Islamischer Staat oder: Internationale Brigade 2.0

Islamischer Staat oder:

Internationale Brigade 2.0


Internationale Brigade 2.0

von Gerrit Liskow

Diese Überschrift ist natürlich Quatsch, liebe Leserinnen und Leser. Bei Linken vergangener Tage wäre davon auszugehen, dass sie zwischen waschechtem Franco-Faschismus und in der Wolle gefärbtem Islamo-Faschismus zu unterscheiden verstehen.

Insofern halte ich es für sicher, dass niemand von denen, die gegen Franco kämpften, jemals für den Islamischen Staat gekämpft hätten; vielleicht mal abgesehen von Christine „Freiluftgefängnis“ Buchholz, Inge „Frauendeck“ Höger, Norman „Völkerrecht“ Paech und ähnlich gestrickten altgedienten Parteisoldaten aus den West-Verbänden der deutschen „Links“-Partei, die lautstark die Klappe halten, wenn es Araber sind, die andere Araber abmurksen.

Abgesehen auch von weiteren 12.000 Aktivistinnen und Aktivisten, die mit ausländischem Pass in Syrien und Irak unterwegs sind und sich in die rhetorische und propagandistische Kontinuität der kommunistischen Freiheitskämpfer zu stellen versuchen, wenn es ihren Zwecken dient. Zwecke, die sie in ihren leidenschaftlichen Pamphleten durchaus als die Fortsetzung des antifaschistischen Freiheitskampfes mit anderen Mitteln verkaufen.

Ich kann inzwischen nicht mehr sagen, ob ich es überraschend finde oder nicht, dass ihnen der Anspruch auf „antikapitalistische, antiimperialistische Befreiung“ im Westen vor allem von der „kritisch“ uffjeklärten Öffentlichkeit weiterhin mehr oder weniger widerspruchslos abgekauft wird.

Es ist von Außenstehenden viel darüber nachgedacht worden, was die nihilistische „Linke“ und den „politischen“ Islam zu BettgenossInnen prädestiniert.

Ich würde denken, dass beide sich hinsichtlich der Vehemenz, mit der sie ihre jeweilige Einheitsmeinung gesellschaftlich durchzusetzen versuchen, nichts Wesentliches schuldig bleiben. Nur ist es eben eine Tatsache, dass die Khmer Rouge nicht in Herne, Bottrop oder Bielefeld aktiv wurde, sondern in Kambodscha.

Insofern hinkt der Vergleich zwischen revolutionären „Befreiungs“-Bewegungen linker Provenienz und deren selbsternannten Erben vom islamischen Gottesstaat gleich doppelt: Einerseits kam die Rote Armee Fraktion in ihrer akuten Phase im Gegensatz zum ISIS nicht mal in die Nähe staatlicher Macht, und andererseits sind die Vorfeldorganisationen und Beratungscentren des politischen Islam in den Hinterhöfen und Fußgängerzonen der meisten europäischen Großstädte nicht nur überaus aktiv, sondern genießen in ihrer Zielgruppe zudem eine Popularität, von der Khmer Rouge, Rote Brigaden und die IRA nur feucht träumen konnten.

Die Annahme, dass die Damen und Herren vom Islamischen Staat, wenn man sie ließe, in Nürnberg oder Marburg nicht genau das machen würden, was ihre Kollegen in Nineveh oder Mosul bereits angerichtet haben, ist zunächst mal genau das: eine Annahme.

Was die Linke und ihre Lieblingsreligion verbindet – jenseits der Absicht, den Westen zu vernichten – bleibt vielleicht eine Frage, die sich nur einzelfallweise beantworten lässt. Man muss die Betroffenen dennoch daran erinnern, dass wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit zwei Seiten derselben Medaille sind, deren eine nur um den Preis der anderen zu haben ist.

Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung, Fortschritt, Kapitalismus, usw. bedingen sich wechselseitig und ohne eins seiner Teile ist alles so gut wie nichts; das lässt sich am allmählichen Versinken der Euro-Zone, besser bekannt als EUdSSR, in der global-wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit seit 2008 in Zeitlupe studieren.

Doch zurück zum Thema: Irgendwas muss der Islamische Staat mit seinem Marketing nämlich auch richtig gemacht haben, wenn inzwischen 12.000 internationale Aktivistinnen und Aktivisten plündernd und mordend, also subjektiv voll Spaß und guter Laune, durch Syrien und den Irak marschieren.

Und diese 12.000 AktivistInnen sind eben nicht bloß jene tatsächlichen Desperados aus West- und Ostafrika, die sich von der einen (Al-Qaeda) auf die andere (IS) Gehaltsliste setzen lassen wollen, weil sie nichts anderes können, als Leute abmurksen.

Sondern es handelt sich bei ihnen zu etwa einem Drittel um vergleichsweise gut ausgebildete, vor allem aber sehr leidenschaftliche junge Menschen aus der ehemals sogenannten Ersten Welt. Junge Menschen, die zwischen Abi und Uni noch etwas Zeit totschlagen möchten, und vielleicht auch ein paar Ungläubige, Andersgläubige, Apostaten, Ehebrecherinnen, Homosexuelle oder alles zusammen.

Die britische Regierung schätzt, dass beim Islamischen Staat mehr junge Leute nominell britischer Provenienz mit islamischem Glauben auf der Gehaltsliste stehen, als bei den britischen Streitkräften; und das bezieht sich allein auf die AktivistInnen vor Ort und nicht auf ihre in der Heimat zurückgebliebenen Kollegen.

Zu jenen Reisenden, die man besser nicht aufhalten sollte (und wenn doch, dann höchstens bei ihrem Wiedereinreiseversuch), gehört ein jüngst zu Berühmtheit gekommener Herr namens „Jihadi John“. Der Jihad Johnny hat die Enthauptung von Foley moderiert und die Sicherheitsdienste recherchieren derzeit, um wen es sich im bürgerlichen Dasein gehandelt haben könnte.

Dann wäre da noch ein Frisör aus Croydon sowie diese reizende Person aus Lewisham, die sich auf Twitter lautstark darüber beklagt, dass noch nicht genug ihrer „sistas“ in den heiligen Krieg geeilt seien und „schwört“, sie werde als erste Frau einen Gefangenen enthaupten. Zum Feierabend fotografiert sie ihren dreijährigen Sohn am liebsten mit einer AK-47.

Und Furore macht der 13-jährige Jihad-Boy, den Reporter aus einem der üblichen „sozialen“ Netze gefischt haben. Da stellt sich dann die Frage, wann überhaupt die Zeit für jene Radikalisierung gewesen sein soll, von der in den uffeklärten Medien derzeit so viel die Rede ist. Oder waren seine Eltern vielleicht doch schon vor der Ehe miteinander verwandt?

Andere Kreuzfahrer aus dem Westen, die eine Lücke im Lebenslauf auffüllen wollen oder müssen, sind aus den üblichen sozial akzeptablen Ressentiments und Impulsen unterwegs; was sollen denn die daheimgebliebenen sagen, geschweige denn denken.

Zu ihnen gehören zwei junge Italienerinnen, die „wegen den Kindern“ in Syrien helfen wollten. Immerhin ist es diesen beiden jungen Frauen hoch anzurechnen, dass sie im deutlichen Kontrast zur „Linken“ nicht nur dann solidarisch werden, wenn die Hamas internationale Politik zu machen versucht, sondern auch dann, wenn die Araber sich gegenseitig umbringen.

Die beiden jungen Damen werden nun seit einem knappen Jahr als Geiseln gehalten, weil die italienische Regierung sich noch nicht mit den Entführern über die Höhe des Lösegeldes einig werden konnte; außer HMG und der US-Regierung, die derlei strikt ablehnen, regeln alle Staaten ihren Zahlungsverkehr mit der Entführungsbranche übrigens recht pünktlich und zuverlässig, liebe Deutschinnen und Deutsche.

Idealistische junge Menschen mit aktivem „politischem“ Interesse gefährden in Syrien und im Irak jedoch nicht nur sich selbst, sondern auch Dritte. The Daily Beast bringt eine überaus lesenswerte Reportage, die das haargenau am Beispiel jenes kanadischen Fotografen illustriert, der laut eigenem Bekunden die Nase voll davon hatte, „immer nur Blumen und Haustiere“ zu fotografieren und sich deshalb in den syrischen Bürgerkrieg begab. Oder vielmehr: sich dorthin begeben wollte.

Es sollte sich eigentlich von selbst verstehen, dass investigative Berichterstattung aus dem syrischen bzw. irakischen Bürgerkrieg, die ihrem Anspruch gerecht werden will (und sich nicht zur freiwillig-unfreiwilligen Fortsetzung der PR-Abteilung von Hamas oder IS degradiert), nur etwas für Leute mit einschlägiger Berufserfahrung auf diesem journalistischen Spezialgebiet darstellt. Insbesondere ist der syrische Bürgerkrieg auf der Karriereleiter eines Fotografen nicht die nächste Stufe nach den „Blumen und Haustieren“.

Allerdings werden die meisten Reportagen aus dem Süd-Sudan, aus Kenia, Nigeria oder Somalia nicht annähernd so üppig vergütet, wie die Berichte von der syrischen Front. Mit anderen Worten: Junge Herrn aus Kanada, die schnell reich werden wollen, fangen besser eine Nummer kleiner an. Ost-Timor, oder vielleicht Kaschmir?

Seine letzte Station vor dem Abschied aus der Zivilisation war ein Beherbergungsbetrieb namens „Hotel Istanbul“ nahe der türkisch-syrischen Grenze. Dort wurde Alex, so wollen wir den jungen Herrn aus Kanada mal nennen um seine Identität zu schützen, von einem vor Ort durchaus praktisch bewanderten Kollegen über eine Dose Bier befragt, welche Qualifikation er für seinen Einsatz in Syrien vorzuweisen habe. Darauf antwortete Alex ohne mit der Wimper zu zucken, er habe schon mal einen Studentenprotest in Montreal fotografiert.

Ja, liebe Leserinnen und Leser, das hat er wohl wirklich gesagt; ich weiß nicht, was die Studierenden auf ihren Protesten in Montreal dieser Tage so treiben, aber ich sehe keinen sachlichen Grund, die Äußerung anzuzweifeln. Weil das überaus lesenswerte Dokument menschlicher Dummheit in einer Sprache geschrieben ist, mit der nicht alle vollständig vertraut sind, möchte ich mir erlauben, weitere Episoden der Alex-Saga aus The Daily Beast zu zitieren.

Alex brauchte für seine Einreise nach Syrien und zur Begleitung seiner Tätigkeit in Aleppo vor allem eines: einen „Fixer“. Fixer haben in Fällen wie diesem nicht zwangsläufig mit Substanzen zu tun, die unter das Bundesbetäubungsmittelegsetz fallen, sondern sind Kontaktpersonen aus der Gegend und kennen sich mit den Gepflogenheiten aus.

Alex suchte seinen Fixer im Hotel Istanbul, aber als sich dort herumgesprochen hatte, dass der junge Herr aus Kanada von den Blumen, Haustieren und Studentenprotesten direkt zum syrischen Bürgerkrieg hochgebumst werden wollte, machte sich beim ortskundigen Personal der Unmut breit. Alex, ein Kind seiner Zeit, tat daraufhin das, was Kinder eben machen, wenn ihnen die Wirklichkeit als vorgelagerte Verneinungsinstanz in die Quere kommt, und vertraute sich dem Facebook an.

Ja, wirklich. Er hat seinen Facebook-Status dahingehend aktualisiert, dass er eine Reise nach Aleppo plant und noch keine Kontaktperson hat. Er hätte sich auch einfach an die nächste Tankstelle begeben können mit einem lustigen Motto-T-Shirt: „Bitte entführt mich!“

Und lasst mich nie wieder frei. Denn schon kommt der zweite Streich: Alex war nicht nur blöd genug, sich der revolutionär-islamistischen Öffentlichkeitsarbeit (Zack-zack, Rübe ab) als potenzieller Star eines weiteren Youtube-Videos anzubieten, sondern er zog auch völlig unbeteiligte Dritte mit rein.

Inzwischen hatte ihm der erfahrene Kollege im Hotel Istanbul tatsächlich einen Fixer besorgt, der mit Alex nach Aleppo gefahren wäre. Aber als Alex wenigstens im Ansatz kapiert hatte, dass sein letzter Facebook-Status irgendwie nicht so richtig schlau war (ohne wirklich zu verstehen, warum), sagte er seinen Foto-Trip kurzerhand ab.

Der Fixer suchte sich daraufhin einen neuen Kunden (immerhin verdient er damit seinen Lebensunterhalt) und wurde mit ihm zusammen entführt; immerhin war sein Kommen weidlich angekündigt. Er kam nach zwölf Tagen frei, aber der mit ihm reisende Reporter wartet noch immer darauf, dass er einen Kopf kürzer gemacht wird.

Jaja, liebe Leserinnen und Leser: So ist das mit den Menschen, die es vor allem mit sich und nur ganz nebenbei auch mit den andern gut meinen. Die hilfsbereiten Idealisten aus dem Westen sind eine Gefahr für die Menschheit – und das nicht nur in ihrer Heimat.

 

Lesen Sie hierzu auch:

 

Gerrit Liskow bei haOlam.de (Auswahl):


Autor: fischerde
Bild Quelle:


Sonntag, 24 August 2014

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