ISIS: Kalif Ibrahims brutaler Augenblick des Ruhms

ISIS:

Kalif Ibrahims brutaler Augenblick des Ruhms


Kalif Ibrahims brutaler Augenblick des Ruhms

von Prof. Daniel Pipes, The Washington Times, 5. April 2014

Nach 90 Jahren Abwesenheit brauste die uralte Institution des Kalifats am ersten Tag des Ramadan des Jahres 1435 der Hegira - identisch mit dem 29. Juni 2014 - ins Bestehen zurück. Diese erstaunliche Wiederbelebung war der symbolische Höhepunkt der islamistischen Woge, die vor vierzig Jahren ihren Ausgang nahm. Eine westliche Analoge könnte die Erklärung der Wiederherstellung des Habsburger-Reiches sein, das seine Legitimität auf das antike Rom zurückführt.

Woher kommt dieser verwegene Zug? Kann das Kalifat Bestand haben? Was wird es bewirken?

Zu Anfang ein schneller Überblick über die Kalifate (vom arabischen khilafa, was "Erbfolge" bedeutet): Nach der kanonischen muslimischen Geschichtsschreibung liegen die Ursprünge im Jahr 632 unserer Zeitrechnung, dem Tod des islamischen Propheten Mohammed; dann entwickelte es sich spontan, füllte das Bedürfnis der aufkeimenden muslimischen Gemeinschaft nach einem weltlichen Führer. Kalif wurde Mohammeds nicht prophetischer Erbe. Nach den ersten vier Kalifen wurde das Amt dynastisch.

Von Anfang an stritten sich die Anhänger darum, ob der Kalif der fähigste und frömmste Muslim sein sollte oder der engste Verwandte Mohammeds; die daraus resultierende Teilung lief auf die Festlegung des sunnitischen und des schiitischen Zweigs des Islam hinaus und verursachte die tiefe Spaltung, die immer noch andauert.

Bis 750 beherrschte ein einziges Kalifat das gesamte muslimische Land; doch dann verbanden sich zwei Prozesse, um dessen Macht zu verringern. Erstens begannen entlegene Provinzen sich abzuspalten, von denen einige - so Spanien - sogar rivalisierende Kalifate schufen. Zweitens verfiel die Institution selbst und wurde von Sklavensoldaten und Stammeseroberern übernommen, so dass die Originallinie der Kalifen effektiv nur bis Mitte 940 herrschte. Andere Dynastien übernahmen dann den Titel als Bedingung für politische Macht.

Die Institution wurde in geschwächter Form ein Jahrtausend lang weitergeführt, bis der Gründer der modernen Türkei, Kemal Atatürk, 1924 seine letzten Reste in einem dramatischen Akt der Verstoßung auflöste. Trotz mehrerer folgender Versuche sie wiederherzustellen erlosch die Institution, ein Symbol der Auflösung in mehrheitlich muslimischen Ländern und ein von Islamisten lange ersehntes Ziel.

So blieb es 90 Jahre lang, bis die als Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS) bekannte Gruppe eine Erklärung in fünf Sprachen (englische Version: This Is the Promise of Allah - Dies ist das Versprechen Allahs) die Gründung eines neuen Kalifats unter "Kalif" Ibrahim ausrief. Kalif Ibrahim (alias Dr. Ibrahim Awwad Ibrahim), etwa 40 Jahre alt, der aus Samarra im Irak stammt, kämpfte in Afghanistan und dann im Irak. Er behauptet jetzt der Führer von "Muslimen überall" zu sein und fordert ihren Treueeid. Alle anderen muslimischen Regierungen haben ihre Legitimität verloren, behauptet er. Darüber hinaus müssen Muslime die "Demokratie, den Säkularismus, Nationalismus sowie auch allen anderen Müll und Ideen aus dem Westen" ausrangieren.

Das universelle Kalifat wiederzubeleben bedeutet, verkündet Das Versprechen Allahs, dass der "lange Schlummer in der Dunkelheit der Nichtbeachtung" geendet hat. "Die Sonne des Jihad ist aufgegangen. Die frohe Botschaft des Guten scheint. Am Horizont zieht Triumph auf." Ungläubige werden zurecht in Schrecken versetzt, da sich "Ost und West" unterwerfen, wird den Muslimen "die Erde gehören".

Großspurige Worte, sicher, aber auch solche mit Null Chance auf Erfolg. ISIS hat die Rückendeckung von Staaten wir der Türkei und Qatar genossen - aber dafür in Syrien zu kämpfen, nicht um eine globale Hegemonie zu gründen. Die nahe gelegenen Mächte - die Kurden, der Iran, Saudi-Arabien, Israel (und am Ende vielleicht auch die Türkei) - betrachten den Islamischen Staat als einen absoluten Feind, so wie fast alle rivalisierenden islamischen Bewegungen, einschließlich der Al-Qaida. (Die einzigen Ausnahmen: Boko Haram, vereinzelte Gazaner und eine neue Organisation in Pakistan.) Das Kalifat sieht sich bereits Problemen gegenüber, die von ihm eroberten Gebiete der Größe Großbritanniens zu regieren - Schwierigkeiten, die zunehmen werden, sowie seine unterworfene Bevölkerung Erfahrungen mit dem vollen Elend der islamistischen Herrschaft macht. (Dass anscheinend am 3. August der Mossul-Dam erobert wurde, lässt unsägliche Verbrechen ahnen, darunter die Verweigerung von Strom und Wasser oder katastrophale Überflutungen zu schaffen.)

Ich sage voraus, dass der Islamische Staat, konfrontiert mit der Feindschaft sowohl seiner Nachbarn als auch der ihm unterworfenen Bevölkerung, nicht lange bestehen wird.

Er wird allerdings ein Erbe hinterlassen. Egal, wie verhängnisvoll das Schicksal des Kalifen Ibrahim und seiner grausigen Bande sein wird, sie haben erfolgreich eine Institution des Islam wiederbelebt, was das Kalifat wieder zu einer lebhaften Realität macht. Islamisten überall in der Welt werden seinen Augenblick des brutalen Ruhms zu schätzen wissen und davon inspiriert werden.

Für Nichtmuslime hat diese Entwicklung komplexe und zweischneidige Folgen. Auf der negativen Seite werden gewalttätige Islamisten stärker ermutigt sein ihre abscheulichen Ziele zu erreichen, was eine Welle an Blutbädern hinterlässt. Auf der positiven Seite wird das barbarische Zelotentum den heilsamen Effekt haben, dass viele derjenigen, die dem Schrecken der islamistischen Agenda gegenüber noch schlafen, aufwarfen.

 

Übersetzung: H. Eiteneier / Foto: Größenwahn der ISIS: Angestrebtes "Großkalifat"

 

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Autor: fischerde
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Sonntag, 10 August 2014

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