Was wollen israelische Araber?

Was wollen israelische Araber?


Der Erfolg und die Beschwerden der arabischen Bürger Israels sind eine Geschichte von erheblichem Interesse, besonders nach den von drei von ihnen begangenen Morde auf dem Tempelberg.

Was wollen israelische Araber?

von Dore Feith, Mosaic

 

Als drei Terroristen auf Jerusalems Tempelberg am 14. Juli zwei israelische Polizisten töteten, was zu einer Kette weiterer arabischer Gewalt führte, die noch nicht abgeklungen ist, war das, was Israelis schockierte, nicht die Tatsache, dass das Verbrechen an Jerusalems heiligstem Ort begangen wurde; das Schockierende war, dass es aus Israels Grenzen von vor 1967 entstand und von israelischen Staatsbürgern begangen wurde. Die Mörder waren Einwohner von Um el-Fahm, Israels drittgrößter arabischer Stadt. Keine Mauer und kein Checkpoint trennt seine Einwohner vom Rest des Landes; dennoch ist es eine Basis für islamistische, antizionistische Politik.

 

Letzten Sommer lebte ich sechs Wochen lang zehn Fahrminuten entfernt von Um el-Fahm, an der Kreuzung von Israels arabischen und jüdischen Gesellschaften. Beim Arabisch-Studium in Givat Haviva, einem Institut, das für arabisch-jüdische Versöhnung wirbt, reiste ich in Dörfer und Städte im sogenannten Dreieck, dem Gebiet, in dessen drei Ecken die Städte Um el-Fahm, Baqa al-Garbiya und Taibe liegen und das gesamt Heim für die größte Konzentration an arabischen Israelis ist. An der Bushaltestelle von Wadi Ara im Zentrum des Dreiecks, mischen sich täglich Juden und Araber. Im Einkaufszentrum von Pardes Hanna, der größten jüdischen Stadt der Region, hört man Arabisch so oft wie Hebräisch. Juden besuchen auch regelmäßig Arabern gehörende Geschäfte in Baqa al-Garbiya und Barta’a, wo hebräische Schilder Zeugnis von Handel zwischen den Gemeinschaften ablegen.

 

Journalisten aus dem Ausland konzentrieren sich in der Regel auf die Westbank und den Gazastreifen, daher stehen israelische Araber meist in ihrem Schatten. Aber ihr Erfolge und Beschwerden, das Wesen ihrer Interaktionen mi israelischen Juden und ihre Position als von zwiespältigen Gefühlen hin und her gerissene Bürger bilden eine Story beachtlichen Interesses mit einer Botschaft von besonderer Relevanz, da ihre palästinensischen Cousins in der Folge der von dreien der ihren begangenen Morde wegen Metalldetektoren auf dem Tempelberg gewalttätig randaliert haben.

 

Bei meinen Interaktionen mit israelischen Arabern waren die, die sich um Religion und Politik drehten, die aufschlussreichsten. Ging es z.B. um die Einhaltung religiöser Regeln, dann war es offensichtlich – durch die von ihnen getragene Kleidung und ob sie fünfmal am Tag beteten oder nicht – dass der von meinen muslimischen Lehrern in Givat Haviva praktizierte Islam sich merklich unterschied. Doch jeder von ihnen würde ausnahmslos behaupten, dass seine bzw. ihre individuelle Praxis mit dem „wahren Islam“ (al-Islam al-haqiqi) absolut übereinstimmt.

 

Für mich als Juden war das fremd. Viele nicht orthodoxe Juden werden z.B. erkennen das traditionelle Verbot der Nutzung von Strom am Sabbat an, sagen aber, dass sie sich nicht daran halten. Im Gegensatz dazu gab keiner meiner muslimischen Gesprächspartner zu, dass er die Vorschriften des Islam nicht einhält.

 

Ich war insbesondere in der Lage ihr Bestehen auf diesem Punkt auszutesten, wenn es zum Thema der Kleidung von Frauen kam. In Wadi Ara, hatte ich bemerkt, bedeckten die meisten Frauen ihr Haar mit einem hijab und viele trugen in der Öffentlichkeit einen weiten Mantel, der jilbab heißt. Gelichzeitig trugen einige junge Frauen weder das eine noch das andere und entschlossen sich stattdessen für westliche Kleidung, während andere ihr Haar bedeckten, aber enge Hosen und Tops trugen. Von meinen vielen Lehrerinnen trug nur eine einen hijab. Als ich sie wegen dieser offensichtlichen Widersprüche befragte, erklärten sie, dass muslimische Frauen sich züchtig kleiden, aber nicht ihr Haar bedecken müssen, so dass der Brauch einen hijab zu tragen jenseits der Anforderungen des Islam war.

 

Dass jeder behauptet voll praktizierend zu sein ist ein Zeichen der anhaltenden Macht des Islam über die Einstellungen und die Redegewohnheiten, die von seinen Anhängern übernommen werden. In einigen Lebensbereichen mögen die Ergebnisse einigermaßen wohltuend erscheinen – oder schlicht kurios. In anderen, besonders wenn es um Politik geht, nimmt die reflexartige Ersetzung rationaler Wahrnehmung durch Doktrin und jegliches Eingeständnis von Widersprüchlichkeit eine andere und weit ominöse Färbung an.

 

Mit Ausnahme des Schützen auf der Dizengoff-Straße im Januar 2016 und dem jüngsten Anschlag auf dem Tempelberg sind die Araber des Dreiecks größtenteils nicht Quelle von antiisraelischem Terrorismus gewesen und sind keine Fünfte Kolonne geworden. In meinen Gesprächen mit ihnen äußerten sie im Allgemeinen Wertschätzung für ihre israelischen demokratischen Rechte (wobei sie viele Teile der Regierungspolitik kritisierten). Gleichzeitig nannte sie sich aber auch „Araber von 1948“ oder „interne Palästinenser“ – sprich Palästinenser, die zufällig im Israel von vor 1967 wohnen – und identifizierten sich üblicherweise mit der palästinensischen Nationalbewegung.

 

Einer meiner Gastgeber, ein Gemeinschaftskundeleher in einer arabischen öffentlichen Schule, erklärte über einem gemeinamen Teller maschawi (Kebab und Gemüse), dass er seine Schüler zu den Osmanen lehrt, dann zu den Briten, dann zu den Zionisten. Natürlich, fügte er hinzu, lehrt er seine Schüler auch „ihre Geschichte“, heißt den Aufstieg des palästinensischen Nationalismus und die nakba oder „Katastrophe“, der von den Arabern rund um die Welt bevorzugten Begriff für die Gründung Israels – sein Land und das seiner Schüler – im Jahr 1948 und die Niederlage der arabischen Armeen, die darauf aus waren es auszulöschen.

 

Unser Programm hörte von einem Mann dessen persönliche Erfahrungen während der nakba. Asl Teenager war er aus seinem Heimatort Kafr Qara geflohen, um ein drohendes Aufeinandertreffen arabischer Milizen und der jüdischen paramilitärischen Streitmacht der Haganah zu vermeiden. Die Haganah übernahm die Stadt, aber dann eroberten irakische Streitkräfte, die Teil des von sechs Staaten geführten Angriffs auf den entstehenden jüdischen Staat waren, die Gegend, in die er geflohen war. Nach elf Monaten unter irakischer Militärherrschaft kehrte er nach Kafr Qara zurück, das auf der israelischen Seite der neuen Waffenstillstandslinie gelandet war.

 

Der Anlass, sagte er, war ein freudiger. Bei einer Willkommensfeier für die Rückkehrer hielten israelische Kommandeure und örtliche arabische Führer Reden, die die jeweils andere Seite ehrten und die Israelis sorgten für Essen, das sonst fehlte, weil die Bauernhöfe während der Kämpfe brach gelegen hatten. Israelische Soldaten halfen auch beim Wiederaufbau einer ausgebrannten Schule und ersetzten beschädigte Möbel – Verhalten, das sich auffallend vom inhumanen Umgang der Iraker mit den palästinensischen Arabern unterschied.

 

Und doch war die ganze Gründung Israels eine nakba. Die Katastrophe bestand darin, dass überhaupt ein jüdischer Staat in einem Land entstand, das Palästinenser, offenkundig einschließlich vieler israelischer Araber, als komplett ihnen gehörend betrachten.

 

Kafr Qara, wo wir diese Geschichte hörten, ist heute ein Stadt mit 18.000 Einwohnern und die Perle des Dreiecks mit breiten Straßen, die ihm eine Vorstadt-Atmosphäre geben, die sich stark von der klaustrophobischen Atmosphäre älterer, dicht besiedelter arabischer Städte unterscheidet. Sie prahlt mit mehr Ärzten pro Kopf als jeder andere (jüdische wie arabische) Ort in Israel und ist zudem Heimat für die Schule „Brücke über dem Wadi“, die jüdische und arabische Kinder gemeinsam sowohl auf Hebräisch wie Arabisch unterrichtet. Am Triangle Research and Development Center arbeiten israelisch-arabische Wissenschaftler und Ingenieure daran effektivere Sonnenkollektoren zu entwickeln, Krebs zu bekämpfen und eine bestimmte Sorte Fliegen daran zu hindern die Obsternte zu verderben.

 

Bei einem Besuch bei Mohammed Said Masarwi, einem ehemaligen Richter, hörten wir von dem Erfolg der Stadt als arabisches Modell für wirtschaftliche Stärke und gute arabisch-jüdische Beziehungen. Weil mehr Frauen arbieten gehen, sind Männer nicht mehr die einzigen Brotverdiener und der Lebensstandard steigt. Die etwa 250 aus Kar Qara stammenden Ärzte sowie weiteres medizinisches Personal sind in den meisten israelischen Krankenhäusern zu finden, von Leitern chirurgischen Abteilungen bis zum Hausmeister, die den Boden wischen – und der Sohn des Hausmeisters, darauf beharrte Masarwi, „wird aufwachsen, um Arzt zu werden“.

 

Ich hörte solchen Optimismus von fast jedem im Dreieck, mit dem ich sprach. Natürlich hörte ich auch Klagen, zumeist wegen schlechter Regierungsdienste und regelmäßig wegen der Wohnungspolitik. Die israelische Bürokratie macht es jedem schwer eine Baugenehmigung zu erhalten, aber für Israels Araber ist es besonders schwer. Ihre Städte und Dörfer können nicht expandieren, oft weil sie an Wälder des Jüdischen Nationalfonds grenzen, die nicht wegen Entwicklung abgeholzt werden können. Als Folge davon müssen sie nach oben bauen, nicht in die Breite, was der Grund ist, dass in arabischen Städten oft Häuser mit vier, fünf oder sechs Stockwerken zu finden sind – für israelische Verhältnisse luxuriös und so gestaltet, dass sie mehrere Generationen einer Familie aufnehmen können.

 

Lokale Führungspersönlichkeiten versuchen ständig ihre Repräsentanten in den arabischen Parteien in der Knesset zu beeinflussen, um das Landrecht zu ändern. Aber viele dieser Repräsentanten sind weniger daran interessiert das Leben der Araber Israels zu verbessern als daran Israels Politik in der Westbank anzufechten.

 

Und hier kommen wir zu einem großen Problem und kehren zu unserem Thema zurück. Als ich einen unserer Lehrer fragte, ob er einen Friedensplan unterstützt, der die Grenze verschieben würde, so dass seine Stadt innerhalb eines mehrheitlich palästinensisch-arabischen Staates liegt, antwortete er ehrlich und abweisend: „Siehst du, wie es ist in einem arabischen Land zu leben?“ Trotzdem haben die israelischen Araber nicht eine einzige Person auf der nationalen Ebene, die offen ihr Leben als gesetzestreuer Bürger in einem demokratischen mehrheitlich jüdischen Staat befürwortet.

 

In der unmittelbaren Folge der Schüsse auf dem Tempelberg am 14. Juli reichten die Reaktionen israelisch-arabischer Führer von mildem Missfallen bis zu offener Befürwortung des Anschlags. Nach zehn Stunden des Schweigens der Gemeinsamen [arabischen] Liste der Kensset bot Parteichef Ayman Odeh eine halbherzige Verurteilung von Gewalt und machte dann die israelische Regierung dafür verantwortlich die Lage zu verschlimmern, indem sie „den Konflikt von einem politischen in einen religiösen wendet“. Hanin Zoabi, eine Knessetabgeordnete derselben Partei, sagte: „Wir gegen die volle Verantwortung für alles, was geschieht, der israelischen Besatzungspolitik.“ Mehrere ihrer Kollegen riefen zwar zum Ende der Gewalt auf, machten aber Juden und die israelische Regierung dafür verantwortlich die Morde provoziert zu haben.

 

Innerhalb weniger Tage, nachdem Waffen auf dem Tempelberg selbst gefunden wurden und Israel Metalldetektoren und Kameras installierte um für Sicherheit zu sorgen, fegte eine Welle arabischer Krawalle über die Gegend, angestiftet, wenn nicht gar gelenkt von Mahmud Abbas‘ PA, um die Schuld für „alles, was auf dem Tempelberg und überall sonst geschieht“, Israel zuzuschieben. Fakt ist: Im Gegensatz zum skurrilen Vorwurf Ayman Odehs war es nicht Israel, sondern die Palästinenser, die den Konflikt erfolgreich „von einem politischen“ – und in diesem Fall einer direkten Sicherheitsfrage – „in einen religiösen“ verwandelten, tatsächlich in eine religiöse Pflicht. Einmal mehr hatte sich die unversöhnliche Macht der geistlichen Doktrin die Wahrnehmung der Realität auf den Kopf zu stellen offenbart – diesmal mit gewalttätigen Auswirkungen.

 

Das Wohlergehen jüdisch-arabischer Beziehungen in Israel hängt davon ab, wie Israels Araber über die Staatsbürgerschaft in ihrem mehrheitlich jüdischen Land denken. In der Bildung dieses Denkens spielen die Worte ihrer politischen Führer eine Rolle, besonders wenn arabische Mitbürger mit mörderischer Gewalt aktiv werden. Unter den nicht zu bestreitenden Zeichen von Fortschritt an vielen Fronten ist diese Woche ein erschreckendes Zeichen des Rückschritts, dass rund 3.000 Personen in Um el-Fahm an den Beerdigungen der Terroristen vom Tempelberg teilnahmen. Als Beobachtern solcher Kundgebungen in der Westbank zu Schau gestelltem, vertrautem Zeichen wehte die Palästinenserflagge und die Getreuen schworen „Märtyrer für die Al-Aqsa“ zu werden. Diese Prozession fand nicht in der Westbank oder dem Gazastreifen statt, sondern innerhalb der Grünen Linie.

 

Wenn solche Szenen nicht zur neuen Normalität werden, müssen die israelischen Araber die Verantwortung für ihre eigenen Zukunft als loyale Bürger Israels übernehmen und neue Führer finden und wählen, die ähnlich gesinnt und ähnlich entschlossen sind.

 

 

 

Übersetzt von Heplev


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Donnerstag, 17 August 2017