Das Handwerk des Antisemitismus

Das Handwerk des Antisemitismus


Die von Arte gesperrte Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa“ wurde von BILD für 24 Stunden ins Internet gestellt. Schon kurz darauf hatten Tausende den Film gesehen. Es ist anzunehmen, dass hier der „Streisand- Effekt“ wirkte, wonach eine Information umso bekannter wird, je mehr man versucht, sie zu unterdrücken. Anschliessend beschloss der WDR, den Film (an diesem Mittwoch um 22:15 Uhr) doch zu senden. Allerdings „kritisch eingebettet“, mit einer Diskussionsrunde bei Maischberger, zu der nicht einmal die „angeklagten“ Filmemacher eingeladen wurden.

Das Handwerk des Antisemitismus


Von
 Ulrich W. Sahm


Der WDR hatte den Filmemachern „handwerkliche Fehler“ vorgeworfen und forderte Belege für eine Liste von Fakten, die der Sendeleitung fraglich waren. (Liegt der Redaktion vor) So konnten sich die WDR Redakteure z. B. nicht vorstellen, dass die IS-Terroristen antisemitische Motive hatten, als sie das Pariser Theater Bataclan attackierten:
 


Screenshot WDR Faktencheck. http://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/unternehmen/doku-faktencheck/doku-faktencheck-gesamt-100.html

 

Doch bereits lange vor dem dschihadistischen Terroranschlag 2015 war das Bataclan in den Jahren 2007, 2008, 2009 von islamistischen Gruppen massiv bedroht worden.

 

Im Dezember 2008 konnte jeder z. B. das Video einer Gruppe von rund zehn mit Palästinensertüchern maskierten jungen Männern sehen, die sich wegen der bevorstehenden jährlich stattfindenden Gala der jüdischen Organisation Migdal zur Unterstützung der israelischen Grenzpolizei Magav vor dem Bataclan aufgebaut hatten. Man drohte: „Wenn das Bataclan und Migdal wie in den vergangenen Jahren eine Gala für Magav organisieren, die Grenzpolizei der israelischen Armee, werden das die Leute nicht mehr unterstützen, und ihr werdet die Konsequenzen eurer Taten tragen. Das nächste Mal kommen wir nicht nur zum Reden.“

 

2009 sprach ein Mitglied des Dschaisch al-Islam (Armee des Islam) eine deutliche Drohung gegen das Bataclan wegen seiner „zionistischen Besitzer“ aus. Im Jahr 2011 erklärte ein Mitglied der salafistischen Terrorgruppe Dschaisch al-Islam bei einem Verhör des französischen Inlandsgeheimdienstes: „Wir planen einen Anschlag auf das Bataclan, weil die Eigentümer Juden sind.“ Ein Anschlag konnte 2011 vereitelt werden. Im September 2015 hat sich Dschaisch al-Islam dem „Islamischen Staat“ angeschlossen hat. Am 13. November 2015 wurden im Bataclan-Theater 90 Menschen ermordet, 40 weitere starben bei Angriffen auf Cafés und Restaurants in der Nachbarschaft. Noch Wochen danach wurden antisemitische Vorfälle europaweit in allen Medien durchdiskutiert. Das Theater war bis 2 Monate vor dem Anschlag im Besitz einer jüdischen Familie gewesen. Diese war nach Israel ausgewandert, weil sie die ständigen Angriffe nicht mehr ertragen hatte. Doch der WDR fragt ernsthaft nach Beweisen für Antisemitismus. Auf welchem Planeten lebt diese Redaktion?

 

In Nice, Toulouse, Paris, Kopenhagen, Brüssel, London und in Berlin wurden ähnliche Anschläge von islamischen Attentätern durchgeführt. Bei einigen konnten Verbindungen zu IS, Salafisten oder anderen Extremisten nachgewiesen werden. Die grosse Zahl jüdischer Ziele ist unübersehbar: Jüdische Kinder in Toulouse, der Hyper Kasher Supermarkt in Paris, Charlie Hebdo, das jüdische Museum in Brüssel oder die Synagoge in Kopenhagen.

 

Vom Judenhass

 

Während der WDR noch moniert, er könne im Fall des Anschlags auf das Bataclan keinen Antisemitismus wahrnehmen, hat prominent Jakob Augstein im Spiegel festgestellt, dass es für ihn angesichts dieses Films gar keine Antisemitismus-Definition mehr gebe. Augstein wörtlich: „Der Definitionsrahmen wurde derart erweitert, dass der Begriff Antisemitismus seine Bedeutung weitgehend verloren hat.“

 

„Antisemitismus“ ist nur eine neue Form der uralten „Judäophobie“, die schon vor dem Christentum bei griechischen wie römischen Autoren belegt ist. Es gibt den alten christlichen Judenhass mit Vorwürfen an „die“ Juden, den Sohn Gottes „ermordet“ zu haben, obgleich der Italiener Pontius Pilatus als römischer Prokurator das Todesurteil ausgesprochen hat, natürlich nachdem der sich seine „Hände in Unschuld gewaschen“ hat. Gleichgültig ob die Szene überhaupt stattgefunden hat, war für die Christen anhand dieser Erzählung über Jahrhunderte klar, dass „die Juden“ Schuld am Tod Jesu waren. Im Mittelalter gab es viele irrationale Vorwürfe gegen Juden. Dazu gehörten die Legenden der Brunnenvergiftung, der Verwendung von Christenblut, um an Pessach die Matzes zu backen und vieles mehr. Ganze Bibliotheken sind schon gefüllt worden, um diese Verschwörungstheorien zu widerlegen, was aber den palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas nicht daran hinderte, im europäischen Parlament zu stehendem Applaus zu behaupten, dass heute Israelis die Brunnen der Palästinenser vergiften. Aus gutem Grund haben die Filmemacher genau diese Szene an den Beginn ihrer Dokumentation gestellt, wobei sie nicht erwähnten, dass Abbas diesen klassischen antijüdischen Vorwurf von Jehuda Schaul übernommen hatte. Schaul ist der Gründer von „Breaking the Silence“ und hatte die Brunnenvergifter-Geschichte durch Israelis bei einer heimlich gefilmten Führung in der Gegend von Hebron verbreitet. In Klammern sei hier erwähnt, dass Israels Premierminister Benjamin Netanjahu den Antrittsbesuch von Gabriel als deutschen Aussenminister platzen liess, wegen dessen Treffen mit „Breaking the Silence“. Warum das für Gabriel so dringlich war, erschliesst sich nicht, denn Gabriel kennt Schaul mindestens seit 2012. Nach seinem Besuch in Hebron, schrieb er bekanntlich auf Facebook, dass er Zeuge eines Apartheid-Regimes geworden sei.

 

 

Über den Antisemitismus

 

Erst mit der Aufklärung im 19. Jahrhundert kam das Bedürfnis auf, die Menschheit in „Rassen“ aufzuteilen. Als Semiten galten zum Beispiel die Ägypter, wegen ihrer Sprache. Allerdings haben diese zunächst griechisch, lateinisch und andere „arische“ Sprachen gesprochen, bis sie im 7.Jahrhundert von den Arabern erobert worden sind und das „semitische“ Arabisch angenommen haben. Von all den kruden Theorien ist heute nur noch übriggeblieben, dass die Juden „Semiten“ seien. Der heutige „Antisemitismus“ ist kein Hass auf „Semiten“ wie Araber oder sonstige Menschen, die „semitische Sprachen“ sprechen. Der Begriff „Antisemitismus“ betrifft allein Juden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das nach Deutschland eingewanderte russische Juden sind, die in ihrer sowjetischen Heimat als „Jevreiji“ (Hebräer) diskriminiert worden sind und keine Ahnung vom Judentum haben, oder eben Israelis, die durchaus auch Kommunisten, Atheisten, Linke oder sonstige Anti-Zionisten sein können.

 

Zum Repertoire antisemitischer Verschwörungstheorien gehören natürlich auch die „Protokolle der Weisen von Zion“, bei einem Prozess in Bern einwandfrei als Fälschung des zaristischen Geheimdienstes, dem Vorläufer des KGB, erwiesen. Was da in manchen Köpfen von Rechtsradikalen oder auch bei Muslimen in Paris beim Mord an Sarah Halimi herumschwört, stammt direkt aus diesen Protokollen, darunter das „Geldjudentum“, die jüdische „Weltherrschaft“ und vieles mehr.

 

Klar ist, dass diese antisemitischen Ideen in entscheidender Weise durch den Mufti von Jerusalem, Hadsch Amin el Husseini, während des Zweiten Weltkriegs von Berlin per Radio Zeese in die arabische Welt verschleppt worden sind. Ein Beweis dafür ist die Verbreitung von Hitlers „Mein Kampf“ als Bestseller in der ganzen arabischen Welt. Antisemitismus-Forscher sollten vielleicht mal prüfen, seit wann in der arabischen Welt in Karikaturen Juden und heute Israelis im Stürmer-Stil mit Hakennase, schwarzem Rock und Hut abgebildet werden. Da gibt es Motive wie die Krake, deren Ursprung eindeutig in Deutschland liegen. Denn die 850.000 „arabischen“ Juden, die unmittelbar nach der Gründung Israels aus den arabischen Ländern vertrieben worden sind, waren gekleidet wie ihre Nachbarn in Marokko oder Irak.

 

Zum Antizionismus

 

Früher hiess es in Deutschland „Haut ab nach Palästina“. Jetzt sagt der fortschrittliche Judenhasser: „In Palästina haben die Juden nichts zu suchen, kehrt zurück nach Polen“. All das lässt nur einen Schluss zu: Juden sind weder hier noch dort erwünscht. Mit anderen Worten: Juden gebühren nicht einmal Menschenrechte. Warum gelten Juden immer noch nicht als Volk mit eigener Kultur, sondern sind bestenfalls „Menschen mosaischen Glaubens“? Auch in Deutschland sind sie übrigens keine Bürger, sondern werden abschätzig als geduldete „Mitbürger“ bezeichnet.

 

„Legitime Israelkritik“

 

Abschliessend noch eine Anmerkung zu der „legitimen Israelkritik“, die natürlich nichts mit Antisemitismus zu tun habe. Das Wort „Antizionismus“ war eine sowjetische Erfindung, um mit Erfolg in den 1960ziger den in Westeuropa verpönten Antisemitismus zu ersetzen. Wer sich also als „Antizionist“ bezeichnet, stellt sich bei genauem Hinschauen als verkappter Antisemit heraus. Und keiner, der im Einklang mit palästinensischer Propaganda die „jüdischen Siedlungen“ für illegal erklärt, gemäss dem internationalen humanitären Völkerrecht, hat je den entsprechenden Paragrafen aufzeigen können, der speziell Juden verbietet, irgendwo ein Häuschen zu errichten.

 

Ob die ehemaligen Besitzer des Bataclan noch leben würden, wenn sie auf einen “handwerklich korrekten“ Nachweis für Antisemitismus gewartet hätten, statt angesichts der ständigen Bedrohung nach Israel auszuwandern, darf zu Recht bezweifelt werden.

 

 

 

 

Audiatur Online - Foto: Polizeifahrzeuge am Bataclan-Theater nach den Terroranschlägen, November 2015. Foto Maya-Anaïs Yataghène, CC BY 2.0Link


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Donnerstag, 22 Juni 2017