Raw Frand zu Parschat Kedoschim: Wofür lebe ich?

Raw Frand zu Parschat Kedoschim:

Wofür lebe ich?


An diesem Shabbat lasen wir die Paraschat Kedoschim Mot aus der Torah. Raw Frand erläutert Aspekte dieser Parascha und ihrer Bedeutung. Heute lesen Sie den ersten Kommentar zur Paraschat.

Wofür lebe ich?

Der Pasuk (Vers) sagt: "Beobachtet Meine Gesetze und Meine Rechtsvorschriften; wer sie beachtet, wird durch sie leben ("wechaj bahem"), ich bin der Ewige." [Wajikra 18:5] Die Gemara (Talmud) schliesst aus dieser Quelle folgendes: Wenn ein Mensch die Wahl hat, eine Sünde zu begehen oder getötet zu werden (oder auch: eine Mizwa (Gebot) zu unterlassen oder getötet werden), verlangt die Halacha (jüdische Rechtslehre), dass der Mensch die Awera (Sünde) begehen oder die Mizwa unterlassen darf, um dem Tod zu entgehen. Es gibt nur drei Ausnahmen: Awoda Sara (Götzendienst), Schfichat Damim (Mord) und Giluj Arajot (verbotene Ehe).

Abgesehen von diesen drei Ausnahmen, sagt die Halacha, kann man Schweinefleisch essen, den Schabbat übertreten oder Brot am Pessach geniessen, um sein Leben zu retten. Warum? Weil wir dies aus dem obigen Vers ableiten: Dies sind die Mizwot, die ich dir gab. "Wechaj bahem" und du sollst durch sie leben. Die Gemara [Sanhedrin 74a] verleiht ihm die Bedeutung: "Du sollst durch sie leben und nicht wegen ihnen sterben."

Oberflächlich gesehen, scheint die Torah uns mit diesem Pasuk zu sagen, dass ein Menschenleben mehr gilt als das Einhalten der Mizwot. Wenn man also die Wahl hat, Schabbat zu halten oder zu überleben, ist das eigene Leben wertvoller als die Mizwa. Dies ist eine allgemeine Regel: Überleben ist wichtiger als die Mizwot, mit drei Ausnahmen.

Rav Mosche Feinstein schreibt in seinem Sefer (Buch) "Igrot Mosche" (in Zusammenhang mit einer Frage zu einem anderen Thema), dass das landläufige Verständnis dieses Pasuks falsch ist. Das ist nicht, was der Pasuk sagen will, und dies ist so grundlegend wie der Targum Onkelos. (Der Targum Onkelos ist eine nahezu wörtliche Übersetzung der Torah ins Aramäisch, ohne weitere Ausschmückungen.)

Der Targum Onkelos übersetzt diesen Vers wie folgt: "Und du sollst durch sie in der Künftigen Welt leben." Mit anderen Worten: Der Vers sagt nicht, dass wir am Leben bleiben und die Mizwot vernachlässigen sollen, weil das Überleben wichtiger ist als die Mizwot. Der Pasuk sagt uns, dass die Einhaltung der Mizwot die wichtigste Sache unseres Lebens ist, weil sie uns zu Olam haba, dem Leben in der Künftigen Welt verhelfen.

Deshalb sagt die Torah, wenn ich die Wahl habe, den Schabbat zu halten oder getötet zu werden: "Lebe!" Warum? Nicht weil das Leben an sich wichtiger ist als G´ttes Gebote. Es gilt vielmehr: Leben ist deshalb wertvoll, weil du diese Gebote erfüllen kannst! Arbeite deshalb an diesem Schabbat, damit du viele künftige Schabbatot halten kannst. Iss Chamez (Gesäuertes) an Pessach. Warum? Damit du weitermachen und viele Mizwot erfüllen kannst und dir dadurch dein Leben in der Künftigen Welt erwerben wirst.

Das ist eine vollkommen andere Blickweise. Leben an sich ist ohne Sinngebung wertlos. Leben hat nicht nur den Zweck, dass der Mensch arbeitet, Haushalt führt und zum Fussballspiel geht. Das macht das Leben nicht lebenswert! Was macht das Leben lebenswert? "Wechaj bahem" - "leChajeh alma" (für die Künftige Welt). Ein solches Leben führt zum Ziel.

Die Torah sagt uns, dass wir in diesem Fall den Schabbat übertreten und an Pessach Chametz essen dürfen. Warum? Weil ein Menschenleben so wertvoll ist, WEIL in dieser Welt noch so viele weitere Mizwot erfüllt werden können. Übertrete also den Schabbat dieses eine Mal, damit du in Zukunft viele weitere Schabbatot erfüllen kannst.

 

Quellen und Persönlichkeiten:

Rabbi Mosche Feinstein (1895 - 1986): Rosch Jeschiwa von Mesivta Tiferet Jerusalem, New York. Einer der grössten, zeitgenössischen Autoritäten der Halacha (jüdische Rechtslehre).
Targum (Onkelos) (gest. ca. 90): massgebender Uebersetzer des Chumasch ins Aramäische.

 

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Autor: Raw Frand
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Freitag, 10 Mai 2019

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