Allein unter Zensoren

Allein unter Zensoren


Grünen-Politiker Volker Beck lässt seine Antworten in einem Buch über Flüchtlinge schwärzen. Dass er andererseits Gesprächsfreiheit fordert, wenn es um israelkritische Organisationen geht, ist schräg.

Allein unter Zensoren

Eine Analyse von Ulrich W. Sahm

 

Eine Zensur gibt es in Deutschland nicht! Man spricht in den Sozialen Netzwerken zwar von „Lügenpresse“ oder „Lückenpresse“ – aber das gilt als unseriös.

 

Umso größer die Überraschung, in deutschen Buchhandlungen den im März erschienenen Verkaufsschlager des israelisch-amerikanischen Autors Tuvia Tenenbom, „Allein unter Flüchtlingen“, mit dicken schwarzen Balken zu entdecken. Tenenbom interviewte für dieses Buch Manager beim Autokonzern Daimler und Flüchtlinge aus Syrien. Er sprach mit dem Politiker Gregor Gysi (Die Linke) und dem Journalisten Jürgen Todenhöfer, mit der Politikerin Frauke Petry (Alternative für Deutschland) und Henriette Reker, der Oberbürgermeisterin von Köln (parteilos), mit Kardinal Marx, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, und Götz Kubitschek, der als Akteur der Neuen Rechten gilt.

 

Jeder durfte unzensiert seine Meinung äußern. Doch im Kapitel 22 ab Seite 200 bis Seite 204 ist der Text zur Hälfte geschwärzt. In dem Kapitel führt Tenenbom ein Gespräch mit dem Grünen-Politiker Volker Beck.

 

Tenenbom: Beck drohte mit Blockade

 

Warum sind Becks Antworten komplett der Zensur zum Opfer gefallen? Eine Anfrage bei Tenenbom ergab eine bemerkenswerte Antwort: „Die Geschichte mit Volker (Beck) ist eigentümlich. Ich interviewte ihn in Frankfurt. Vorher fragte ich ihn, ob es ihm recht sei, befragt zu werden und ob ich ihn aufnehmen könne. Er sagte, das sei in Ordnung - und auch das wurde aufgezeichnet. Isi (Tenenboms Frau) hat das Interview auch gefilmt. Dann, etwa einen Monat, bevor das Buch erscheinen sollte, rief er mich an und bat um eine Autorisierung (seiner Aussagen) vor der Veröffentlichung. Ich sagte ihm, dass ich ihm nicht erlauben würde, zu ändern, was er gesagt hat. In den USA würden das die Medien, wie zum Beispiel ‚New York Times’, niemals zulassen.

Diese Politik ist allen wohlbekannt.“

 

Tenenbom berichtet weiter, dass Beck ihn verklagen könnte, falls ihm nicht gefiele, was da wiedergegeben sei. Doch einen Prozess würde der Grünen-Politiker wohl verlieren, da alles aufgenommen und gefilmt sei.

Beck rief daraufhin den „Suhrkamp“-Verlag an und drohte, den Verkauf des Buches zu blockieren, falls seinem Wunsch nicht stattgegeben werde. Die Anwälte des Verlags erklärten daraufhin Tenenbom, dass es völlig legal sei, Becks Aussagen zu veröffentlichen. Gleichwohl könnte der Verlag gerichtlich gezwungen werden, bis zum Abschluss des Verfahrens alle ausgelieferten Exemplare aus den Buchhandlungen einzuziehen.

Einvernehmlich hätten daraufhin Tenenbom und der Verlag beschlossen, Becks Antworten zu schwärzen.

 

Hier folgen nun Auszüge aus dem Buch:

 

Ich meine eine Abstimmung gegen den Deal mit Erdogan. Wurde im Bundestag über diesen Deal abgestimmt?

 

 

(Balken)

 

Wurde abgestimmt? Ja oder nein?

 

(Balken)

 

Es gibt noch eine andere Genfer Konvention, die 4. Genfer Konvention von 1949, die erklärt, dass eine „Besatzungsmacht (…) nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln (darf). Viele Europäer, die sich nicht an die Genfer Konvention halten, die sie betrifft, werfen zugleich Israel vor, sich nicht an die Konvention von 1949 zu halten. Deshalb frage ich Volker, den deutschen Israel-Freund, ob Europäer mit dem Finger auf Israel zeigen dürfen, weil Israel eine Konvention missachtet, wenn sich Europa selbst so wenig um Konventionen schert. Seine Antwort:

 

(Balken)

 

Aber kann man Dinge predigen, die man selbst nicht tut?

 

(Balken)

 

Ich bewundere Volker. Mir würde im Leben kein solcher Satz über die Lippen kommen, er aber bringt das fertig.

 

Auf Anfrage schickte uns Tenenbom eine unzensierte Ausgabe des Buches auf Englisch. Das ist noch nicht erschienen. Um Tenenbom oder dem „Suhrkamp“-Verlag nicht in den Rücken zu fallen, und um nicht von Beck verklagt zu werden, werden wir hier die in Deutschland zensierten Antworten Becks nicht wiedergeben. Soviel sei nur gesagt: Beck macht sich unglaubwürdig mit banalen Antworten wie „Natürlich“, „da müssen Sie Frau Merkel fragen“ oder einem Verweis auf seinen „Chef“, wer immer das sein mag. Sachliche Fragen, ob es nun eine Abstimmung gegeben habe, will er nicht mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ beantworten und fordert so weitere nachstochernde Fragen von Tenenbom heraus.

 

Ausweichend und teilweise peinlich haben auch andere Gesprächspartner Tenenboms geantwortet – auf Fragen, die auf der Hand liegen und dringend geklärt werden sollten. Aber nur Volker Beck drohte mit einem Prozess und zwang so den angesehenen „Suhrkamp“-Verlag zur Zensur.

 

Es ist nicht der erste Fall von Zensur in Deutschland. In anderen Fällen wurden sogar Bücher eingestampft. Doch dieser jüngste Fall ist umso bemerkenswerter, als ausgerechnet Volker Beck, der Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, erst kürzlich den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu kritisierte wegen des geplatzten Gesprächstermins mit Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Auf Facebook schrieb Beck: „Gesprächsverbote gehen gar nicht. Das geht nicht, wenn linke Gruppen in Deutschland meinen, man dürfte mit bestimmten Politikern oder NGOs in Israel nicht sprechen, und das geht auch nicht, wenn der israelische Ministerpräsident meint, Politiker(n) in Israel vorzugeben, mit wem sie sprechen dürfen und mit wem nicht.“

 

Fragen zu seinen Äußerungen ließ Beck auf Facebook unbeantwortet im Raum stehen. Und wenn er da behauptet, „Gesprächsverbote gehen gar nicht“, so lässt er diesen Spruch für sich selber offensichtlich nicht gelten.

 

 

 

israelnetz - Foto:  Ließ seine Antworten unkenntlich machen: Grünen-Politiker Beck

Foto: Israelnetz/Norbert Schäfer


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Donnerstag, 01 Juni 2017