus) damit, wie der Westen Russland, "ein Land, das ein ganzes Jahrtausend alt ist", abstempelt. Rowling wies diese Ouvertüre zurück und reagierte mit #IStandWithUkraine, aber die Gleichsetzung fand einigen Gefallen.

Zusammengefasst: Die beinahe einhellige westliche Verurteilung des Einmarschs Russlands hat zu verbesserter militärischer Entschlossenheit geführt, während er das politische Leben weiter zersetzte.

Daniel Pipes (DanielPipes.org, @DanielPipes) ist Präsident des Middle East F orum
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Update vom 30. März: Anna Netrebko verurteilte den Einmarsch in die Ukraine nachdrücklich ("Ich verurteile den Krieg gegen die Ukraine ausdrücklich und meine Gedanken sind bei den Opfern dieses Krieges und ihren Familien") und distanzierte sich von Putin ("Ich bin weder Mitglied einer politischen Partei, noch mit einem Führer Russlands verbündet"), aber einmal mehr erwähnte sie Putin nicht namentlich, also befand Gelb von der Metropolitan Opera ihre Haltung als unzureichend:

Nachdem wir Annas Erklärung gelesen haben, sind wir nicht bereit unsere Haltung zu ändern. Wenn Anna demonstriert, dass sie sich wahrhaftig und vollständig langfristig von Putin distanziert, werde ich für ein Gespräch bereit sein.

Update vom 1. April: Netrebko kann schlicht nicht gewinnen. Ihre jüngste Äußerung gestern festgehalten, lässt sie in Russland in der Klemme stecken, wo sie jetzt kritisiert und von Plattformen gestrichen wird. Das ist nicht nur unfair, sondern es lässt wahrscheinlich die Dilemmata ahnen, in denen andere sich wiederfinden werden, weil die Cancel-Pulks hinter ihnen her sind.

 

Übersetzt von H. Eiteneier


Autor: Prof. Daniel Pipes
Bild Quelle: Mvs.gov.ua, CC BY 4.0 , via Wikimedia Commons


Montag, 04 April 2022

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