Niederlande: Ein Land lehnt es ab seine Schuld gegenüber den Juden zuzugeben

Niederlande: Ein Land lehnt es ab seine Schuld gegenüber den Juden zuzugeben


Niederlande: Ein Land lehnt es ab seine Schuld gegenüber den Juden zuzugeben

von Dr. Manfred Gerstenfeld

Der 4. Mai ist in den Niederlanden der nationale Gedenktag. Ursprünglich war es ein Erinnerungstag an die während der deutschen Besatzung Ermordeten und Gefallenen. In den letzten Jahren ist dieses Thema des Gedenkens der Toten zum Teil verwässert und seiner Bedeutung beraubt worden. Bei mehreren lokalen Gedenktreffen wurden Juden nicht gesondert erwähnt, selbst wenn sie die Mehrheit der örtlichen Opfer stellten.

Zum nationalen Gedenken in Amsterdam 2012 wurde von den Organisatoren ein 15-jähriger Junge eingeladen, um ein Gedicht zur Erinnerung an seinen Verwandten vorzutragen, nach dem er genannt wurde und der der Waffen-SS beigetreten war. Diese Einladung wurde schließlich mit viel Mühe gestrichen.2 Mehrere niederländische Städte gedachten am 4. Mai auch gefallen deutschen Soldaten. Nachdem das Dorf Geffen die Namen seiner ermordeten Juden zusammen mit denen gefallener Deutscher auf seinem Kriegsdenkmal einmeißeln wollte, protestierten die Verwandten der Juden. Es wurde dann entschieden, gar keine Namen auf das Denkmal zu setzen.3

Man muss das oben Erwähnte auch in Bezug zur beständigen niederländischen Ablehnung sehen, das Desinteresse der niederländischen Kriegsregierung und von Königin Wilhelmina im Exil in London am Schicksal der niederländischen Juden zuzugeben. Dasselbe gilt für die massive Kollaboration der niederländischen Bürokratie mit den Deutschen in den besetzten Niederlanden.

So sehr die Niederländer es aber zu vermeiden versuchen, ist dieses Verhalten nicht vergessen. Im Februar diesen Jahres schrieb Rabbi Abraham Cooper, Associated Dean des Simon Wiesenthal Center in Los Angeles, einen Brief an den stellvertretenden Premierminister der Niederlande, Lodewijk Asscher. Der Text konzentrierte sich auf dessen Anfrage, die niederländische Regierung möge untersuchen, was fast 39% der derzeitigen Erwachsenenbevölkerung der Niederlande dazu bringt die riesige Lüge zu akzeptieren, dass Israel einen Ausrottungskrieg gegen die Palästinenser führt.

Rabbi Cooper schrieb außerdem, dass ihm zur Kenntnis gebracht wurde, „dass die Niederlande weder die Fahrlässigkeit ihrer Regierung im Zweiten Weltkrieg und die Kollaboration der Bürokratie mit den deutschen Besatzern zugegeben hat, noch sich irgendwie entschuldigte. Ich glaube, die Niederlande sind das einzige während des Krieges besetzte Land, wo dies der Fall ist“.4 In seiner Antwort an den Rabbiner ignorierte Minister Asscher das Thema völlig.5

Zum bisher letzten Mal bekam dieses Thema große Aufmerksamkeit in der niederländischen öffentlichen Meinung, als 2012 die Zeitung De Pers ihm einen Artikel auf der Titelseite widmete.6 Dieser fußte auf zwei Interviews aus dem Anhang meines Buchs Judging the Netherlands: The Renewed Holocaust Restitution Process 1997-2000.7 Zwei ehemalige stellvertretende Premierminister der Niederlande, Els Borst (der Anfang diesen Jahres ermordet wurde) und Gerrit Zalm, erklärten, dass sie es öffentlich unterstützen würden, wenn die Regierung sich bei der jüdischen Gemeinschaft entschuldigte.

Am selben Tag stellten die Parlamentarier Geert Wilders und Raymond de Roon dem niederländischen Premierminister Mark Rütte Fragen. Sie fragen ihn, warum die Niederlande sich bei der jüdischen Gemeinschaft nicht für das Fehlverhalten gegenüber den Juden während des Holocaust entschuldigen. Danach veröffentlichte die Associated Press zwei Artikel zum Thema, die von hunderten Medien überall in der Welt aufgegriffen wurden.8

Rutte kam mit einer völlig irrelevanten Antwort davon. Er verwies auf eine Erklärung der niederländischen Regierung aus dem Jahr 2000.9 Die der jüdischen Gemeinschaft damals angebotene Entschuldigung hatte keinen Bezug zur Kriegszeit, sondern bezog sich auf den formalistischen, bürokratischen und herzlosen Rückerstattungsprozess nach dem Krieg. Selbst diese Entschuldigung bestand nur aus Halbwahrheiten, da darin behauptet wurde diese inakzeptable Haltung sei nicht vorsätzlich gewesen. Es gab allerdings viele dokumentierte Fälle, in denen niederländische Politik gegenüber den Juden durchaus gewollt war. Damals war bereits bekannt, dass der Nachkriegs-Finanzminister den Interessen der Börsenmakler, die stark mit den deutschen Besatzern kollaboriert hatten, den Vorzug vor den ursprünglichen jüdischen Eigentümern gestohlener Wertpapiere gab.

Seit damals ist eine Vielzahl weiterer gewollter Beispiele von Nachkriegs-Verfehlungen gegenüber den Juden bekannt geworden. Der neueste ist, dass die Stadtverwaltung von Amsterdam Juden wegen Nichtbezahlung ihrer während des Zweiten Weltkriegs aufgelaufenen Langzeitpacht-Zahlungsverpflichtungen mahnte und bestrafte. Ihre Häuser waren zur Nutzung durch Deutsche und durch niederländische Nazi-Kollaborateure zwangsenteignet worden. Vor ein paar Jahren war bereits bekannt geworden, dass jüdische Überlebende in Amsterdam gezwungen worden waren, die für ihre enteigneten Häuser entstandenen Gas- und Stromrechnungen zu bezahlen, nachdem sie aus deutschen Lagern oder ihren Verstecken zurückkehrten.10

Vor kurzem machte der Kunsthistoriker Professor Rudi Ekkart ein weiteres Beispiel bewusster Diskriminierung durch niederländische Behörden nach dem Krieg öffentlich. Zu Beginn dieses Jahrhunderts leitete er eine Regierungskommission, die die Rückgabe gestohlener Kunstwerke untersuchte, die von den amerikanischen Besatzungsbehörden in Deutschland zurückgegeben worden waren. Er sagte, dass das Finanzministerium so viel von der Kunst wie möglich zugunsten der niederländischen Staatskasse verkaufen wollte. Ihnen stellten sich Museumsdirektoren und das Ministerium für Bildung, Kunst und Wissenschaft entgegen, die dies als „guten Grund eine bessere nationale Kunstsammlung aufzubauen“ ansahen. Ekkard fügte hinzu: „Die Stimmen derer, die Anspruch darauf hatten – ehemalige Eigentümer und ihre Erben – wurden nicht gehört.“11

Können all diese Missstände mit dem niederländischen Nationalcharakter erklärt werden? Das wäre ein zu weit gehender Schluss. 2005 entschuldigte sich der damalige Präsident der Niederländischen Eisenbahn, Aad Veenman, bei der niederländischen jüdischen Gemeinde wegen der Kollaboration seiner Firma mit den Deutschen beim Transport von Juden auf der ersten Etappe in ihren Tod.12 Die Eisenbahn organisierte eine große Öffentlichkeitskampagne, die ausführlich beschrieb, was während des Krieges geschah.13 Es war ein – auch nach internationalen Standards – sehr gutes Beispiel dafür, wie man mit einer problematischen Vergangenheit umgehen kann.

Die niederländische Regierung kann weiter das Fehlverhalten ihrer Vorgänger während des Zweiten Weltkriegs ignorieren. Sie würde aber einem Irrtum unterliegen, wenn sie glaubte, dass Schuld nicht einzugestehen und sich nicht zu entschuldigen bald vergessen werden würde.

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Mitglied des Aufsichtsrats des
Jerusalem Center of Public Affairs, dessen Vorsitzender er 12 Jahre lang war.

1 Manfred Gerstenfeld: Het Verval, Joden in een Stuur loos Nederland. Amsterdam (Van Praag) 2010, S. 56-57 [Niederländisch].
2 Comité 4 en 5 mei trekt omstreden gedicht terug. Het Parool, 26. April 2012 [Niederländisch].
3 Arne Hankel: Toch geen Duitse namen op oorlogsmonument Maasdonk. Elsevier, 18. Oktober 2012 [Niederländisch].
4 Brief von Rabbi Abraham Cooper an den stellvertretenden Premierminister Lodewijk Asscher, 6. Februar 2014.
5 Brief von Minister Lodewijk Asscher an das Simon Wiesenthal Center, 19. Februar 2014.
6 Dirk Jacob Nieuwboer: Excuses voor wegkijken. De Pers, 3. Januar 2012 [Niederländisch].
7 Manfred Gerstenfeld: Judging the Netherlands: The Renewed Holocaust Restitution Process, 1997-2000. Jerusalem (Jersusalem Center for Public Affairs) 2011.
8 Associated Press: Lawmaker urges Dutch to apologize for WWII Jewish-deporations. FoxNews, 4. Januar 2012.
9 Beantwoording kamervragen over de houding van de Nederlandse regering ten tijde van de Holocaust, rijksoverheid.nl.
10 Gemeente eiste erfpacht op van teruggekkeerde Joden. Parool, 30. März 2013 [Niederländisch].
11 Manfred Gerstenfeld, Interview mit Rudi Ekkart: Naoorlogs Rechtsherstel van Kunstvoorwerpen: onduidelijk, verkeerd en hardvochtig. Aleh, April 2014 [Niederländisch].
12 Toespraak Aad Veenman, Präsident-Direkteur NS, Bahnhof Muiderpoort, 29. September 2005 [Niederländisch].
13 Manfred Gerstenfeld: Apologies for Holocaust Behavior and Refusal to do so: The Dutch case in an international context. In: Jewish Political Studies Review, Band 18, Nr. 3 und 4, Herbst 2006. Jerusalem (Jerusalem Center for Public Affairs) 2006, S. 31-49.

 

Erstveröffentlicht bei unserem Partnerblog Heplev - Dr. Manfred Gerstenfeld ist Mitglied des Aufsichtsrats des Jerusalem Center of Public Affairs, dessen Vorsitzender er 12 Jahre lang war.

 

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Autor: fischerde
Bild Quelle:


Dienstag, 06 Mai 2014

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