Das Evangelium nach Freud: Der Antisemitismus als Quelle des jüdischen Stolzes

Das Evangelium nach Freud: Der Antisemitismus als Quelle des jüdischen Stolzes


Das Evangelium nach Freud: Der Antisemitismus als Quelle des jüdischen Stolzes

Unter Anregung von Rabbi Dr. Nathan Lopes Cardozo,
Dekan der David Cardozo Akademie in Jerusalem (The Jerusalem Post)

von Dr. Nathan Warszawski

Juden haben Unglücksfällen und Misshandlungen getrotzt, besondere Charakterzüge entwickelt und sich nebstbei die herzliche Abneigung aller anderen Völker erworben. Woher diese Lebensfähigkeit der Juden kommt und wie ihr Charakter mit ihren Schicksalen zusammenhängt, davon möchte man gerne mehr verstehen.

„Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ ist die letzte Schrift von Sigmund Freud, die er in seinem Todesjahr 1939 im Alter von 82 Jahren im Londoner Exil herausgegeben hat. In Österreich hat Freud das Buch nicht veröffentlicht, da er die Rache der mächtigen Katholischen Kirche befürchtet hat. Seinen Umzug nach England, der dem Einmarsch der Nazis in Wien folgt, sieht Freud als Fingerzeig Gottes, dass er doch noch sein wichtiges Werk zu Lebzeiten an die Leser verteilen darf. Damals wird sein Buch stark angegriffen. Heute stimmen viele christliche Theologen und wenige Rabbiner Sigmund Freud zu.

Was sind die Wurzeln des Antisemitismus? Viele Ursachen des Antisemitismus, die sich gegenseitig ausschließen, sind erwogen worden. Eine Ursache des Antisemitismus wird ständig ausgeblendet, obwohl sie mit hoher Wahrscheinlichkeit der wichtigste Grund für den Judenhass ist.

Beginnen wir mit der Erbsünde, die Paulus einführt und für ein Verbrechen gegen Gott hält, welches nur der Tod sühnen kann. So kommt mit der christlichen Erbsünde der Tod in die Welt. In allen christlichen Traditionen basiert die Erbsünde, die im Judentum unbekannt ist, auf die Trennung des Menschen in Gestalt von Adam und Eva von Gott. Nur mit Jesus’ Hilfe kann die Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt werden. Gott ist der Vater, Jesus ist der Sohn. Da die Juden Jesus nicht als Gott anerkennen, bleibt das Judentum eine Vaterreligion, das Christentum wird zur Sohnesreligion.

Geschichtlich und psychologisch hat die todwürdige die „Erbsünde“ nichts mit Adam und Eva zu tun. Für Freud ist die „Erbsünde“ der Mord am später vergötterten Urvater, der von allen Stammesmitgliedern zum ersten Mal reell, anschließend symbolisch verspeist wird (Eucharistie). Der von den Israeliten ermordete Urvater ist niemand Anderes als Moses der Ägypter, der seinem neuen Volk einen Monotheismus einbläut, den nicht einmal Ägypten in solcher Reinheit und Strenge gekannt hat. So lässt sich einfach erklären, warum Moses niemals das Heilige Land betritt. Offiziell stirbt Moses auf dem Berg Nebo, der heute in Jordanien liegt. Geschäftstüchtige palästinensische Araber haben den Berg Nebo in die Nähe Jerichos transferiert. (Palästinenser erkennen den Mord an Moses nicht an.)

Tiefenpsychologisch lässt sich der Mord am Vater nur durch die Tötung des Sohnes sühnen. Somit haben Christen Recht, wenn sie den Juden Gottesmord vorwerfen, auch wenn sie fälschlicherweise damit die Kreuzigung Jesus meinen. Da Juden den Mord an Urvater Moses abstreiten, entsteht ein definitorisches Durcheinander, welches in Mord und Totschlag für Juden endet.

Der nächste Grund für den Antisemitismus ist die Auserwähltheit der Juden in einem Bund mit Gott, den die Christen den Juden neiden. Der Verlauf der Weltgeschichte scheint die jüdische Anmaßung zu rechtfertigen, denn als es später Gott gefällt, der Menschheit einen Messias und Erlöser zu senden, wählt er ihn wiederum aus dem Volke der Juden. Es ist die Auserwähltheit, an die sich die Hoffnung auf Belohnung, Auszeichnung, endlich auf Weltherrschaft knüpft. Diese letztere Wunschphantasie, vom jüdischen Volk längst aufgegeben, lebt noch heute bei den Feinden des Volkes im Glauben an die Verschwörung der »Weisen von Zion« fort. Die katholische Kirche betrachtet sich und nicht die Juden als von Gott auserwählt. Die wenigsten Christen sind davon überzeugt.

Der Monotheismus verlangt von seinen Anhängern eine strenge Pflichterfüllung, wie sie beim Islamischen Staat vorzufinden ist. Sie wird Ethik genannt. Abweichungen von der Ethik werden gewöhnlich mit dem Tod bestraft. Die strenge monotheistische Ethik beruht auf Triebeinschränkung. Gott wird der Sexualität völlig entrückt und zum Ideal ethischer Vollkommenheit erhoben, dem die Menschen, zumindest der Papst, folgen sollen. Sexualverkehr innerhalb der Familie gehört zu den todeswürdigen Verbrechen, welchesnicht auf das Wissen der Genetik beruht. Zu den Pflichten der ägyptischen Pharaonen, die wie alle Blaublütigen bis heute als Götter verehrt werden, gehört es, dass sie ihre Geschwister heiraten. Auch die griechischen Götter leben endogam. Für den durchschnittlichen Bunte-Leser ist es eine Selbstverständlichkeit, dass alle Königs- und Fürstenhäuser Europas miteinander verwandt sind.

Hauptsächlich jedoch erkennt Freud im Antisemitismus den Ausdruck von Ressentiments vieler Christen und Säkularer, die die Juden für die Entstehung der christlichen Religion und Moral verantwortlich machen. Diese Menschen unterscheiden sich kaum von ihren Vorfahren, den barbarischen Heiden. Sie haben ihren Groll gegen die neue, ihnen aufgedrängte Religion nicht überwunden, aber sie haben ihn auf die Quelle verschoben, von der das Christentum zu ihnen kam. Ihr Hass auf das Judentum ist ihr Hass auf das Christentum.

Das Christentum und die westliche Zivilisation verdanken die meisten ihrer zivilisatorischen, also moralischen Werte dem Judentum. (Orson Wells sagte einst in einem Radio-Interview, dass ohne die Beiträge der Griechen und Römer wir in einer weit ärmeren Zivilisation leben würden; ohne die Juden hätten wir überhaupt keine Zivilisation.)

Diese jüdischen Werte werden nicht nur von christlichen Antisemiten bekämpft. Die zum Christentum bekehrten Heiden können sich nicht von ihrem alten Glauben losreißen. Die christliche Religion hält die Höhe der Vergeistigung nicht ein, zu der sich das Judentum aufgeschwungen hat. Das Christentum ist nicht mehr streng monotheistisch, sondern henotheistisch (polytheistisch mit einem Hauptgott), übernimmt von den umgebenden Völkern zahlreiche symbolische Riten, stellt die große Muttergottheit wieder her und findet Platz zur Unterbringung vieler Göttergestalten des Polytheismus. Theologisch nicht versierte Christen sind unfähig, zwischen den moralischen Forderungen des Monotheismus und den heidnischen Praktiken zu unterscheiden. Bedeutende christliche Theologen wissen, dass die Kirche niemals die Synagoge im Kampf gegen den Polytheismus ersetzen kann, da die Kirche selbst vom Heidentum stark beeinflusst ist. Nur das Judentum ist fähig, die Christen vom Heidentum zu bewahren.

Die meisten Christen nehmen den monotheistischen Gott nicht an. Die ethischen Anforderungen des monotheistischen Gottes an die Menschen verlangen Verzicht, eine harte Selbstdisziplin und eine Triebeinschränkung, welche einen ebenso harten Widerstand erzeugen. Zudem ist Jesus ein Jude, dessen ethische Werte dem Judentums entstammen, die er in seine Lehre einfügt. Antisemiten lehnen Jesus ab, was bedeutet, dass judenhassende Christen sich gegen ihre eigene Religion wenden.

Der Antisemitismus ist Europas Rache gegen die Propheten der Thora. Der Jude wird verfolgt, da er die Ethik und somit die Erkenntnis der Sünde in die Welt gebracht hat. Der Christ kann dem Juden nicht verzeihen, dass er ihm dieses Wissen gebracht hat. Nicht weil sie gute Christen sind, sind Christen Antisemiten, sondern weil sie schlechte Christen, in Wahrheit unterdrückte Heiden sind. Sie greifen diejenigen an, die verantwortlich für die Entstehung des Christentums sind. Sie verurteilen die Juden nicht, weil diese Jesus getötet haben. Sie verurteilen die Juden, weil sie Jesus hervorgebracht haben.

Teile der westlichen Welt haben versucht, das Christentum vom Judentum abzutrennen, da sie es nicht aushalten, dass das Christentum dem Judentum so viel schuldet. Die Schuld soll in Vergessenheit geraten. Antisemiten widersetzen sich ihrem Schicksal, indem sie diejenigen vernichten, die sie an ihr Schicksal erinnern. Der Jude stört das Leben des Antisemiten, da er ihn an die Ethik der Thora erinnert, auch wenn die Lehre Jesus vom Judentum aus höchst unvollkommen ist. Der Antisemit erneuert die Kreuzigung seines Heilands, wenn er den Juden foltert und mordet, der die Lehre repräsentiert, die Jesus verwendet hat. So verwundert es nicht, dass viele Antisemiten die Gelegenheit ergreifen, Juden Verbrechen vorzuwerfen, wenn sie gezwungen sind, sich zu verteidigen. Juden dürfen sich nicht verteidigen. Die Antisemiten sind Opfer ihrer unbewussten Abneigung gegen jüdische Werte, die der christliche Messias verkündet hat.

Einer der wichtigsten Werte der Thora ist die Freiheit des Menschen. Aktuell (Griechenland, Ukraine, Iran, Flüchtlinge) erlebt Europa eine Zunahme heidnischer Einstellungen und den Verlust jüdischer Werte. Dieses Verhalten beschert Europa Verwerfungen, die nur dann umkehrbar sind, wenn die Menschen Europas verstehen, dass die Delegitimierung Israels und der Juden ihnen zum Verhängnis wird. Europa kann sich der vielen Nichtjuden, darunter anständige Christen, glücklich schätzen, die die Gefahren erkennen und abwenden wollen.

Der islamische Judenhass folgt im Wesentlichem dem Vulgärantisemitismus. Viele Muslime geben den Juden die Schuld am Islamismus. In ihrer Reinheit unterscheidet sich die Lehre des Islamismus nicht vom radikalen Frühislam, der vergeblich versucht hat, den jüdischen Moralvorstellungen zu genügen. Mohammed bleibt nur übrig, die Thora als Fälschung darzustellen. Während die meisten Christen die (modifizierte) Thora (Altes Testament) als Teil ihres Glaubens ansehen, setzt sich der Koran an Stelle der Thora. Die Folgen sind für jeden sichtbar, für viele sogar spürbar.

Juden müssen das Faktum berücksichtigen, wenn sie den Antisemitismus bekämpfen wollen: Der Antisemitismus ist kein jüdisches Problem. Die Juden müssen die Welt von der Kraft ihrer Ethik überzeugen, die Weltgemeinschaft muss den Frieden mit der Ethik des Judentums schließen. Nur wenn die jüdische Ethik in allen Schulen, allen Kirchen und allen Moscheen gelehrt wird, besteht eine Chance, dass der Antisemitismus schwindet und die Welt friedlich wird.

Bis dahin sollen Juden den Antisemitismus als Quelle des jüdischen Stolzes betrachten. Die Juden müssen aufhören zu glauben und zu verbreiten, dass sie grundlose Opfer des längsten und bösartigsten Hasses der Weltgeschichte sind. Das Gegenteil ist wahr! Die Juden werden aus gutem Grund gehasst! Sie werden gehasst, weil das Jüdische Volk während der gesamten menschlichen Geschichte mutig gewesen ist, gegen eine Welt aufzustehen und zu protestieren, die sich dem Heidentum, der Gewalt und dem Unrecht verpflichtet fühlt. Die Juden müssen ihren Kindern lehren, dass es ihre Pflicht ist, die Arbeit der Propheten als das moralische Gewissen der Welt fortzusetzen.

Lasst uns wenigstens für einen wahren Grund gehasst werden und lasst uns stolz darüber sein.

PS:

Freud beschreibt in seinem Buch nur Köln als antisemitische Stadt in Deutschland. Er berichtet über die Beschneidung, die als christliche Kastrationsangst bis heute Köln beherrscht. Antisemitische Hetzkampagnen auf den Straßen Kölns und vor dem Dom erwähnt er nur beiläufig.

 

Numeri 24 : 9

 

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Autor: joerg
Bild Quelle:


Montag, 20 Juli 2015

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