Der Jihad im Lauf der Geschichte

Der Jihad im Lauf der Geschichte


In seinem gerade veröffentlichten, fesselnden und exzellenten Buch „Understanding Jihad“ lehnt David Cook von der Rice University die qualitätsarme Diskussion ab, die seit dem 11. September über die Natur des Jihad tobt – ob er eine Form offensiver Kriegsführung oder (angenehmer) eine Art moralischer Verbesserung des Selbst ist.

Der Jihad im Lauf der Geschichte

von Prof. Daniel Pipes, The New York Sun, 31. Mai 2005

 

Cook lehnt John Espositos Behauptung, Jihad beschreibe „die Bemühung ein gutes Leben zu führen“ als „abgedroschen und lachhaft“ ab. Im Lauf der Geschichte und auch heute, stellt Cook definitiv fest, bedeutet der Begriff in erster Linie „Kriegsführung mit spiritueller Bedeutung“.

 

Seine Leistung liegt darin, dass der die Entwicklung des Jihad von Mohammed bis Osama verfolgt, verfolgt, wie das Konzept sich im Lauf der vierzehn Jahrhunderte veränderte. Die Zusammenfassung in diesem Artikel wird Cooks ausführlicher Forschung, zahlreichen Beispielen und durchdachter Analyse nicht gerecht, aber selbst eine flüchtige Skizze zeigt die Entwicklung des Jihad auf.

 

Der Koran lädt Muslime ein ihr Leben für die Zusicherung des Paradieses hinzugeben.

 

Die Hadithe (Aufzählungen von Mohammeds Taten und persönlichen Worten) sind ausführliche Darlegungen zum Koran; sie bieten besondere Verfügungen zu Verträgen, Lohn, Beute, Gefangenen, Taktiken und vieles mehr. Muslimische Rechtsgelehrte woben aus diesen Regeln ein Gesetzeswerk.

 

Während seiner Jahre an der Macht führte der Prophet durchschnittlich neun Feldzüge im Jahr oder, anders gerechnet, einen alle fünf bis sechs Wochen; daher half der Jihad dabei, den Islam ab seinem Entstehen zu definieren. Nicht-Muslime zu erobern und zu erniedrigen war eine Haupteigenschaft des Jihad des Propheten.

 

Während der ersten Jahrhunderte des Islam „war die Interpretation von Jihad unverfroren aggressiv und expansiv“. Nachdem die Eroberungen abklangen, waren Nicht-Muslime kaum eine Bedrohung und Sufi-Ansichten vom Jihad als Verbesserung des Selbst entwickelten sich als Ergänzung der kriegerischen Bedeutung.

 

Die Kreuzzüge, der Jahrhunderte dauernde Versuch Europas das Heilige Land zu kontrollieren, gaben dem Jihad eine neue Dringlichkeit und verursachte, was Cook die „klassische Theorie“ des Jihad nennt. Sich in der Defensive wiederzufinden führte zu einer Verhärtung der muslimischen Haltung.

 

Die mongolischen Invasionen des dreizehnten Jahrhunderts unterwarfen einen großen Teil der muslimischen Welt, eine Katastrophe, die nur teilweise durch die nominelle Konversion der Mongolen zum Islam gemildert werden konnte. Einige Denker, insbesondere Ibn Taymiya (gestorben 1328), kamen zur Unterscheidung zwischen wahren und falschen Muslimen; und dazu, dem Jihad neue Bekanntheit durch die Bewertung der Gültigkeit des Glaubens einer Person über seine Bereitschaft zur Führung des Jihad.

 

Die „Reinigungs-Jihade“ des neunzehnten Jahrhunderts fanden in verschiedenen Regionen gegen Mit-Muslime statt. Der radikalste und folgenreichste davon war der Jihad der Wahhabisten in Arabien. Auf der Grundlage von Ibn Taymiya verdammten sie die meisten nicht wahhabischen Muslime als Ungläubige (kafir) und führten gegen diese Krieg.

Der europäische Imperialismus inspirierte jihadische Widerstandsbemühungen, besonders in Indien, dem Kaukasus, Somalia, dem Sudan, Algerien und Marokko, die aber letztlich alle scheiterten. Diese Katastrophe bedeutete, dass ein neues Denken nötig war.

 

Das neue islamistische Denken begann in den 1920-er Jahren in Ägypten und Indien, aber der Jihad nahm seine heutige Qualität der radikal offensiven Kriegsführung erst mit dem ägyptischen Denker Sayyid Qutb (gestorben 1966). Qutb entwickelte Ibn Taymiyas Unterscheidung zwischen wahren und falschen Muslimen weiter, um Nicht-Islamisten als Nicht-Muslime anzusehen und ihnen dann den Jihad zu erklären. Die Gruppe, die 1981 Anwar El-Sadat ermordete, fügte dann die Idee des Jihad als Weg zur Beherrschung der Welt hinzu.

 

Der Krieg gegen die Sowjets in Afghanistan führte zum (bisher) letzten Schritt in dieser Entwicklung. In Afghanistan versammelten sich erstmals Jihadisten aus der ganzen Welt, um für den Islam zu kämpfen. Abdullah Azzam, ein Palästinenser, wurde 1980 zum Theoretiker des globalen Jihad und gab ihm eine bis dahin nicht gekannte zentrale Rolle, beurteilte jeden Muslim ausschließlich nach seinem Beitrag zum Jihad und macht den Jihad zur Rettung der Muslime und des Islam. Daraus wurde schnell der Selbstmord-Terrorismus und bin Laden.

Cooks belesene und aktuelle Studie hat viele Folgen, darunter diese:

 

  • Das derzeitige Verständnis des Jihad ist extremer als je zuvor in der islamischen Geschichte.
  • Dieser Extremismus deutet darauf hin, dass die muslimische Welt eine Phase durchmacht, die durchgehalten und überwunden werden muss, vergleichbar analog grässlichen Zeiten in Deutschland, Russland und China.
  • Der Jihad hat sich bis heute immer weiter entwickelt und wird das in der Zukunft ohne Zweifel weiter tun.
  • Die exzessive Form des Jihad, wie er derzeit von Al-Qaida und anderen praktiziert wird, könnte – so prophezeit Cook fast – zu seiner „entschiedenen Ablehnung“ durch eine Mehrheit der Muslime führen. Der Jihad könnte sich dann in ein nicht gewalttätiges Konzept verändern.

 

Die große Herausforderung für moderner Muslime (und ihrer nicht-muslimischen Verbündeten) ist es, die Ablehnung herbeizuführen – und zwar mit der notwendigen Eile.

 

 

Übersetzt von Heplev


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Montag, 29 Januar 2018