Was bedeutet den Muslimen Jerusalem?

Was bedeutet den Muslimen Jerusalem?


Bei der jüngsten Gewaltserie auf dem Tempelberg geht es nicht um einen territorialen Disput zwischen Israel und den Arabern, der sich nur über die letzten hundert Jahre erstreckt. Es ist ein Kampf um den Status des Islam, um Kontrolle, um die Verbreitung des Islam, wenn nötig mit Gewalt.

Was bedeutet den Muslimen Jerusalem?

von Dror Eydar, Israel HaYom, 2. Oktober 2015

Die Lage auf dem Tempelberg und den Gassen der Altstadt, bei der Juden nur deshalb gedemütigt werden, weil sie offen beten möchten, wird von vielen als ein Problem betrachtet, das nur für religiöse Menschen wichtig ist. Das ist nicht der Fall. Der israelisch-arabische Knessetabgeordnete Jamal Zahalka erzählte mir einmal, dass er Atheist ist, was macht er also auf dem Tempelberg? Was hieß das, als er brüllte: „Das ist mein Haus, nicht eures!“ Immerhin „ist dies nichts anderes als das Haus Gottes und dies ist das Tor zum Himmel“ (1. Mose 28,17) – alle Völker sind eingeladen den Tempelberg zu ersteigen zu dort zu beten. Was kümmert es also einen nicht religiösen MK, wenn andere Menschen beten?

Durch die fast gesamte islamische Geschichte hindurch hat Jerusalem eine sehr marginalen Status genossen. Die Forschung zeigt, dass die Heiligkeit Jerusalems in der islamischen Tradition ausdrücklich von der Verehrung der Stadt durch die Juden und Christen beeinflusst worden ist. Für viele Muslime war die jüdische Souveränität über Jerusalem nach dem Sechstage-Krieg – noch mehr als der Besitz der Stadt durch die Kreuzfahrer – ein echtes Ärgernis.

Sowohl die Christenheit als auch der Islam gründen ihren Glauben auf „Ersetzungstheologie“ – die Vorstellung, dass Gott zuerst die Juden als auserwähltes Volk aussuchte, aber als diese es ablehnten Jesus als den Messias bzw. Mohammed als den Propheten anzuerkennen, verließ Gott die Juden und wählte sich ein neues Volk. Das ist der Grund, dass die theologische Rivalität zwischen Christentum und Islam nicht allzu auffällig ist, anders als die Hunderte Jahre und Millionen Seiten, die sowohl Christen als auch Muslime der Konfrontation mit dem jüdischen Glauben und jüdischen Traditionen gewidmet haben.

Sei den 1960-er Jahren ist in der christlichen Welt eine theologische Revolution in Bezug auf das jüdische Volk und die Gültigkeit der Ersetzungstheologie im Gang. In den letzten Jahren habe ich über interessante Stimmen in der christlichen Welt berichtet, die die Ersetzungstheologie ablehnen oder zumindest die Tatsache anerkennen, dass das Christentum sich aus dem Judentum entwickelt hat. Daher kommt die christliche Anerkennung der historischen und religiösen (und juristischen) Verbindung des jüdischen Volks zu seinem Land.

Doch der Islam ist für diese Vorstellung nicht offen. Ein oberflächliches Lesen des Koran offenbart, wie sehr sich Mohammed auf die Juden konzentrierte – ihre Traditionen und heiligen Texte wie auch sein Bitten, dass sie sich seiner neuen Religion anschlossen. Im frühen 19. Jahrhundert veröffentlichte Abraham Geiger seine Doktorarbeit von der Universität Bonn mit dem Titel „Was hat Mohammed aus dem Judenthume aufgenommen?“ Geiger demonstrierte, dass der Islam jüdische Ideen wie Gebet, das Heilige Land, den Tempel, die Synagoge, Pilgerfahrten, Engel, Fasten, Almosen, Opfer, Monotheismus, Propheten, die Endzeit und Ernährungsvorschriften aufnahm. ER analysierte die semantische Nähe zwischen dem theologischen Lexikon des Islam (formuliert auf Hebräisch) und jüdischen Konzepten. Er diskutierte die religiösen Prinzipien, die aus der jüdischen Tradition stammen, so Monotheismus, die sechs Schöpfungstage, sieben Himmel, die sieben Kreise der Hölle, Prophetentum, Bestrafung und Belohnung, Strafmaßnahmen, Wiederauferstehung, Armageddon vor dem Kommen des Messias (Mahdi) und weiteres. Natürlich gibt es hier auch Überlappung mit Dutzenden Geschichten aus der Bibel, dem Talmud und der Midrasch, die in verschiedenen Versionen im Koran auftauchen.

Muslime beteten in die Richtung von Jerusalem, bis das in Richtung Mekka geändert wurde. Die Vorstellung des Fastens als Teil der Bußfertigkeit und Anerkennung der Regeln der Religion wurden aus dem Judentum übernommen; auch der auf den ursprünglich auf den 10. Tag des ersten Monats des muslimischen Kalenders festgesetzten Fastentags (so wie Yom Kippur auf dem 10. Tishrei liegt) und weiteres. Die Gründung des Koran und des Neuen Testaments sind in der jüdischen Thora zu finden. Es gibt jede Menge Literatur zum Thema. Ich empfehle mit Dr. Avi Bekers ausgezeichnetem Buch „The Chosen: The History of An Idea, and the Anatomy of an Obsession.” (Die Auserwählten: Die Geschichte einer Idee und die Anatomie einer Besessenheit) anzufangen.

Als Teil der Ersetzungstheologie, wonach der Islam den jüdischen Glauben erbte, wurde die Geschichte von Mohammeds Reise in den Himmel vom heiligsten Ort der Juden, nachdem er sein geflügeltes Pferd al-Buraq an der Mauer des jüdischen Tempels anband, in die späte muslimische Tradition eingefügt. Erst gegen Ende der 1920-er Jahre, unmittelbar vor den Massakern von 1929, verband der Großmufti von Jerusalem, Haddsch Amin al-Husseini, die Geschichte des geflügelten Pferdes mit der Westmauer. Er behauptete sogar in einer Aussage vor der britischen Shaw-Kommission (die zur Untersuchung der Massaker von 1929 eingesetzt worden war), dass die Westmauer der muslimischen Waqf gehört. „Die Buraq-Mauer bildet einen integralen Bestandteil des al-Haram al-Sharif [des edlen Heiligtums], kein einziger Stein von ihr geht auf die Tage des Tempels Salomos zurück“, hieß es.

Aber Jerusalem taucht im Koran gar nicht auf. Nicht ein einziges Mal. Die gesamte muslimische Theologie zum Thema stützt sich auf einen vage Vers: „Preis Ihm, Der bei Nacht Seinen Diener hinwegführte von der Heiligen Moschee zu der Fernen Moschee, deren Umgebung Wir gesegnet haben, auf daß Wir ihm einige Unserer Zeichen zeigen. Wahrlich, Er ist der Allhörende, der Allsehende.“ (Sure 17,1) Die anerkannte muslimische Interpretation setzt „al-Masjid al-Haram“ (die heilige Moschee) nach Mekka und „al-Masjid al-Aqsa“ (die ferne Moschee) nach Jerusalem (obwohl des zur damaligen Zeit in Jerusalem keine Moschee gab). Frühe Interpretationen argumentieren, dass die ferne Moschee im Himmel war oder sogar in Mekka. Andere betrachteten die Geschichte als eine Vision, nicht als Realität, wie aus einem späteren Vers abzuleiten ist: „Und (gedenke der Zeit) da Wir zu dir sprachen: «Dein Herr umfaßt die Menschen.» Und Wir haben das Traumgesicht, das Wir dich sehen ließen, nur als eine Prüfung für die Menschen gemacht und ebenso den verfluchten Baum im Koran.“ (Sure 17,60)

Die Geschichte entwickelte sich später in den Hadithen weiter, die der spätere Text über das Leben des Propheten sind, um die neue Religion als Erbe des jüdischen Glaubens zu festigen. Offenbar hatte Mohammed von den Juden gehört, dass Prophetie außerhalb des Landes Israel nicht möglich war, also wurde großer Wert darauf gelegt zu betonen, dass Mohammed den Tempel in Jerusalem besuchte, wo er in den Himmel aufstieg.

In derselben Sure sagt der Koran: „Wir gaben Moses die Schrift und machten sie zu einer Führung für die Kinder Israels.“ (Sure 17,2) Die Verbindung zwischen der Geschichte der Himmelfahrt Mohammeds und der Geschichte, dass Gott Moses die Thora gab, ist offensichtlich. Der Rest der Sure (sie heißt Sure al-Israa – die Israeliten!) erzählt die Geschichte des auserwählten jüdischen Volks, dem zweimal die Gelegenheit gegeben wurde und das versagte, weshalb ihre beiden Tempel zerstört wurden. Mohammed ist nicht nur der Erbe Moses‘, sondern die neue Nation des Islam erbt den Status des auserwählten Volks von den Israeliten. „Ihr seid das beste Volk, hervorgebracht zum Wohl der Menschheit; ihr gebietet das Gute und verwehrt das Böse und glaubt an Allah. Und wenn das Volk der Schrift auch (diese Anweisung Allahs) annähme, wahrlich würde es ihnen besser frommen. Manche von ihnen nehmen (sie) an, doch die meisten ihrer sind ungehorsam.“ (Sure 3,110)

Wo findet das Drama der Ersetzung des auserwählten Volks nach dieser speziellen Interpretationsschule statt? In Jerusalem! Diesbezüglich ist die muslimische Leugnung jeglicher jüdische Verbindung zu Jerusalem und natürlich zum Tempelberg interessant, denn sie widerspricht ebendiesen Dogmen des muslimischen Glaubens als Erbe des jüdischen Glaubens.

Die oben kurz diskutierten Themen sind nicht einfach eine Diskussion der abstrakt religiösen Aspekte, sondern haben auch mit den Wurzeln des muslimischen Glaubens zu tun. Sie haben natürlich mit der vorherrschenden Interpretation zu tun (deren Auswirkungen im heutigen Nahen Osten und Europa klar offenbar sind) legt nahe, dass der Islam nicht nur eine weitere Religion ist, die danach strebt neben bestehenden monotheistischen Religionen zu existieren, sondern die letzte Religion der Geschichte – der Erbe des Judentums (und des Christentums), deren Gläubige angewiesen sind den Glauben und die in der Welt zu verbreiten, wenn nötig mit Gewalt: „Er ist es, Der Seinen Gesandten geschickt hat mit der Führung und dem wahren Glauben, auf daß Er ihn obsiegen lasse über alle (andern) Glaubensbekenntnisse.“ (Sure 9,33)

Die aktuellen Spannungen in Jerusalem hat alles mit dieser starken Analyse zu tun und sie haben tiefgehende Auswirkungen auf den Friedensprozess. Zudem ist die aktuelle Lage in Jerusalem mit der Zukunft Europas verbunden, in das weiterhin Dutzende Millionen Muslime strömen. In diesem Zusammenhang sollte jeder die schrecklichen Ausführungen lesen, die PA-Präsident Mahmud Abbas vor etwa zwei Wochen von sich gab, als er erklärte, Juden „haben kein Recht [die heiligen Stätten Jerusalems] mit ihren dreckigen Füßen zu besudeln“. Diesen hundertjährigen Konflikt zwischen uns und den Arabern der Region als rein territorialen Disput zu betrachten, bedeutet, sich gegenüber den oben angeführten, tief verwurzelten Konzepten willentlich blind zu stellen, wie es die Staaten der Welt tun. Ob wir es wollen oder nicht, mit der Zeit trifft alles am Grundpfeiler der historischen Rückkehr nach Zion aufeinander – der Rückkehr nach Jerusalem und auf den Tempelberg.

 

Übersetzt von Heplev - Foto: Als "Moschee" getarntes Waffendepot: Die sogenannte "Al Aqsa" auf dem jüdischen Tempelberg in der israelischen Hauptstadt Jerusalem  (Foto: von Zairon (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons)

 

Lesen Sie hierzu auch:

 

Zu juristischen/völkerrechtlichen Aspekten:

 

„Israeli Apartheid?“-Woche bei haOlam.de:

 

 


Autor: joerg
Bild Quelle:


Samstag, 24 Oktober 2015

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