Islamismus mit menschlichem Antlitz?

Islamismus mit menschlichem Antlitz?


Islamismus mit menschlichem Antlitz?

von Prof. Daniel Pipes, The Washington Times, 20. Mai 2014

Bis jetzt hat islamistische Herrschaft auf Gewalt und Diktatur mit sich gebracht; kann sie sich in etwas Anständiges entwickeln?

Anders ausgedrückt: Wenn die Brutalität von Ruhollah Khomeini und Osama bin Laden sie als die Männer von gestern kennzeichnete und die Autokratie von Recep Tayyip Erdoğan und Mohammed Morsi sie zu denen von heute macht, können die Islamisten von morgen - Muslime, die die ständige und globale Anwendung des islamischen Rechts unter der Herrschaft des Kalifats anstreben - demokratisch und human werden?

Der Islamismus hat sich im Verlauf der letzten 13 Jahre enorm entwickelt. Noch 2001 waren seine Anhänger synonym mit Kriminellen, Terroristen und Revolutionären. In diesem Geist schrieb ich drei Tag nach dem 9/11, dass viele Islamisten "friedlich erscheinen, aber allesamt als potenzielle Killer betrachtet werden müssen".

Diese Worte klingen heute, zu einer Zeit, in der Islamisten die Wahlurnen für die Machtgewinnung als effektiveres Mittel erkennen als die Schusswaffe, archaisch. Terrorismus und Nötigung bleiben selbstverständlich weithin in Gebrauch und werden von barbarischen Gruppen wie der ISIS und Boko Haram zur Anwendung gebracht. Doch einige Reformen des Islam sind bereits im Gange.

Die topaktuelle Frage betrifft heute die Regierungsform: Können Islamisten nicht nur vom Terrorismus zur Politik übergehen, sondern auch den Fortschritt von Diktatur zu Demokratie machen? Können sie ihr eigenes anscheinendes Herrenmenschentum, ihre Kampfbegierde, Unmoral, Frauenfeindschaft und Antisemitismus eliminieren? Beispiele legen nahe, dass Folgendes zu den Veränderungen gehört:

In der Türkei scheinen einige Schlüssel-Islamisten - insbesondere Fethullah Gülen, Führer der einflussreichsten islamistischen Organisation des Landes und Präsident Abdallah Gül - sich von der aggressiven Diktatur weg zu entwickeln. Zum Beispiel kritisierte Gül die Rolle der türkischen Regierung beim Mavi Marmara-Vorfall gegen Israel 2010. Güls Bereitschaft zum verständnisvollen Umgang mit den Protesten im Gezi Park war ein starker Kontrast zu Premierminister Erdoğans heftiger Reaktion.

Güls Ehefrau Hayrünnisa (die ihren Kopf bedeckt) besuchte 2010 London; als sie zu ihren Gedanken gefragt wurde, ob Grundschulmädchen Hijabs tragen sollten, antwortete sie: "Ein Mädchen kann nicht selbst entscheiden, ob sie das Kopftuch in einem solch jungen Alter trägt. Sie sollte das für sich entscheiden, wenn sie alt genug ist." Könnte die türkische AKP mit Gül an der Spitze tatsächlich die sozial-konservative Bewegung der Abstinenzler, züchtig gekleideten Frauen, ottomanischen Sentimentalisten und Kapitalisten werden, die sie bisher nur zu sein vorgibt?

Im Iran brachte Hassan Ruhanis Versprechen eines weniger strengen Islamismus in der sich nach Normalität sehnenden Wählerschaft eine Seite zum Schwingen. Symptomatisch dafür haben sich die Hijabs im Iran von den nüchternen und altbackenen Komplettverhüllungen der vergangenen Jahre weg entwickelt. Angeführt von der Designerin Farnaz Abdoli und ihrer Modelinie Poosh genießen iranische Frauen heute eine modische Auswahl, die vor einer Generation undenkbar war.

In Jordanien hat sich die Initiative Zamzam von der Muslimbruderschaft abgespalten; sie argumentiert gegen deren "Monopol zum islamischen Diskurs" und fordert, dass der Islam "ein kultureller Rahmen ist, der die Nation umschließt, während sie religiösen, konfessionellen, politischen und Rassenpluralismus betont".

In Ägypten lehnen viele junge Aktivisten Morsis Griff auf die Macht ab. Hamza Zoba´a, Sprecher der Muslimbruderschaft, warf dieser vor, sie habe "Fehler begangen" und sei "in die Falle der Alleinherrschaft" gegangen. Ali Khafagy, ein Führer in Gizeh, hält fest: "Die Zeit wird kommen, dass wir unsere Führer zur Verantwortung ziehen und Wandel fordern. Und es muss Veränderungen geben. Wir brauchen Menschen, die offener sind, stärker bereit mit allen zu arbeiten." Der Beobachter Tarek Osman sieht die Bruderschaft erfolgreich ihre diktatorischen Antriebe stopfen und sich "fast ins nicht wieder Erkennbare" entwickeln.

In Tunesien befindet sich die herrschende Ennahda-Partei einer Krise; Vizepräsident Abdelfattah Mourou hat eine untypische Offenheit für Kompromisse mit Nicht-Islamisten gezeigt, während die Partei selbst mit ihrem linken Rivalen Nidaa Tounes arbeitet.

Ich habe seit Jahrzehnten argumentiert, dass der Islamismus, wie Faschismus und Kommunismus, von Natur aus diktatorisch ist, da alle drei eine radikale, utopische Mentalität teilen, eine Glorifizierung des Staates und einen Drang nach globaler Hegemonie. Ich verglich verächtlich einen moderaten Islamisten mit einem moderaten Nazi und vermerkte, dass Erdoğan und Osama bin Laden zwar unterschiedliche Taktiken zur Anwendung bringen, aber beide danach streben dieselbe mittelalterliche Rechtsordnung anzuwenden.

Der Kommunismus schlägt zwei mögliche Wege der Evolution vor. Im Prager Frühling von 1968 wollte Alexander Dubček den Aufbau eines "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" anstreben, was eine kommunistische Ordnung mit Mehrparteien-Politik, reichlich Konsumwaren und freier Meinungsäußerung und Reisemöglichkeit bedeutete". Die Kommunistische Partei Chinas hat einen radikal unmarxistischen, kapitalistischen Boom gemanagt.

Die zutiefst antimoderne und autoritäre Art des Islamismus lässt mich enorm bezweifeln, dass dieser Ideologie etwas Zivilisiertes und Wertvolles entsteigen kann; am Wahrscheinlichsten ist, dass die jüngsten positiven Entwicklungen lediglich taktischer Art und befristet sein werden. Doch ich kann die Möglichkeit nicht länger mit Sicherheit ausschließen, dass der Islamismus sich entwickelt und ein Stück weit besser wird.

 

Übersetzung: H. Eiteneier - Foto: Schwule Jugendliche werden vom islamistischen Killerregime im Iran öffentlich hingerichtet

 

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Autor: fischerde
Bild Quelle:


Freitag, 23 Mai 2014

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