Rückgabe von Kunst nach dem Krieg in den Niederlanden: unklar, falsch und herzlos

Rückgabe von Kunst nach dem Krieg in den Niederlanden: unklar, falsch und herzlos


Rückgabe von Kunst nach dem Krieg in den Niederlanden: unklar, falsch und herzlos

Dr. Manfred Gerstenfeld interviewt Prof. Rudi Ekkart

1997 wurde ich von der niederländischen Regierung zum Leiter einer Kommission ernannt, die die Rückgabe von Kunstwerken nach dem Zweiten Weltkrieg untersuchen sollte. Wir führten eine vorbereitende Studie durch, um zu sehen, ob weitere Daten zur Rückgabe von in den Niederlanden von den Deutschen gestohlenen oder unter Zwang verkauften Kunstwerken nach dem Krieg zu finden waren.

Dieses so genannte Nationale Kunst-Eigentum (NK Collection) bestand anfangs aus 10.000 Werken. Ein Teil davon wurde nach dem Krieg allmählich zurückgegeben und ein weiterer Teil wurde versteigert. Fast die Hälfte wurde mehr als 50 Jahre nach dem Krieg immer noch von den niederländischen Behörden verwaltet. Unsere Kommission sollte ermitteln, wie viele Werke den ursprünglichen Besitzern gestohlen wurden.

Eine auf 100 Werken gründende Pilotstudie überraschte und schockierte mich. Wir kamen in unserem Bericht vom April 1998 zu dem Schluss, dass für viele der Kunstwerke in der NK-Sammlung zusätzliche Information verfügbar war. Wir empfahlen die gesamte Sammlung zu untersuchen. In unserer Schlussfolgerung sagten wir, dass die Nachkriegspolitik der Regierung zur Rückgabe von Kunst unklar, falsch und herzlos gewesen war.

1999 schuf der Staatsekretär für Bildung, Kultur und Wissenschaft eine zweite Kommission namens Suche nach dem Original. Sie wurde in der Öffentlichkeit als „Ekkart-Kommission“ bekannt.

Dieses neue Gremium hatte eine weit umfangreichere Aufgabe. Wir waren verantwortlich dafür, dass die Recherche zu jedem aus Deutschland nach dem Krieg zurückgegebenen Werk, das sich noch im Besitz der niederländischen Regierung befand, in Auftrag gegeben wurde. Ein zweiter Auftrag bestand darin zu ermitteln, wie die Stiftung SNK – die von 1945 bis 1952 die NK-Sammlung verwaltete – gearbeitet hatte. Wir wurden außerdem beauftragt der Regierung zu empfehlen, wie ihre Politik bezüglich der möglichen Rückgabe einiger Kunstwerke aussehen sollte.

In den Nachkriegs-Niederlanden hatte es einen Kampf zwischen zwei Interessengruppen gegeben. Das Finanzministerium wollte so viel Kunst aus der Sammlung wie möglich verkaufen, um der niederländischen Staatskasse zu helfen. Andererseits gab es die Direktoren der niederländischen Museen und den Leiter der SNK. Sie glaubten, dies sei eine großartige Gelegenheit eine nationale Kunstsammlung aufzubauen. Am Ende erhielten sie Unterstützung vom Minister für Bildung, Kunst und Wissenschaft.

Die dritte Interessengruppe – diejenigen, denen die Kunstwerke gehörten oder ihre Erben – nahmen an der Diskussion nicht teil. Einige riefen um Hilfe, so die Witwe des jüdischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker. Diese Geschichte wurde international berichtet.

Die SNK musste die Kunstwerke ausfindig machen und ordnen. Von ihr wurde nicht erwartet, dass sie sich mit den Ansprüchen derer beschäftigte, die ein Recht auf sie hatten. Sie sagte diesen Menschen jedoch oft, dass sie keine Chance hätten ihre Kunstwerke zurückzuerlangen. Einige Erben legten beim Restitutionsrat Widerspruch ein, aber viele waren entmutigt worden. Die SNK hatte um Weisung in Sachen Rückgabe gebeten, doch die Regierung gab solchen nie. Sie war offenbar nicht willens gefühllosen oder gar illegalen Rat zu geben. Die betreffenden Kunstwerke waren den Niederlanden zurückgegeben worden, damit sie an diejenigen übergeben würden, die den Anspruch darauf hatten.

Ein großer Teil der NK-Sammlung war normalen Ursprungs. Wir öffneten allerdings eine Anzahl Akten auf Ansprüche, die von der SNK ohne Entscheidung oder Zustimmung einer höheren Behörde geschlossen worden waren. Unsere Kommission stellte fest, dass eine beträchtliche Anzahl Werke, die in der NK-Sammlung verblieben waren, mit größter Wahrscheinlichkeit jüdischen Besitzern gestohlen oder von ihnen unter Zwang verkauft worden waren. Einige Erben waren nicht zu finden. Wir empfahlen, dass diese Werke in der Sammlung der Regierung verbleiben sollten. Würden sie in Museen ausgestellt, sollte ihre Herkunft angegeben werden.

Darüber hinaus baten wir die niederländische Regierung, jüdischen Institutionen einen finanziellen Zuschuss in Höhe des Wertes der gestohlenen Werke geben, der noch in ihrem Besitz waren. Die niederländische Regierung tat das per Überweisung an die berühmte Bücherei der portugiesischen Synagoge und das jüdische historische Museum. Sie akzeptierte auch unsere weiteren Empfehlungen.

In Amsterdam wurde eine Ausstellung der Werke gezeigt, deren Herkunft unklar blieb. Zwei unserer Mitarbeiter veröffentlichten ein Buch über die niederländische Politik zur Rückgabe von Kunst nach dem Krieg.

Zwei Fälle zurückgegebener Kunstwerke waren sehr bedeutend. Die Erben der Familie Gutman erhielten viele gestohlene Werke zurück, darunter Silbergegenstände aus dem 16. Jahrhundert. Viele Werke wurden auch an die Erben der Goudstikker-Sammlung zurückgegeben, unter denen sich wichtige antike Gemälde befanden.

In unserem 2004 veröffentlichten Abschlussbericht hieß es, dass der niederländische Umgang mit der Rückgabe von Kunstwerken in den Jahren von 1945 bis 1952 allgemein formalistisch, bürokratisch, kalt und oft herzlos gewesen war. Die Kordes- und Scholten-Kommissionen, die andere Nachkriegs-Rückgabefragen untersucht hatten, kamen in ihren Bereichen zu ähnlichen Schlussfolgerungen.

 

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Mitglied des Aufsichtsrats des Jerusalem Center of Public Affairs, dessen Vorsitzender er 12 Jahre lang war.- Prof. Rudi Ekkart ist emeritierter Professor für Kunstgeschichte an der Universität Utrecht. Bis 2012 war er Direktor des Nationalen Büros für Kunstdokumentation (RKD). Er spielt bereits 17 Jahre lang eine Schlüsselrolle bei den niederländischen Ermittlungen zu gestohlener Kunst, sowohl der von der Regierung kontrollierten Sammlungen als auch Sammlungen in Museen. / Erstveröffentlicht bei unserem Partnerblog Heplev - Foto:

 

Foto: Synagoge in Rotterdam (Foto: Rijksdienst voor het Cultureel Erfgoed [CC-BY-SA-3.0-nl (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/nl/deed.en)], via Wikimedia Commons)

 

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Autor: fischerde
Bild Quelle:


Dienstag, 25 Februar 2014

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