Kleine und große Verzerrungen durch deutsche Medien: Der Fall Relotius und Israel

Kleine und große Verzerrungen durch deutsche Medien: Der Fall Relotius und Israel


Manchmal haben Ereignisse, die schienbar nichts mit Israel zu tun haben, einen Aspekt, der sie für dieses Land beinahe bedeutungsvoll macht.

Kleine und große Verzerrungen durch deutsche Medien: Der Fall Relotius und Israel

Von Dr. Manfred Gerstenfeld

Im Dezember 2018 kam bei der großen deutschen Wochenzeitung DER SPIETEL ein Medienskandal ans Licht, der ein solcher Fall ist. Es wurde festgestellt, dass ein junger Star-Reporter, Claas Relotius, einige seiner Artikel fälschte und Protagonisten dafür erfand.[1] Besonders schmerzlich war ein Interview mit der letzten Überlebenden der „Weißen Rose“, einer Widerstandsorganisation im Nazideutschland während des Zweiten Weltkriegs. Auch hier brachte er erfundene Abschnitte ein.[2]

Als all das entdeckt wurde, erklärten die Herausgeber des SPIEGEL, sie seien verpflichtet die Wahrheit zu bringen. Sie versprachen den Fall Relotius aufzuklären. Die Zeitschrift schrieb: „Bei allem, was wir veröffentlichen, streben wir Verlässlichkeit und Genauigkeit an, in der Analyse wie in der Reportage, in der Nachricht wie im Kommentar. Glaubwürdigkeit ist unser höchstes Gut. Der Fall Relotius legt offen, dass wir unseren Ansprüchen nicht gerecht geworden sind. Der Fall konfrontiert uns mit unseren eigenen Schwächen.“[3]

Die Zeitschrift fügte hinzu: „Ausgehend vom Fall Claas Relotius werden wir überprüfen, welche Arbeitsabläufe, welche Dokumentationspflichten, welche organisatorischen Rahmenbedingungen wir verändern müssen, um unter anderem die Verlässlichkeit von Recherche und Verifikation zu erneuern und das Vertrauen in die journalistische Schlagkraft des Hauses wiederherzustellen.“[4]

Es wurde eine Kommission eingesetzt, die all diese wichtigen Dinge tun soll. Was die Frage angeht, ob Relotius Artikel für andere Zeitungen fälschte, antwortete DER SPIEGEL, dies könne nicht ausgeschlossen werden. Als freiberuflicher Journalist schrieb er für eine Reihe führender Zeitungen in Deutschland und der Schweiz, darunter die deutsche Ausgabe der Financial Times.[5]

Es gib jedoch viel weiter greifende Methoden die Wirklichkeit zu fälschen als Fakten und Persönlichkeiten zu erfinden. Der Fall Relotius ist winzig verglichen mit dem großen Bild falscher Berichterstattung in den Medien. Um das zu demonstrieren, kann man eine Reihe Statistiken dazu betrachten, wie Israel in Deutschland gesehen wird.

2015 veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung, dass 41% der erwachsenen Deutschen der Äußerung zustimmen, Israel verhalte sich gegenüber den Palästinenser wie die Nazis gegenüber den Juden.[6] Eine Studie des Jahres 2007 durch dieselbe Stiftung berichtete eine Zahl von 30%.[7] Die Universität Bielefeld untersuchte dasselbe Thema und erhielt etwas andere Antworten. 2014 stimmten 27% der Deutschen dieser Äußerung zu.[8] 2004 waren es 51%. Selbst wenn wir die niedrigste Zahl von 27% nehmen, sprechen wir von mehr als 15 Millionen Deutschen, die diese dämonische Sicht Israels glauben.

Zudem sind Statistiken zum Prozentsatz der deutschen Erwachsenen-Bevölkerung verfügbar, die der Äußerung zustimmt, dass Israel einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser führt. Diese Frage wurde in den letzten 15 Jahren von der Universität Bielefeld dreimal gestellt. Die niedrigste Zahl gab es 2014 – mit 40% der Erwachsenenbevölkerung. Das ist gleichbedeutend mit mindestens 25 Millionen Deutschen. 2011 lag die Zahl bei 48% und 2004 bei 68%.[9]

Wenn Israel sich gegenüber den Palästinensern wirklich wie die Nazis gegenüber den Juden verhalten würde, was 2004 die Hälfte der deutschen Bevölkerung glaubte, dann wären heute praktisch alle Palästinenser ausgelöscht. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die palästinensische Bevölkerung hat im Verlauf der letzten 15 Jahre beträchtlich zugenommen.

Wer hat diese Dämonisierung Israels verursacht? In Deutschland achten, anders als in vielen anderen westeuropäischen Ländern, linke Parteien in der Regel sehr darauf keine Äußerungen von sich zu geben, die die Bevölkerung die satanischen Ansichten zu Israel glauben machen, die in den Umfragen festgestellt wurden. Die sozialen Medien können Meinungen stark verzerren, aber nicht das diabolische Bild formen, das über fünfzehn Jahre hinweg festzustellen ist.

Die Hauptquelle dieses dämonischen Bildes von Israel kann nur eine Kombination zahlreicher deutscher Medienquellen sein. Die Medien machten das nicht durch Veröffentlichung von Fake News, sondern durch einen Spiegelprozess. Das hatte noch nicht einmal systematisch erfolgen müssen, aber einfach durch Regelmäßigkeit über die Jahre hinweg. Die Medien vernachlässigten den Fokus auf die bedeutende Korruption und Kriminalität, die mit dem Gefüge der palästinensischen Gesellschaft verflochten ist.

Anders als Relotius, der Fake-Fakten berichtete, berichten viele große deutschen Medien weiterhin kaum über den extremen Hass auf Israel und die Juden, der der arabischen und muslimischen Welt entstammt. Dieses Schüren von Hass kommt von politischen und religiösen Führern sowie von Journalisten und anderen. Manchmal nimmt der lückenhaft berichtete Hass sogar völkermörderische Züge an.

Die Studie der Agentur für Fundamentale Rechte (FRA) von 2018 stellte fest, dass Antisemitismus in Europa in den sozialen Medien am problematischsten ist. Sie erklärte zudem, dass „echte“ Medien nicht allzu weit dahinter zurückbleiben.[10]

Soweit es Israel und die Palästinenser betroffen angeht, sind viele deutsche Medienorgane in ihren Analysen und Kommentaren nicht auf Verlässlichkeit und Genauigkeit aus. Wenn Glaubwürdigkeit ihr höchstes Gut war, so fehlt sie enorm. Die Auswertung, wie sich Israel gegenüber verhielten, konfrontiert sie mit ihrer strukturellen Schwäche.

DER SPIEGEL wird eine unabhängige Kommission zum relativ winzigen Fall Relotius einsetzen, um zu untersuchen, was sich bei der Zeitschrift ändern muss. Die Rolle der Medien bei der Dämonisierung Israels in Deutschland zu untersuchen, erfordert ein weit stärkeres Engagement. Die Ergebnisse würden auch für das deutsche Judentum wichtig sein, das sich mit drei antisemitischen Vorfällen pro Tag konfrontiert sieht; diese Zahl ist wahrscheinlich noch zu niedrig. Viele dieser antisemitischen Angriffe stehen in Verbindung mit Hass auf Israel, der sich gegen Juden richtet.

[1] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/der-fall-claas-relotius-wie-der-spiegel-auf-die-faelschungen-reagiert-a-1244569.html

[2] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/fall-claas-relotius-weisse-rose-ueberlebende-traute-lafrenz-betroffen-a-1244756.html

[3] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/der-fall-claas-relotius-wie-der-spiegel-auf-die-faelschungen-reagiert-a-1244569.html

[4] ebenda

[5] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/der-fall-claas-relotius-wie-der-spiegel-auf-die-faelschungen-reagiert-a-1244569.html

[6] www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_LW_Germany_and_Israel_today_2015.pdf. S. 35

[7] ebenda

[8] library.fes.de/pdf-files/do/07908-20110311.pdf.

[9] library.fes.de/pdf-files/do/07908-20110311.pdf.

Aribert Heyder/Julia Iser/Peter Schmidt; Israelkritik oder Antisemitismus? Meinungsbildung zwischen Öffentlichkeit, Medien und Tabus. In: Wilhelm Heitmeyer (Hg.): Deutsche Zustände. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2005.

[10] European Agency For Fundamental Rights: Experiences and perceptions of antisemitism, Second survey on discrimination and hate crime against Jews in the EU. Luxembourg 2018. S. 6, Tabelle 2 — https://fra.europa.eu/en/publication/2018/2nd-survey-discrimination-hate-crime-against-jews

 

Heplev - Dr. Manfred Gerstenfeld war jahrelang Direktor des Jerusalem Centers for Political Defense (JCPD) und ist regelmäßiger Autor von Kommentaren und Analysen in der Jerusalem Post sowie beim israelischen Nachrichtensender Arutz Sheva. 


Autor: Dr. Manfred Gerstenf
Bild Quelle:


Dienstag, 12 Februar 2019

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