Kommentar zur ARD-Doku: Henryk Broder und die ewigen Antisemiten

Kommentar zur ARD-Doku:

Henryk Broder und die ewigen Antisemiten


Malmö, die drittgrößte schwedische Stadt, wird von vielen Experten als Hauptstadt des zeitgenössischen europäischen Antisemitismus betrachtet.

Henryk Broder und die ewigen Antisemiten

von Dr. Manfred Gerstenfeld

 

Ein paar wenige der vielen Aspekte, die diese Charakterisierung rechtfertigen, werden teilweise in einer neuen deutschen Dokumentation mit dem Titel „Der ewige Antisemit – Geschichte einer unerwiderten Liebe“ entlarvt. Sie wurde anlässlich des Jahrestages der Kristallnacht am späten Abend des 8. November im Bayrischen Fernsehen ausgestrahlt.[1]

 

Der Film folgt dem deutsch-jüdischen Autor Henryk Broder bei seiner Reise durch Deutschland, Frankreich und Schweden. Er wird oft von Hamad Abdel Samed begleitet, einem in Deutschland lebenden ägyptischen Publizisten (mit deutscher Staatsangehörigkeit). Mehrere Theologen der ägyptischen Muslimbruderschaft haben eine Fatwa ausgegeben, dass er wegen Ketzerei getötet werden muss. Im Film ist er mit Personenschützern der Polizei zu sehen.[2]

 

Bevor Broder und Abdel Samad nach Malmö kamen, hatten sie Termine mit dem Polizeichef und der Bürgermeisterin vereinbart, die in letzter Minute abgesagt wurden. Sie trafen den amerikanischen Rabbiner der jüdischen Gemeinde Stadt, Shneur Kesselman. Er erzählt ihnen, dass die schrumpfende Gemeinde in der Synagoge schusssichere Fenster installieren musste. Selbst das half nicht. Eine Bombe explodierte vor der Synagoge und eine weitere Bombe wurde in die Kapelle des jüdischen Friedhofs geworfen, die komplett zerstört wurde.

 

Der der Chabat-Bewegung angehörende Rabbiner sagt, er werde regelmäßig schikaniert, wenn er auf die Straße geht. Aus vorbeifahrenden Autos werden ihm Beleidigungen wie „Tod den Juden“ zugerufen. Er wird mit Gegenständen beworfen, darunter befanden sich schon ein Apfel, ein Feuerzeug, ein Glas und eine Flasche.

Kesselman kam vor zwölf Jahren nach Malmö. Er sagt, hätte er die Realität der Juden in der Stadt gekannt, wäre er nicht gekommen, aber heute will er aus Loyalität gegenüber der schrumpfenden jüdischen Gemeinde nicht fortgehen.

 

Kesselman erwartet, das viele Kinder der Gemeindemitglieder Malmö verlassen werden. Vor ein paar Wochen, der Film war schon fertiggestellt, zerschmetterten Steine einmal mehr die Fenster der Synagoge. Bei dieser Gelegenheit sagte der ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde gegenüber der Presse, dass die meisten Vorfälle von Muslimen oder Arabern verübt werden.[3]

 

Ein jüdischer Lehrer an einer öffentlichen Grundschule in einem problematischen Viertel Malmös wird ebenfalls interviewt. Er spricht von Schießereien im Viertel, manchmal mit tödlichen Folgen. Kinder aus anderen Klassen öffnen manchmal die Klassentüren und rufen ihm antisemitische Beleidigungen zu. Ein Elfjähriger schrie „Heil Hitler“. Die Schulleitung mag die antisemitischen Vorfälle nicht öffentlich machen; sie sagt: „Das sind nur Kinder.“

Bevor sie durch ein Viertel Malmös mit einer großen Zahl an Migranten fahren, warnt die Polizei die Filmemacher, dass sie das Auto nicht verlassen, nicht einmal anhalten sollten. Auf gut Deutsch übersetzt heißt das: „Das ist ein muslimisches Ghetto, in dem die Polizei die Kontrolle verloren hat.“ Die Filmemacher verwenden durchweg das Wort „Migranten“, während der Zuschauer selbst begreifen muss, dass sie Muslime meinen. Dieser Teil der Dokumentation ist ein direkte Anklage der progressiven Behörden in Malmö und vielen anderen schwedischen Städten.

 

In Deutschland besuchen Broder und Abdel-Samad einen jüdischen Restaurant-Besitzer – einen irakischen Juden – in München. Dieser erzählt ihnen, dass er vor kurzem sein zweites Restaurant schließen musste. Er sieht sich oft antisemitischen Beleidigungen und Schikanen ausgesetzt, die von Deutschen ausgehen. Die Filmemacher besuchen Naumburg in Sachsen-Anhalt. Dort treffen sie einen Holocaust-Leugner, der ihnen erzählt, dass es in Auschwitz keine Gaskammern gab.

 

Der Interviewpartner ist sozialdemokratischer Bürgermeister eines Dorfes gewesen. Er wechselte später zur Neonazi-Partei NPD. Nachdem er erklärte, der Holocaust sei ein Mythos, wurde er in zwei Instanzen vor Gericht wegen Holocaustleugnung verurteilt. Das Oberlandesgericht Naumburg sprach ihn dann frei.

 

In Hildesheim wird eine Diskussion über extrem antisemitisches Material gegen Israel gezeigt, das in ein Seminar an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) eingefügt wurde. Von einem Podiumsmitglied werden ein paar Beispielbilder gezeigt, die Israel mit den Nazis gleichsetzen. Die Hochschulrektorin sagt, sie sei nicht überzeugt, dass das Seminar Antisemitisches beinhaltete. Broder kommentiert, dass die Nazis wussten, wie sie einen Juden definieren, aber heute Deutsche Probleme haben Antisemitismus zu definieren. In Köln wird eine Kunstmesse besucht, auf der ein Bild je nach Blickwinkel ein Hakenkreuz oder einen Davidstern zeigt. Die Messe findet in einem Gebäude statt, aus dem Juden und andere während des Krieges in Vernichtungslager geschickt wurden.

 

In Frankreich wird das alte Pariser Viertel um die Rue des Rosiers besucht. Die Gedenktafel des früheren Restaurants Goldenberg wird an einer Wand gezeigt. 1982 töteten Palästinenser sechs Gäste und verletzten 22 weitere. Schwer bewaffnete Soldaten patrouillieren das Viertel.

 

Der Film wurde von Broder und Joachim Schneider gemacht. Ein anderer von Letzterem erstellter Film, „Auserwählt und ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa“, wurde im Frühjahr diesen Jahres vom deutsch-französischen Fernsehsender Arte zensiert, der ihn in Auftrag gegeben hatte. Später wurde er vom WDR gezeigt, der den Film verstümmelte, indem viele kritischen Anmerkungen in ihn eingearbeitet wurden.

 

Schließlich versucht Broder zu analysieren, was in Europa geschieht. Er diskutiert dies mit einem Freund, dem niederländisch-jüdischen Schriftsteller Leon de Winter. Da sie den Antisemitismus nicht erklären können, kommt de Winter zu dem Schluss, dass in der Vergangenheit niemand mehr Liebe für Europa hatte als die Juden. Diese Liebe wurde nicht erwidert. Er glaubt, dass jetzt die letzte Phase der Existenz der Juden in Europa angebrochen ist. De Winter prognostiziert, dass das europäische Judentum in 40 bis 50 Jahren verschwunden sein wird. Ob es so kommt, bleibt abzuwarten.

 

Derzeit gibt es Broders und Schröders Film nur auf Deutsch. Englische und französische Untertitel würden ihn einem weit größeren Publikum zugänglich machen.

 

[1] http://www.br.de/mediathek/video/dox-der-dokumentarfilm-der-ewige-antisemit-av:59cb7a607460e90012ceaeb7?t=1m7s

[2] http://www.zeit.de/zeit-magazin/2015/28/hamed-abdel-samad-rettung

[3] http://jewishnews.timesofisrael.com/stones-shatter-window-of-synagogue-in-sweden/

 

 

Heplev - Dr. Manfred Gerstenfeld war jahrelang leitender Direktor des Jerusalem Centers for Public Affairs (JCPA), er ist Autor der Tageszeitung The Jerusalem Post und des israelischen Nachrichtensenders Arutz Sheva.


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Dienstag, 14 November 2017