Die Linke und der Antisemitismus: Wie Diether Dehm `Lerryn, das Arschloch´ wurde

Die Linke und der Antisemitismus:

Wie Diether Dehm `Lerryn, das Arschloch´ wurde


Für den Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Diether Dehm gibt es keinen Antisemitismus jenseits der Shoah, Außenminister Heiko Maas ist für ihn ein gut gestylter Nato-Strichjunge und der Israelkritiker Dehm ist ein glühender Freund der Querfront-Mahnwachen. Doch seinen Spitznamen „Lerryn, das Arschloch“ erwarb sich der Musikant in Frankfurt aus anderen Gründen.

Wie Diether Dehm `Lerryn, das Arschloch´ wurde

Von Stefan Laurin

 

Der 14. Juni 1980 war ein ausgesprochen schöner Sommertag. Schon früh am Morgen war es warm und die Sonne schien auf die wunderbarste Stadt dieses Landes: Frankfurt. Eine kleine Gruppe junger Menschen hatte sich an der Universität getroffen und zog alsbald die Bockenheimer Landstraße hinunter Richtung Opernplatz, um schon nach wenigen hundert Metern nach links in die Siesmayerstraße abzubiegen. Dort, in der Nummer 2-4, wurden auf einmal die Fenster geöffnet und ein großes Transparent verkündetete: „Besetzt“. Rasch standen Boxen in den Fenstern, Tom Robinsons „Long Hot Summer“ und der „Rauch Haus Song“ von Ton Steine Scherben ertönten in Bockenheim.

 

In Frankfurt hatte es in diese Frühjahr bereits mehrere Hausbesetzungen gegeben: Die Häuser in der Guiollettstraße und  Ulmenstraße waren schnell geräumt worden. Der Schwarze Block, der zum ersten Mal am 1. Mai durch Frankfurts Straßen gezogen war und nicht so hieß, weil alle schwarz angezogen waren, sondern weil in diesem Block die schwarzen Fahnen des Anarchismus mitgeführt wurden, hatte sich Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Einmal konnte so die Verhaftung der Besetzern verhindert werden, die Räumung jedoch nicht.

Auch vor der Siesmayerstraße zog schnell eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei auf, allerdings zog sie, nach mehreren Aufforderungen das Haus zu räumen, schnell wieder ab. Das Ziel der Besetzer, aus

der Siesmayerstraße ein Autonomes Zentrum zu machen, schien auf einmal nicht mehr unmöglich. Aber klar war auch: Wollte die Polizei räumen, würde man sie nicht daran hindern können.

 

Also wurde eine Delegation zum Rebstock-Gelände, einem großen Park und ehemaligen Flughafen  nahe der Messe, entsandt. Dort fand an diesem Samstag und dem darauffolgenden Sonntag „Rock gegen Rechts“ statt. Seit Mitte der siebziger Jahren wollte die NPD in Frankfurt immer am 17. Juni ihr Deutschlandtreffen veranstalten. 1978 hatte es schwere Unruhen gegeben und die NPD wurde vom Römerberg vertrieben. 1979 hatten Demonstranten trotz Verbot die gesamte Innenstadt besetzt und so den Naziaufmarsch verhindert. Damals gab es auch das erste Rock gegen Rechts-Festival und 1980 fand es zum zweiten Mal statt, denn man wusste nicht, ob die Nazis wiederkommen würden. Sie wichen schließlich nach Eschwege ins Mittelhessische aus und hatten es auch da mit tausenden Gegendemonstranten zu tun.

 

Die Delegation der Besetzer wollten bei Rock gegen Rechts auf die Bühne und das Publikum des Festivals um Hilfe bitten. Die Idee: Wenn nur ein paar hundert zur Siesmayerstraße mitkämen, würde es der Polizei deutlich schwerer fallen, das Haus zu räumen.

 

Doch als sie an der Bühne angekommen waren, erzählten sie später, habe es ein Problem gegeben. Einer der Veranstalter, ein ganz schlimmer  Schlagersänger mit den Namen Lerryn, hätte sich ihnen in den Weg gestellt und wollte, wohl gemeinsam mit DKP nahen Ordnern, verhindern, dass die Besetzer auf der Bühne eine kurze Durchsage machen. Dehm nutzte das Festival auch, sagten mehrere seiner damaligen Wegbegleiter, um Kontakte zu Musikern aufzubauen. Er war schon damals im Musikgeschäft tätig. Eine Hausbesetzung störte da wohl nur. Die Besetzer, einige davon nicht gerade klein und ausstaffiert mit Lederjacken vom Flohmarkt in Amsterdam, erzählte man sich, hätten ihn allerdings schon durch ein paar grimmige Blicke davon überzeugen können, dass es klüger wäre, sie auf die Bühne zu lassen. Dem geschah dann auch so. Gut 500 Konzertbesucher kamen schließlich rüber zur Siesmayerstraße, die an diesem Tag dann auch nicht geräumt wurde.

 

Aber das einer der Organisatoren eines Festivals dermaßen unsolidarisch war, entsetzte viele. Damit hatte niemand gerechnet und Lerryn, das war Diether Dehms Künstlername, wurde von vielen in Frankfurt danach nur noch „Lerryn, das Arschloch“ genannt.

 

Schon in den Jahren zuvor und natürlich auch danach war Diether Dehm eine äusserst umstrittene Figur: Gerüchte um eine Stasi-Tätigkeit machten schon damals die Runde, Dehms Geschmacksverbrechen sind bekannt, weswegen man ihn auch  „Plärryn“ nannte und wurden in der taz ganz wunderbar beschrieben. Er ist ein Querfrontler, ein vulgärer, eitler, in sich selbst verliebter Mensch, ein glühender Israelkritiker – aber der Titel „Lerryn, das Arschloch“ wurde ihm meines Wissens nach damals im Juni 1980 verliehen.  Und von denen, die das taten, kam bislang niemand auf die Idee, es zurückzunehmen.

 

 

Erstveröffentlicht bei den Ruhrbaronen - Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors / Foto: Kein Antisemitismus nirgend? Website des Kreisverbandes Duisburg der Linkspartei mit Darstellung des Davidsterns mit Nazisymbol in der Mitte (Foto: Screenshot)


Autor:
Bild Quelle:


Freitag, 06 April 2018