Zwischen Fake News und `alternativen Fakten´: Die deutschen Medien und die Dämonisierung Israels

Zwischen Fake News und `alternativen Fakten´:

Die deutschen Medien und die Dämonisierung Israels


Die ARD hat der Saga der von Joachim Schröder und Sophie Hafner produzierten Antisemitismus-Dokumentation Auserwählt und ausgeschlossen: der Hass auf Juden in Europa neue Manipulationen hinzugefügt.

Die deutschen Medien und die Dämonisierung Israels

von Dr. Manfred Gerstenfeld

 

Der von der EU subventionierte deutsch-französische, öffentlich-rechtliche Fernsehsender ARTE hatte diese Dokumentation über das ARD-Mitglied WDR in Auftrag gegeben.

 

Soweit bekannt hatte der WDR keine Einwände, bevor er die Dokumentation an ARTE weiterleitete. Dieser lehnte den Film jedoch ab und behauptete er habe professionelle Mängel und entspreche nicht dem vertraglich festgelegten Auftrag.

Daraufhin stellte die größte deutsche Zeitung BILD die Dokumentation 24 Stunden lang online – ohne das Copyright dafür zu haben. Von dort aus wurde die Dokumentation auf YouTube hochgeladen.[1] In Reaktion auf die öffentliche Aufmerksamkeit entschied sich die ARD die Dokumentation am Abend des 21. Juni auszustrahlen.

 

Der Film wurde auf eine nie da gewesene Weise entstellt. Es gab eine Einführung, die den Zuschauer anleitete, wie er die Dokumentation zu betrachten habe; zusätzlich blendete der WDR ständig Kommentare ein, die die Richtigkeit einzelner Elemente in Zweifel zogen. Darüber hinaus stellte der WDR am Tag vor der Sendung einen „Faktencheck“ auf seine Internetseite, der fast 30 „Fehler“ oder „Unwahrheiten“ aufführte.[2] Einige dieser „Faktenchecks“ sind schon auf den ersten Blick haltlos. Viele weitere werden überzeugend bestritten.[3] Zudem schrieb NGO Monitor dem WDR einen Brief, der detailliert anführte, dass der Sender die Organisation in ihrem Faktencheck verleumdet hatte. NGO Monitor verlangte eine sofortige Rücknahme dieser Anmerkungen.[4]

 

Danach beging die ARD eine weitere Manipulation. Nach der Ausstrahlung der Dokumentation veranstaltete sie eine Diskussionsrunde mit der bekannten Talkmasterin Sandra Maischberger.[5] Die Produzenten der Dokumentation waren jedoch nicht eingeladen daran teilzunehmen. Die Zusammensetzung der Runde war unausgewogen. Ihr gehörten drei prominente Israelkritiker an, dagegen standen zwei pro-israelische Experten. Zudem repräsentierte WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn seinen Sender.

 

Die Qualitätszeitung DIE WELT schrieb, dass von den Diskussionsteilnehmern nur die beiden Pro-Israelis als Experten angesehen werden können: der Historiker Michael Wolffsohn und der heute in Berlin lebende israelische Araber Ahmad Mansour. Über diesen hieß es in dem Artikel: „Kaum jemand weiß mehr über den islamischen Antisemitismus in Europa.“ Über einen der anderen wurde geschrieben; „Rolf Verleger [ein Psychologie-Professor] qualifizierte sich einzig und allein für die Runde, weil er ein Jude ist, der Israel kritisiert.“

 

Dann gab es die Journalistin Gemma Pörzgen, eine „Expertin für die Apartheidpolitik in Südafrika und für Osteuropa“. Sie hatte den Film bereits auf Facebook scharf als „unsägliches Machwerk von Überzeugungstätern“ kritisiert. Der dritte antiisraelische Teilnehmer war der frühere CDU-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm. Über ihn schrieb DIE WELT: Er „ist dabei, weil er immer dabei ist. Und weil er sich als Israel-Kritiker profiliert hat.“[6] Blüm ist außerdem jemand, der den Holocaust indirekt umkehrt. 2009 zog er eine Verbindung zwischen der Judenverfolgung durch die Nazis und Gräueltaten gegen Palästinenser.[7]

2002 konstatierte Blüm, der jüdische Staat führe einen „Vernichtungskrieg“ gegen die Palästinenser.[8] Schon Jahrzehnte vor dem Einmarsch in die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg wurde dieser Begriff für den deutschen Völkermord an den Hereros in Südwestafrika verwendet.

 

Blüms aufstachelnde und falsche Äußerung über Israel ist repräsentativ für die damalige Meinung einer großen Mehrheit der Deutschen. 2004 führte die Universität Bielefeld in Deutschland eine Meinungsumfrage durch; darin wurde gefragt, ob man mit der Äußerung übereinstimmt, dass Israel einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser führt. Achtundsechzig Prozent der Befragten stimmten dem zu.[9]

 

Von derselben Universität wurden 2011[10] und 2014[11] zwei weitere Studien wurde durchgeführt. Die Zahl der Deutschen, die der Äußerung zustimmen, hatte sich auf 48%, dann auf 40% verringert. Weitere Umfragen durch die Bertelsmann-Stiftung und die Universität Bielefeld wollten wissen, ob die Menschen der Äußerung zustimmen, das Israel sich gegenüber den Palästinensern so verhält wie die Nazis gegenüber den Juden. Die Zahl der Deutschen, die dem zustimmten war sehr wechselhaft. 2004 stimmten 51% der Befragten[12] zu, 2007 dagegen waren es 30%.[13] 2014 stimmten 27% zu[14]und bis 2015 hatte der Anteil der Befragten diesbezüglich auf 41% zugenommen.[15]

 

Hätten Blüm und die große Anzahl der Deutschen in ihrer Wahrnehmung des erfundenen israelischen Vernichtungskriegs Recht gehabt, dann hätten die Filmemacher bei Besuchen im Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem keine palästinensischen Patienten filmen können, die dort behandelt werden. Während des Zweiten Weltkriegs brauchten die Deutschen lediglich zwei Jahre, um in den Vernichtungslagern Treblinka, Sobibor und Belzec zwei Millionen Menschen zu ermorden, vorwiegend Juden.

Nazideutschland dämonisierte die Juden, indem es behauptete sie seien eine minderwertige Rasse. Dutzende Millionen heutiger Deutscher dämonisieren Israel, indem sie die Israelis wie die Nazis ansehen. In vielen anderen europäischen Ländern findet eine ähnliche Dämonisierung Israels statt. Indes sind dort sowohl die Medien als auch die Politiker daran beteiligt diese Atmosphäre geschaffen zu haben.

 

In Deutschland haben die meisten Politiker aus dem Mainstream mit Ausnahme einiger weniger – wie Blüm oder gelegentlich der sozialdemokratische Außenminister Sigmar Gabriel – sowie der Linken gezögert solch extreme verbale Gewalt und Aufhetzung gegen Israel zu verwenden.

 

Da Menschen nicht als Israelverleumder geboren werden, ist es offensichtlich, dass Deutschland ein Land ist, in dem die gewaltige Dämonisierung Israels hauptsächlich Teilen der Sende- und Medienfirmen entspringt. Durch ihre nie da gewesene Verstümmelung der Dokumentation von Antisemitismus hat die ARD einem wichtigen Versuch enormen Schaden zugefügt, der versucht dieser Dämonisierung gegenzusteuern.

 

[1] http://www.youtube.com/watch?v=I0ffyhZ2_TE

[2] www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/unternehmen/doku-faktencheck/doku-faktencheck-gesamt-100.html

[3] http://www.audiatur-online.ch/2017/06/21/das-handwerk-des-antisemitismus/

[4] http://www.ngo-monitor.org/letter-wdr-failure-adhere-journalistic-standards/

[5] http://www.youtube.com/watch?v=HHhQGIMGNWg

[6] http://www.welt.de/vermischtes/article165784062/Muss-ein-Film-gegen-Antisemitismus-in-Europa-pro-juedisch-sein.html

[7] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/gaza-krieg-bei-plasberg-schlamassel-mit-der-deutschen-schuld-a-602764.html

[8] „Der Vorwurf des Antisemitismus wird auch als Knüppel benutzt,“ Stern, 18. Juni 2002.

[9] Wilhelm Heitmeyer, “Texte zu Ergebnissen der Umfrage 2004 des Projektes” (Universitaet Bielefeld, Institut fur interdisziplinare Konflikt- und Gewaltforschung, 2004)

[10] library.fes.de/pdf-files/do/07908-20110311.pdf.

[11] „Zusammenfassung zentraler Ergebnisse,“ Friedrich Ebert Stiftung/Universität Bielefeld, 20. November 2014.

[12] Aribert Heyder/Julia Iser/ Peter Schmidt: Israelkritik oder Antisemitismus? Meinungsbildung zwischen Öffentlichkeit, Medien und Tabus, In: Wilhelm Heitmeyer (Hg.): Deutsche Zustände. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2005, S. 144ff.

[13] www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_LW_Germany_and_Israel_today_2015.pdf, p.35

[14] „Zusammenfassung zentraler Ergebnisse.“ Friedrich Ebert Stiftung/Universität Bielefeld, 20. November 2014.

[15] www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_LW_Germany_and_Israel_today_2015.pdf. p.35

 

Dr. Manfred Gerstenfeld war viele Jahre Direktor des Jerusalem Centers for Public Affairs (JCPA). Er ist Autor u.a. bei der Tageszeitung The Jerusalem Post und beim israelischen Nachrichtensender Arutz Sheva / Heplev


Autor:
Bild Quelle:


Sonntag, 02 Juli 2017