Sudanesische Sensibilitäten: Gaza-Guido und die Empfindungen

Sudanesische Sensibilitäten:

Gaza-Guido und die Empfindungen


Gaza-Guido und die Empfindungen

Angesichts einer Welle der Gewalt, die über die islamischen Staaten hinweggefegt ist, wie ein Orkan, an dem nichts Natürliches war, verstieg sich das derzeitige Außenminister-Surrogat der Bundesrepublik, Dr. Guido Westerwelle, zu einem entschiedenen Ja-aber.

Ja, er könne die Empörung der islamistisch agitierten Massen verstehen, sagte “unser” Gaza-Guido – aber so ginge es ja nun auch nicht. Wie die Maus, die brüllte, ließ sich der deutsche Außenminister vernehmen, nachdem der Lynchmob seine Filiale in Khartoum abgefackelt hatte.

Was hat Dr. Westerwelle bloß gegen sein Personal, insbesondere das der deutschen Botschaft in Khartoum, dass er es so entschieden in den “politischen” Regen stellt?

Was der deutsche Außenminister statt seiner verständnisinnigen Worte besser gesagt hätte, wäre in etwa folgendes: Wer sich von diesem unsäglich blöden Youtube-Video auch nur beim Wasserlassen stören lässt, hat es nicht besser verdient, und alle, die etwas anderes behaupten, sind ein paar moralisch zurückgebliebene Heuchler, die an der Dummheit der Massen verdienen möchten.

Aber das hätte vorausgesetzt, dass Gaza-Guido den Kopf nicht nur dafür hat, dass es ihm nicht in den Hals regnet; ein entschiedenes Ja-aber ist nämlich auch ein Ja.

Alles nur enttäuschte Liebe?

Was nun das Ausmaß anbelangt, in dem die islamische Welt in Unruhe ist, so soll hier nur ein vorläufiger und zweifellos unvollständiger Überblick gegeben sein: In Jerusalem kam es nach dem Freitagsgebet zu Protesten, ebenso in Gaza und Akkrah. Die Demonstationen lösten sich aber jeweils bald auf.

In Jordanien kam es ebenfalls zu Protestkundgebungen, die mehr oder weniger friedlich verliefen. Nicht so im Libanon. Kaum, dass der Papst in Beirut gelandet war und irgendeinen wohlmeinenden Sermon von der friedlichen Koexistenz der Religionen vom Stapel gelassen hatte, fackelte der Mob eine Kentucky-Fried-Chicken-Filiale ab und ein Mann kam ums Leben; da sag mir einer, der deutsche Papst hätte seinen Namen nicht verdient – so sehr, wie der nicht aus seinem idealistischen Mustopf kommt...

In Kairo konnte ein massives Aufgebot an Sicherheitskräften auf dem Tahrir-Platz wohl gerade noch verhindern, dass sich der “Arabische Frühling” mal wieder blamiert, und Präsident Mursi murmelte währenddessen von Rom aus seinen üblichen “politischen” Abfall darüber, dass “Die Unschuld der Muslime” ja nur vom “Schicksal der Palästinenser” ablenke und allein deshalb schon zu verdammen wäre. Ach so.

Während die Salafisten-Partei bereits angedroht haben soll, ebenfalls einen “Film” zu produzieren, und zwar darüber, was die Welt ohne den Propheten Muhammad gewesen wäre; but don´t you hold your breath for it.

Im Irak und in Bangladesh kam es zu Ausschreitungen. In Sana´a stürmte der Mob die US-Botschaft, und im Sudan stürmte der Mob, wie gesagt, die britische sowie die deutsche Botchaft, ohne dass die lokalen Behörden viel dagegen unternommen hätten, und offensichtlich ohne sich viele Gedanken darüber zu machen, ob die deutsche Außenpolitik tatsächlich pro-westlich, oder pro-amerikanisch, genug ist, um die “Ehre” eines Hausbesuchs überhaupt verdient zu haben.

Wäre es im Westen zur Verletzung der territorialen Integrität von, sagen wir mal, Tunesien, Algerien und Marokko gekommen, durch ungebetenen Besuch in deren Botschaftsgebäuden, wäre in einigen westlichen Metropolen inzwischen vielleicht kein Stein mehr auf dem anderen?

Aber es hätte Dr. Guido Westerwelle bestimmt auch dafür “Verständnis” gehabt, denn hey: Dieser sogenannte Film, dieses intellektuell und auch sonst ziemlich gehandicapte Youtube-Video – das hat doch “Empfindungen” verletzt, oder etwa nicht?

Alle Empfindungen sind gleich, aber manche Empfindungen sind empfindlicher als die anderen
(frei nach George Orwell)

Dass jetzt also in der halben islamischen Welt ein uffjebrachter Lynchmob den Affen macht, wie seit den dänischen Karrikaturen nicht mehr, muss wohl damit zu tun haben, dass manche “Empfindungen” enfach so viel sensibler sind, als wir zivilisatorisch abgestumpften demokratischen Staatsbürger es uns auch nur vorstellen könnten; was sich, nebenbei gesagt, auch in der Wahl der gewählten Protestformen ausdrückt, die ebenfalls besonders sensibel sind?

Oder, wie es ein syrisches Satiremagazin sinngemäß schrieb: Wenn die ganze arabische Welt sich so aufregt wegen einem schwiemeligen Youtube-Video, aber ganz gelassen seinen Geschäften nachgeht, während in Syrien die Bevölkerung in einem Akt des Staatsterrors abgemurkst wird, würde man sich wünschen, selbst Gegenstand eines Youtube-“Filmes” zu sein – dann würden die Araber vielleicht endlich mal was für die terrorisierten Syrer tun!

Eine bittere, aber realistische Quintessenz. Aber selbst ein oberflächlicher Blick auf den Anschlag von Bengasi sollte genügen, um festzustellen, dass das nicht einfach mal so aus Zufall passiert ist, sondern dass genau bestimmte “politische” Interessen bedient werden sollten.

Inzwischen sind bei gewaltätigen Ausschreitungen in der islamischen Welt insgesamt sieben Menschen ums Leben gekommen, und die Welle der Gewalt hat heute morgen Sydney erreicht, wo eine anonym versendete SMS die Massen aufrief, “die Ehre der Propheten” zu rächen.

Das Schweigen der Tat

Immerhin sieht es selbst bei oberflächlicher Betrachtung der Ereignisse in Bengasi so aus, als hätte eine mäßig schwer bewaffnete Kommandoaktion von Unruhen profitiert, die ein paar agents provocateurs zweckdienlich inszeniert hatten, damit eben dieses Kommando seinen “Geschäften” nachegehn, das US-Generalkonsulat in Bengasi stürmen und Botschafter Stevens ermorden konnte.

Es ist übrigens seit der Stürmung der US-Botschaft in Teheran das erste Mal in über vierzig Jahren, dass ein Botschafter der USA ermordet worden ist.

Dass Botschafter Stevens sich am Mittwoch überhaupt in Bengasi und nicht in Tripolis aufhalten würde, war eine vertrauliche Information, die nicht allgemein bekannt gewesen ist; vor diesem Hintergrund dürften einige US-Bundesbehörden jetzt sehr interessiert daran sein, das Leck zu identifizieren. (Schade: Julian Assange wird es diesmal wohl nicht gewesen sein).

Man kann nur froh sein, dass das nicht dem Werderschen Markt passiert ist, denn Gaza-Guidos Muppet Show hätte wahrscheinlich noch nicht mal jetzt kapiert, dass sie vorgeführt worden ist.

Außerdem wüssten die Amerikaner zur Zeit nur zu gerne, wie es angehen konnte, dass diese aggressive Kommandoaktion ganz genau wusste, in welches “safe house” die Botschaft ihr Personal evakuieren würde, samt Angehörigen immerhin um die vierzig Personen, die allesamt nur ungerne in die Hände eines Killerkommandos gefallen wären.

Immerhin wurde das Botschaftspersonal in seinem an sich streng geheimen “safe house” in Bengasi zielgenau mit Granaten und Raketen beschossen und konnte selbst von den zunächst nur acht eilig entsandten US-Marines nicht ohne Hilfe regulärer lybischer Sicherheitskräfte befreit werden; es hätte also alles noch viel schlimmer kommen können.

Wenn die Auftraggeber dieser Kommandoaktion es gewollt hätten, wäre es zu einer Geiselnahme wie in Teheran gekommen, und die Amerikaner hätten es nicht zu verhindern gewusst.

Das Handling dieser potenziell lebensgefährlichen, kritischen Situation wirft, nebenbei gesagt, kein sonderlich vertrauenerweckendes, sondern vielmehr ein zweifelhaftes Licht auf die “Professionalität” amerikanischer Sicherheitspolitik – oder vielmehr: auf deren Mängel.

Alles nur eine Sache der “Empfindung”?

All dies, während in Deutschland allenthalben verständnisinnig dafür geworben wird, doch bitteschön Rücksicht zu nehmen auf “religiöse” Empfindungen und schön tolerant zu sein; interessanterweise vorzugsweise von Leuten, die eben noch von Kindesmissbrauch geiferten, als es um das Kölner Beschneidungsurteil ging.

Dazu ist lediglich zu sagen, dass alle maßgeblichen Religionen so manchen blöden Scherz auf ihre Kosten zu ertragen hatten; und zwar ohne, dass es deswegen zu Mord und Todschlag gekommen ist, zumindest nicht in den letzten paar Jahrzehnten.

Wenn nun also in den islamischen Ländern der Mob den Affen macht, so soll es dabei um einen blöden Youtube-Film zu gehen, der irgendwelche vor allem im Westen unterstellten “religiösen Empfindungen der Moslems” verletzt? Mumpitz!

Wie Richard Fernandez bereits gestern zur Dekonstruktion dieser Diskurs-Chimäre schrieb: “Nobody is getting his dishdasha in twist bcause of a friggin youtube-movie”/ “Keiner lässt sich seinen Umhang aufwirbeln wegen so einem beknackten Youtube-Film.”

Mit anderen Worten: Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass eine kleine gewalttätige Minderheit einfach so mir nichts, dir nichts, aktiv wird, ohne dass dafür nicht auch “politische” Interessen herangezogen werden könnten.

Und zwar vorzugsweise solche Interessen, die wenig mit Religion, aber umso mehr mit der Zuteilung geographischer Einflussgebiete in der Region zu tun haben könnten; Einflussgebiete staatlicher, halbstaatlicher, pseudostaatlicher oder ganz simpler, krimineller Akteure, wohlgemerkt.

Zumindest ein Regime in der Region hat sich in jüngster Vergangenheit sehr interessiert daran gezeigt, Botschafter ins Jenseits zu befördern (kleiner Tipp: Erster Buchstabe “I”, letzte drei Buchstaben “ran”).

Und dann gibt es da auch noch diese Terror-Firma, die nur deshalb nicht zu existieren aufgehört hat, weil ihre Nummer Eins zu Fischfutter verarbeitet worden ist. But please, do call me paranoid and a cynical.

 

Gerrit Liskow

 

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Samstag, 15 September 2012

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