Die NATO vor der Türkei retten

Die NATO vor der Türkei retten


Der Nordatlantische Verteidigungspakt, bekannt als NATO, sieht sich einem existenziellen Problem gegenüber.

Die NATO vor der Türkei retten

von Prof. Daniel Pipes, Washington Times

 

Nein, es geht nicht darum Mitgliedstaaten dazu zu bringen die vereinbarten Ausgabenziele für Verteidigung zu erfüllen. Oder nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Rolle finden. Oder sich Russlands Wladimir Putin entgegenstellen. Es geht vielmehr um Recep Tayyip Erdoğan, den islamistisch-diktatorischen Herrscher der Türkei, dessen Politik droht diese seit ast 70 Jahren bestehende, einzigartige Allianz aus 29 Staaten zu auszuhöhlen.

Seit der Entstehung der NATO 1949 wurden die Gründungsprinzipien das Ziel der Allianz als "die Freiheit, gemeinsames Erbe und Zivilisation der Völker [der Mitgliedsstaaten ] zu bewahren, die auf den Prinzipien der Demokratie, der individuellen Freiheit und dem Rechtstaatprinzip gründen" festgelegt. Mit anderen Worten: Die Allianz existiert, um die westliche Zivilisation zu verteidigen.

 

Während ihrer ersten 42 Jahre – bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 – bedeutete dies den Warschauer Pakt zu zügeln und sich gegen ihn zu verteidigen. Heute bedeutet es Russland und den Islamismus einzudämmen und zu besiegen. Von diesen beiden ist der Islamismus die größere und langfristigere Bedrohung; er basiert nicht auf der Persönlichkeit eines einzelnen Führers, sondern auf einer höchst wirksamen Ideologie, die im Grunde Faschismus und Kommunismus als größte radikale, utopische Herausforderung des Westens beerbt.

 

Einige wichtige Persönlichkeiten der NATO erkannten diese Verschiebung bereits kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjets an. Bereits 1995 vermerkte Generalsekretär Willy Claesvoraussehend: "Der Fundamentalismus ist mindestens so gefährlich wie es der Kommunismus war." Mit dem Ende des Kalten Krieges, sagte er, "ist die islamische Militanz als die vielleicht ernsteste Bedrohung des NATO-Bündnisses und der westlichen Gesellschaft hervorgetreten".

 

2004 warnte Spaniens ehemaliger Premierminister José María Aznar: "Der islamistische Terrorismus ist eine neue, gemeinsame Bedrohung globaler Art, der schon die reine Existenz der Mitglieder der NATO gefährdet." Er trat dafür ein, dass die NATO sich darauf konzentriert "den islamischen Jihadismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen" zu bekämpfen und forderte, dass "der Krieg gegen den islamischen Jihadismus in Zentrum der Strategie der Verbündeten gerückt wird".

 

Doch eine robuste NATO nach dem Modell von Claes/Aznar, die den Kampf gegen den Islamismus führt, wurde durch Erdoğans Opposition behindert. Statt den Kampf gegen den Islamismus durchzusetzen, beugten sich die übrigen 28 Mitglieder erschreckenderweise dem Islamisten in den eigenen Reihen.

 

Die 28 halten zum Beinahe-Bürgerkrieg des türkischen Regimes in Südost-Anatolien gegen die eigenen kurdischen Bürger den Mund. Das Entstehen einer Privatarmee (mit Namen SADAT) unter ausschließlich Erdoğans Kontrolle scheint sie nicht zu beunruhigen.

 

Ebenso schienen sie gegenüber Ankaras unvorhersehbar einschränkendem Zugang zur NATO-Basis Incirlik und den blockierten Beziehungen zu befreundeten Staaten wie Österreich, Zypern und Israel blind zu sein, genauso gegenüber dem boshaften Antiamerikanismus, der darin symbolisiert wird, dass der Bürgermeister von Ankara die Hoffnung äußerte, dass den Vereinigten Staaten mehr Sturmschäden zugefügt werden.

 

Die schlechte Behandlung von NATO-Mitgliedsstaaten kümmert die neuen Helden der NATO kaum: Weder die Verhaftung von 12 Deutschen (wie Deniz Ycel und Peter Streudtner), noch die versuchte Ermordung von Türken in Deutschland (wie Yüksel Koç), nicht die Festnahme von Amerikanern in der Türkei als Geiseln (wie Andre Brunson und Serkan Gölge), nicht die physische Gewalt gegen Amerikaner in den USA (wie am Brookings Insitute und dem Sheridan Circle).

 

Die Nato scheint unbeeindruckt davon, dass Ankara dem Iran bei seinem Atomprogramm hilft, ein iranisches Ölfeld entwickelt und iranische Waffen an die Hisbollah weiterleitet. Erdoğans Reden davon, sich der von Moskau und Beijing dominierten Shanghai-Pakt anzuschließen, verärgert kaum, genauso wenig die gemeinsamen Manöver mit dem russischen und chinesischen Militär. Dass die Türkei das russische Flugabwehr-Raketensystem S-400 kauft, scheint eher irritierend zu sein als ein Umstand, der zum Abbruch der Geschäftsbeziehungen führt. Eine beiderseitige Visa-Sperre zwischen den USA und der Türkei beunruhigt niemanden.

 

Die NATO steht vor einer Wahl. Sie kann in der Hoffnung, dass Erdoğan nicht mehr als eine kolikartige Episode ist und die Türkei in den Westen zurückkehrt, die aktuelle Politik weiterfahren. Oder sie kann die Brauchbarkeit der NATO als zu wichtig erachten, als dass sie dieser spekulativen Möglichkeit geopfert wird und selbstbewusste Schritte unternehmen, um die Republik Türkei aus NATO-Aktivitäten herauszuhalten, bis sie sich wieder wie ein Verbündeter verhält. Zu diesen Schritten könnte gehören, dass

 

· alle Atomwaffen aus Incirlik entfernt werden

· die Operationen der NATO in Incirlik beendet werden

· Waffenverkäufe wie der Kampfjet F-35 gestrichen werden

· die Türkei an Waffenentwicklung nicht weiter beteiligt wird

· Geheimdienstinformationen nicht mehr geteilt werden

· türkische Soldaten und Matrosen nicht weiter trainiert werden

· Türken als Personal für NATO-Positionen abgelehnt werden

 

Eine gemeinsame Haltung gegen Erdoğans feindselige Diktatur erlaubt dem stattlichen NATO-Bündnis seinen edlen Zweck der "Bewahrung von Freiheit, gemeinsamem Erbe und Zivilisation" ihrer Völker wiederzuentdecken. Dadurch, dass dem Islamismus entgegengetreten wird, wird die NATO das Amt wieder übernehmen, das sie im Stich gelassen hat und das in nichts weniger besteht als darin, die westliche Zivilisation zu verteidigen.

 

 

 

Übersetzt von H. Eiteneier


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Donnerstag, 19 Oktober 2017