Islamkritik: Ein 5000-Euro-Maulkorb für eine deutsche Lehrerin

Islamkritik: Ein 5000-Euro-Maulkorb für eine deutsche Lehrerin


Weil sie den mutmaßlichen Suizid einer 17jährigen zum Anlass nahm, um Cybermobbing, Doppelmoral und den strengen Moralkodex in vielen muslimischen Communities zu thematisieren, soll eine Pädagogin 5.000€ Strafe wegen `übler Nachrede´ zahlen.

 Islamkritik: Ein 5000-Euro-Maulkorb für eine deutsche Lehrerin

Von Birgit Gärtner

Eine 17jährige Schülerin wird am 13. Januar 2019 in der ostwestfälischen Stadt Herford von einem Nahverkehrszug überrollt und getötet. Vermutlich handelt es sich um Selbstmord.

Es stellt sich die Frage nach dem Warum. Diese Frage formulierte auch etwa zwei Wochen später eine Gesamtschullehrerin aus Herford zunächst auf ihrem Facebook-Account und dann auch gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern in der Oberstufe. Sie diskutierte anhand des Falls über Cybermobbing sowie den gesellschaftlichen Druck, der gerade auf jungen Frauen lastet. Vor allem in muslimischen Communities, wie jene, in denen die Eltern des Mädchens sich offenbar bewegen – wenngleich sie augenscheinlich nicht nach den dort herrschenden strengen Normen und Werte leben und diese auch nicht ihrer Tochter oktroyierten.

Obwohl die Lehrerin den Fall lediglich exemplarisch behandelte und den Namen des Mädchens und auch der Familie nicht nannte, hat die Unterrichtsstunde für sie nun möglicherweise drastische Folgen: Den Eltern des Mädchens war die von der Lehrerin angestoßene Debatte zu Ohren gekommen, sie fühlten sich in ihrer Ehre verletzt und zeigten die Pädagogin wegen „übler Nachrede“ an. Das Amtsgericht Herford verurteilte sie daraufhin zu 5.000,- € Strafe. Dagegen beschreitet sie nun den Rechtsweg. Die Hauptverhandlung soll noch im Dezember stattfinden.

Tragische Umstände

Es kam wohl vieles zusammen in dieser Lebensgeschichte, die mit dem tragischen Tod des Mädchens endete: Cybermobbing und der strenge Moralkodex einer orthodoxen muslimischen Community, dem vor allem Frauen und Mädchen unterworfen werden. Hineingeboren in die türkisch-muslimische Community führte die 17jährige offenbar ein Leben wie die meisten Gleichaltrigen auch, sie pflegte Kontakte und besuchte Partys. Auf der Silvesterparty 2018/19 dürfte eine Fotoaufnahme von ihr entstanden sein, auf der sie gar nicht oder nur spärlich bekleidet zu sehen sein soll. Dieses Material wurde dann über Wochen in sozialen Medien verbreitet.

Eine Erfahrung, die viele Mädchen in dem Alter oder junge Frauen machen. Eine Situation wird ausgenutzt, und sie werden anschließend gnadenlos erpresst oder der Lächerlichkeit, Häme und Hetze preisgegeben. Immer noch ist es ein Unterschied, ob Mädchen über die Stränge schlagen, möglicherweise weil sie unter Alkohol oder Drogen standen – oder gesetzt wurden – oder Burschen. Mehr als Jungs sind Mädchen durch solche Aufnahmen der gesellschaftlichen Ächtung ausgesetzt. Das ist in der Mehrheitsgesellschaft so, noch stärker jedoch in vielen muslimischen Kreisen. Und wohl auch in denen um die Herforder DITIB-Moschee, die im April 2018 in die Schlagzeilen geriet, weil dort kleine Kinder in einem „Theaterstück“ in Militärkleidung aufmarschierten.

Die Aufnahme aus der Silvesternacht kursierte also offenbar unter den Jugendlichen in Herford, auch bei Schülerinnen und Schülern anderer Schulen. Doch erst nach dem Tod des Mädchens wurde darüber lauter gemunkelt, sodass es zu einem Thema werden sollte, über das offener geredet und infolgedessen über mögliche Zusammenhänge mit dem Suizid spekuliert wurde. Am Todestag des Mädchens, einem Sonntag, soll zudem deren Familie und die Verwandtschaft diese DITIB-Moschee besucht haben. Bis dahin, so schreibt das Westfalen-Blatt, habe die Familie von den Aufnahmen nichts gewusst – in der Moscheegemeinde erhitzten sich jedoch möglicherweise die Gemüter. In Erzählungen von Jugendlichen fielen Begriffe wie „Schlampe“, „Hure“, Ehre“ und „Schande“, mit denen das Mädchen und auch deren Familie bedacht worden sein soll.

Der Fall wird im Unterricht besprochen

Auch in der Schülerschaft ihrer Gesamtschule nahm die betreffende Lehrerin die Gerüchte wahr, versuchte ihnen Einhalt zu gebieten, den Fall einigermaßen zu rekonstruieren und in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Realitäten zu setzen – und eben auch mit der Lebenswelt von Frauen und Mädchen in streng muslimischen Communities. Sie sieht eine Verantwortung für den Suizid bei jenen, die diese Aufnahmen machten, bei jenen, die sie verbreiteten und, so die Gerüchte stimmen, auch bei der DITIB-Moscheegemeinde, die eventuell Druck auf die Familie des Mädchens ausgeübt haben könnte, und die diesen Druck an sie weitergab, sodass sie vielleicht keinen anderen Ausweg als den Suizid sah.

Darüber machte die Lehrerin sich zunächst auf ihrem Facebook-Account Gedanken. Diesen Text, den sie am Morgen des 25.01.2019 veröffentlichte, kopierte sie für ihren Unterricht als Arbeitsblatt. Dieses Arbeitsblatt befindet sich nun offenbar in der Gerichtsakte und trug zu der Verurteilung bei. Ihren Facebookbeitrag vom frühen Morgen sperrte sie noch am selben Tag und machte ihn für die Öffentlichkeit unzugänglich. Allerdings waren zu dem Zeitpunkt bereits Screenshots davon angefertigt und weiter verbreitet worden.

Cybermobbing zerstört Menschenleben

Was letztlich genau dazu führte, dass die 17jährige sich das Leben nahm, lässt sich wohl nicht mehr gänzlich klären. Bekannt aber ist, dass Cybermobbing in vielen Fällen Selbstmordgedanken bei den Betroffenen auslöst.

Selbstmordrate bei muslimischen Mädchen sehr hoch

Bekannt ist auch, dass schon vor Jahren die hohe Suizidrate bei Mädchen aus muslimischen, insbesondere türkischen bzw. kurdischen Communities diskutiert wurde. Laut einer Studie der Berliner Charité war die Selbstmordrate türkischer Mädchen im Jahre 2010 doppelt so hoch wie die ihrer nichttürkischen Altersgenossinnen. Die Selbstmordrate bei türkisch-stämmigen Migrantinnen liegt laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation im Raum Würzburg fünfmal höher als bei deutschen Frauen.

Bekannt ist auch, welchen Druck das Umfeld auf eine Familie ausüben kann, wenn ein – meistens weibliches Mitglied – „Schande“ über die Familie bzw. Community gebracht hat. Neuere Untersuchungen zu dem Thema sind nicht bekannt. Auch gibt es keine öffentlich wahrnehmbaren Studien zu den Hintergründen von Selbstmorden, insbesondere bei Jugendlichen, schon gar nicht bei Jugendlichen aus dem streng gläubigen muslimischen Milieu. So können aus dem dort häufig herrschenden durchaus lebensbedrohlichen Moralkodex resultierende Gefahren elegant unter den Teppich gekehrt werden. Eine Lehrerin, die den Teppich lüftet, stört da offenbar.

Sollte die Lehrerin tatsächlich zu einer Geldstraße verurteilt und womöglich von der zuständigen Schulbehörde sanktioniert werden, wäre das verheerend nicht nur für die betreffende Pädagogin, sondern für die Meinungsfreiheit allgemein, vor allem aber für den Schulbetrieb. Denn wo, wenn nicht dort, sollen Jugendliche lernen, unsere Gesellschaft in all ihren Facetten zu reflektieren? Wo, wenn nicht in der Schule, sollen sie lernen, dass der im Grundgesetz verankerte Gleichheitsgrundsatz auch für Frauen gilt – auch für Mädchen aus dem fundamental-islamischen Milieu?

Wenn aber Lehrkräfte mit Disziplinierung und Geldbußen rechnen müssen, wer wird es dann künftig noch wagen, solche Themen offen anzusprechen?

 

MENA Watch - Foto: Amtsgericht Herford


Autor: MENA Watch
Bild Quelle: Tobi-hf, CC BY-SA 3.0 de


Samstag, 26 Oktober 2019