Der Terror und die Demokratien Europas früher und heute

Der Terror und die Demokratien Europas früher und heute


Europa wird nach den tödlichen Anschlägen von Brüssel einmal mehr von muslimischem Terrorismus in Geiselhaft genommen. Politiker und Personen der Öffentlichkeit haben die üblichen nebulösen Kommentare abgegeben. Um einen herauszupicken: Der schwedische Premierminister Stefan Löfven sagte: „Das ist ein Anschlag auf unser demokratisches Europa. Wir werden niemals akzeptieren, dass Terroristen unsere offenen Gesellschaften angreifen.“[1]

Der Terror und die Demokratien Europas früher und heute

von Dr. Manfred Gerstenfeld

 

Israelis bringen die Anschläge in Europa eine Zeit vor mehreren Jahrzehnten ins Erinnerung, als Israel und diejenigen, die auf irgendeine Weise mit ihm in Verbindung standen, von weltweitem palästinensischem Terrorismus heimgesucht wurden. Mehrere europäische Demokratien versuchten damals zu einer Übereinkunft mit den Terrororganisationen zu kommen: Sie würden die Mörder von Israelis – oder auch der eigenen Staatsbürger – strafrechtlich nicht verfolgen. Im Gegenzug sollten ihre Länder nicht angegriffen werden.

 

Ein Geheimabkommen zwischen der schweizerischen Regierung und den Terroristen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) vor 45 Jahren wurde vor kurzem in einem Buch des Schweizer Journalisten Marcel Gyr aufgedeckt.[2] Die Schweiz war das Opfer dreier palästinensischer Terroranschläge geworden. 1969 schoss am Flughafen Zürich ein palästinensischer Terrorist auf ein Flugzeug der El Al und tötete dessen israelischen Pilot. Die Schweiz verhaftete die Terroristen. 1970 explodierte bei Zürich eine Bombe an Bord eines Swissair-Flugs nach Tel Aviv; alle 47 Passagiere und die Besatzung wurden getötet. Später im selben Jahr wurde ein Swissair-Flug nach New York entführt. Er wurde zusammen mit zwei weiteren Flugzeugen – einem britischen und einem amerikanischen – auf ein Flugfeld in Jordanien umgeleitet, wo alle drei Flugzeuge zerstört wurden.[3]

Aus Gyrs Buch erfahren wir, dass der damalige Schweizer Außenminister Pierre Graber, der 2003 verstarb, kurz nach der Entführung 1970 ein Geheimabkommen mit der PLO traf. Vermittler dafür war Jean Ziegler, ein berüchtigter antiisraelischer Aufwiegler und selbsterklärter Menschenrechtsaktivist. Er war damals Parlamentarier in der Schweiz und ist heute immer noch als Mitglied des Beraterkomitees für den UNO-Menschenrechtsrat tätig. Ziegler hat vor kurzem seine Rolle bei dieser Strafvereitelung eingestanden und sich bei den Familienmitgliedern der Opfer entschuldigt.[4]

 

Als Folge der Vereinbarung wurden die Mörder des israelischen Piloten freigelassen und die Ermittlungen zu dem Anschlag auf den Swissair-Flug wurden gestoppt. Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine Demokratie bewusst dem Verrat an der Gerechtigkeit für die eigenen Staatsbürger zustimmt. Im März zeigte Gyr auf, dass Europas internationaler Top-Terrorist Carlos, der heute lebenslänglich in Frankreich einsitzt, seinem Rechtsanwalt sagte, er habe sich immer sehr sicher gefühlt, wenn er in der Schweiz war.[5]

 

Die Schweizer waren anderen europäischen Ländern voraus, die Vereinbarungen mit palästinensischen Terroristen erzielten oder das versuchten. Die deutsche Regierung war die nächste, die eine solche Übereinkunft anstrebte. Bei den Olympischen Spielen in München wurden 1972 elf israelische Athleten und ein deutscher Polizist von der Organisation Schwarzer September ermordet. Es brauchte vierzig Jahre, bis bekannt wurde, dass Walter Nowak, ein Deutscher Regierungsvertreter, ein paar Monate nach den Morden versuchte ein Übereinkommen mit dem Schwarzen September zu erreichen.

Nowak war damals deutscher Botschafter im Libanon. Er traf sich mit Abu Youssef, einem Gründer des Schwarzen September, zu einem zweistündigen Gespräch. Nowak bot Abu Youssef und seiner Terrororganisation die Möglichkeit „einer neuen Vertrauensbasis“ bei der deutschen Regierung an. Darüber hinaus wurde ein mögliches Geheimtreffen in Kairo diskutiert, das zwischen Abu Youssef und dem damaligen deutschen Außenminister Walter Scheel stattfinden sollte. Dieses ehemalige NSDAP-Mitglied erfand sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Leiter der FDP neu und wurde 1974 Präsident der Bundesrepublik.

 

Eine Woche nach diesem Treffen tötete Israel Abu Youssef zusammen mit weiteren palästinensischen Terroristen, die für die Morde von München verantwortlich waren. Nowak wurde zitiert, die toten Palästinenser gerhörten zu den „rationalsten und verantwortlichsten“ Mitgliedern der PLO. Er schrieb in einem Brief an die deutschen Machthaber, dass die Israelis Abu Youssef und die anderen getötet haben könnten, um den Friedensprozess im Nahen Osten zu verhindern. Der Artikel, der 2012 dies sowie weiteres Katzbuckeln der deutschen Regierung gegenüber den Palästinensern nach den Morden von München in DER SPIEGEL beschrieb, ist eine vernichtende Anklage des damaligen sozialdemokratischen Bundeskanzlers Willy Brand und seiner Regierung.[6]

 

Die Franzosen und Italiener hatten ebenfalls ihren Anteil an den Händeln mit den palästinensischen Terroristen. Abu Daoud, der Führer der Münchener Morde durch die Palästinenser, wurde im Januar 1977 von Frankreich verhaftet. Deutschland und Israel forderten seine Auslieferung. Die französischen Behörden lehnten ab und führten Gründe an, die weithin undurchsichtig waren.[7] Sie gestatteten Abu Daoud nach Algerien auszureisen.

1985 entführte die Terrororganisation Palästinensische Befreiungsfront das italienische Kreuzfahrtschiff Achille Lauro. Die Palästinenser töteten den an den Rollstuhl gefesselten jüdischen Amerikaner Leon Klinghoffer und das Schiff fuhr nach Ägyptern. Obwohl die Ägypter den Entführern freies Geleit nach Tunesien gaben, zwang ein amerikanisches Militärflugzeug das ägyptische Flugzeug zur Landung auf italienischem Boden.

Die Italiener verhafteten die palästinensischen Entführer, aber ihr Anführer Abu Abbas ging straffrei aus. Sie behaupteten, dass die in Washington gegen ihn angehäuften Beweise nicht ausreichten und er im Besitz eines irakischen Diplomatenpasses war, was ihm Immunität verlieh. Innerhalb von zwei Tagen war Abu Abbas aus Italien entkommen, entging der Gefangennahme, bis er von amerikanischen Streitkräften 2003 im Irak verhaftet wurde.[8] Die anderen Entführer wurden vom italienischen Justizsystem zu Gefängnisstrafen verurteilt.

 

Francesco Cossiga, von 1985 bis 1992 Italiens Premierminister, gab zu, dass sein Vorgänger Aldo Moro, ebenfalls Christdemokrat, einen „geheimen Nichtangriffspakt zwischen dem italienischen Staat und palästinensischen Widerstandsorganisationen, einschließlich Terrorgruppen“ abschloss. Der Pakt erlaubte den palästinensischen Terrorgruppen – mit Ausnahme der von Abu Nidal – Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes im Austausch für Immunität vor Anschlägen in Italien.[9]

 

Wir wissen heute, dass Terroristen entgegenzukommen europäischen Staaten langfristig nicht half. Im Gegenteil, es hat sie davon abgehalten rigorose Politik zu definieren, wem sie nicht gestatten wollen ins Land zu kommen. Dazu kommen inadäquate Geheimdienstinformationen und schwache Überwachungstechniken.[10] Man muss sich nur kurz die Bilder der Mordverdächtigen am Brüsseler Flughafen ansehen. Jeder minimal in Profiling Ausgebildete hätte sich auf sie konzentriert, noch bevor sie den Flughafen betraten und sie für weitere Sicherheitsüberprüfungen vorgemerkt.

Es wird wahrscheinlich viele weitere Jahre dauern, bis die Führer Europas unter Kosten weiterer Todesopfer auch nur anfangen akzeptieren, dass der erste einfache Schritt zur Reduzierung von Terroranschlägen über das Profiling von Verdächtigen führt und dass dies weit davon entfernt ist aus Demokratien Polizeistaaten zu machen. Weiteres Vermeiden von Profiling wird nur zusätzliche Terroranschläge auf europäische Demokratien fördern. Es wird auch zu weiteren nichtssagenden Beileidsbekundungen für die Toten und Verstümmelten seitens europäischer Politiker gegenüber den Opfern und ihren Familien führen, die hätten verhindert werden können.

 

[1] http://www.government.se/statements/2016/03/statement-by-prime-minister-stefan-lofven-on-the-terrorist-attacks-in-brussels/

[2] Marcel Gyr: Schweizer Terrorjahre. Das geheime Abkommen mit der PLO.Zúrich (NZZ) 2016)

[3] http://www.bbc.com/news/world-europe-35384354

 

[4] http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/jean-ziegler-entschuldigt-sich-wegen-plodeal/story/11639007

[5] http://www.nzz.ch/schweiz/aktuelle-themen/carlos-fuehlte-sich-von-bern-protegiert-1.18707612

[6] http://www.spiegel.de/international/world/germany-maintained-contacts-with-palestinians-after-munich-massacre-a-852322-2.html

[7] Noemi Gal-Or: International Cooperation to Suppress Terrorism. Routledge, 2015); http://www.washingtonpost.com/archive/politics/1977/01/15/us-reportedly-alerted-france-on-abu-daoud/23591e3d-b350-4d98-b820-9cca0897a128/.

[8] Palestinian Terrorist Abu Abbas Arrested. Fox News, 16. April 2003.

[9] Nissan Ratzlav-Katz: Fmr. Italian Pres.: We Signed Pact With Terrorists. Israel National News, 18. August 2008.

[10] www.telegraaf.nl/reportage/25466459/___Politici_keken_weg___.html;http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/belgium/12202477/Belgium-needs-its-own-Special-Branch-or-else-it-is-fighting-terrorists-blind.html

 

 

Zuerst veröffentlicht bei Heplev


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Dienstag, 29 März 2016